Ein Arbeiter mit Besen und Mistkübel vor einem Plakat mit Yachten
AP/Peter Dejong
Weltklimakonferenz

Ernüchterung schon vor dem Start

Am Sonntag hat die 27. Weltklimakonferenz (COP27) im ägyptischen Touristenresort Scharm al-Scheich begonnen. Zwölf Tage lang suchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach einem Weg zum fast schon illusorischen 1,5-Grad-Ziel und zur Klimagerechtigkeit. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres warnte im Vorfeld, dass der Planet ohne signifikante Änderungen dem „Untergang geweiht“ sei – die Erwartungen sind dennoch gering.

Guterres sagte, die COP27 „muss der Ort sein, an dem das Vertrauen und der Ehrgeiz wiederhergestellt werden, um zu verhindern, dass unser Planet über die Klimaklippe stürzt“. Das wichtigste Ergebnis sei „ein klarer politischer Wille, die Emissionen schneller zu reduzieren“. Das erfordere einen historischen Pakt zwischen den reicheren Industrieländern und den Schwellenländern.

Die Klimagerechtigkeit sollte auch eines der ausschlaggebenden Themen der diesjährigen Konferenz werden. Denn während die reichen Industrienationen des Nordens an einem Großteil der Klimakrise Schuld tragen, sind es die Länder des Globalen Südens, die am meisten unter den Folgen wie Überflutungen, steigendem Meeresspiegel, Dürre und Hitze leiden.

Reiche Länder bei Zahlungen säumig

Im Jahr 2009 versprachen die reichen Länder, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar bereitzustellen, um gefährdeten Staaten bei der Anpassung an die Klimakrise und der Ökologisierung ihrer Energiesysteme zu helfen – eine Zusage, die bis heute nicht eingehalten wurde. Bisher wurden insgesamt erst 83 Mrd. Dollar bereitgestellt. Vor der COP2 riefen nun Menschenrechts- und Hilfsorganisationen die reichen Industriestaaten dazu auf, Entwicklungs- und Schwellenländer für Klimaschäden zu entschädigen.

Flutkatastrophe in Pakistan
AP/Zahid Hussain
In Pakistan kamen im Sommer bei Überschwemmungen mindestens 1.600 Menschen ums Leben, Millionen verloren ihr Obdach

Eine Forderung, die auch die pakistanische Ministerin für Klimawandel, Sherry Rehman, in Ägypten erheben wird. Pakistan wurde in den letzten Jahren von einer Klimakatastrophe nach der anderen heimgesucht – Überschwemmungen, Hitzewellen und Waldbrände – und kämpft darum, die nötigen Mittel für die Bewältigung der beispiellosen Überschwemmungen, die im Juni begannen und ein Drittel des Landes unter Wasser setzten, zu bekommen.

„Wir haben wiederholt auf verschiedenen Plattformen die moralischen Gründe für die Entschädigung für Verluste und Schäden dargelegt“, sagte Rehman. „Wir werden die gleiche Botschaft auf der COP27 überbringen.“ Und Guterres mahnte: „Heute ist es Pakistan. Morgen könnte es euer Land sein. (…) Lasst uns aufhören mit dem Schlafwandeln hin zur Zerstörung unseres Planeten.“

Beratungen zwischen 200 Staaten

Über Forderungen wie diese und Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise zu beraten, obliegt in den zwei Wochen den Vertretern und Vertreterinnen von knapp 200 Staaten. Die Zeit drängt, waren die vergangenen sieben Jahre doch die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Grafik zu den Szeneren der Erderwärmung bis 2100
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: climateactiontracker.org

Die weltweiten Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase müssen Fachleuten zufolge schon bis 2030 um etwa die Hälfte sinken. Anders sei das auf der UNO-Klimakonferenz in Paris 2015 gemeinsam vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, nicht zu erreichen. Nach den gegenwärtig vorgelegten Klimaschutzplänen der Staaten würden sie aber sogar weiter steigen.

Folgen der Erderhitzung nach Grad der Erwärmung
Gregor Aisch/Nature (Raftery et al)

Dieses ernüchternde Bild zeichneten unmittelbar vor der COP27 auch Forscherinnen und Forscher. Mehrere Klimainitiativen haben dazu anhand von 40 Indikatoren unterschiedliche Bereiche untersucht, wie weit das 1,5-Grad-Ziel entfernt ist. „Die harte Wahrheit ist, dass keiner der 40 Indikatoren auf dem Weg zu den Zielen für 2030 ist“, sagte Wissenschaftlerin Kelly Levin. Auch im Vergleich mit dem vergangenen Jahr habe sich die Lage nicht verbessert: „Leider haben sich die Trends auf breiter Front verschlechtert, mit Ausnahme eines Indikators für die Fleischproduktion bei Wiederkäuern.“

Entsprechend fiel auch der Befund von UNO-Chef Guterres aus: Das 1,5-Grad-Ziel liege „auf der Intensivstation“ und sei „stark gefährdet“. Allerdings sei es immer noch möglich, es zu erreichen. „Und mein Ziel in Ägypten ist es sicherzustellen, dass wir genügend politischen Willen aufbringen, um diese Möglichkeit wirklich voranzubringen.“

Fragwürdiger Sponsor, Hunderte Verhaftungen

Generell aber steht der Gipfel unter schlechten Vorzeichen. Für Wirbel sorgte etwa, dass mit Coca-Cola einer der weltweit größten Verursacher von Plastikmüll als Sponsor auftreten soll. Zahlreiche Klimaschutzgruppen übten herbe Kritik an der Organisation. Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg erteilte dem Gipfel eine Absage. Sie werde nicht teilnehmen, der „Raum für die Zivilgesellschaft ist in diesem Jahr extrem begrenzt“.

Zudem soll es im Vorfeld in Ägypten landesweit bereits zu mehr als 300 Festnahmen gekommen sein. Diese dürften im Zusammenhang mit angekündigten Protesten stehen, die das Gastgeberland nicht tolerieren will. Dutzenden Personen wurden die Verbreitung von Falschnachrichten und Missbrauch sozialer Netzwerke sowie die Beteiligung an terroristischen Gruppen vorgeworfen. Von offizieller Seite gab es keine Bestätigung, allerdings kursierten entsprechende Berichte in lokalen Medien, von Anwälten und Nichtregierungsorganisationen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit goßer Welrkugel
APA/HBF/Peter Lechner
Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird zu Beginn an der Klimakonferenz teilnehmen

Auch heimische NGOs vertreten

Österreich ist auf der COP27 mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) vertreten. Van der Bellen wird sich von 7. bis 8. November gemeinsam mit anderen Staats- und Regierungschefs beraten. Gewessler wird ab 13. November auf der COP verhandeln. Da die Konferenz erfahrungsgemäß in die Verlängerung geht, ist als Abreisetag erst der 20. November geplant. Brunner fliegt von 8. bis 10. November nach Ägypten.

Auch heimische NGOs wie Greenpeace, WWF, Südwind und Vier Pfoten werden anwesend sein. Greenpeace International schickt zudem die „Rainbow Warrior“ zur COP. Das Schiff mit Aktivistinnen und Aktivisten ist bereits in Kairo angekommen. Es soll Scharm al-Scheich am Ende der ersten Woche der Klimakonferenz erreichen.