Arbeiter vor COP27-Logo in Ägypten
AP/Peter Dejong
Vor Klimakonferenz

Fachleute nehmen Österreich in die Pflicht

Kurz vor Beginn der 27. Weltklimakonferenz (COP27) im ägyptischen Touristenresort Scharm al-Scheich haben Fachleute auch Österreich in die Pflicht genommen. NGOs sowie Klimaexperten und -expertinnen appellierten an die Verantwortlichen, Klimaschutz ernst zu nehmen – und endlich ins Handeln zu kommen. Seitens der heimischen Politik spricht man bei der Eindämmung der Klimakrise indes von einer „großen, gemeinsamen Verantwortung“.

Die Allianz für Klimagerechtigkeit sieht Österreich „besonders gefordert, seine finanziellen Hilfen auszuweiten“. Die 26 österreichischen Umwelt-, Entwicklungs- und sozialen Organisationen kritisierten, dass jene Länder, die am wenigsten zum CO2-Ausstoß beitragen, oft am meisten unter den Auswirkungen litten. Meist handelt es sich dabei um Länder des globalen Südens.

Hier sei vor allem ein finanzieller Ausgleich sowohl für die Kosten der erlittenen Schäden als auch für die notwendigen Anpassungsmaßnahmen für die Klimakrise zu leisten. Die reichen Industrienationen müssten hier endgültig ihre Verantwortung wahrnehmen, so der Appell.

Photovoltaikanlage im Pitztaler Gletscher
ORF.at/Christian Öser
Klimaneutralität bis 2040 – ein Ziel, von dem Österreich noch weit entfernt ist

Greenpeace fordert Finanztopf für Klimaschäden

Greenpeace etwa forderte am Sonntag von der österreichischen Regierung konkret, sich bei den Verhandlungen für einen eigenen Finanztopf für Klimaschäden und -verluste starkzumachen. Scharm al-Scheich müsse der Wendepunkt für ein solches Projekt sein.

Die Verantwortung für Klimakatastrophen wie jene in Pakistan müssten jetzt Staaten und Konzerne tragen, die die Klimakrise anheizen, so die Umweltschutzorganisation.

Zudem verlangte Greenpeace von der österreichischen Politik, die Mittel für die Finanzierung von Klimaschutz- und -anpassungsprojekten auf 820 Millionen Euro jährlich zu erhöhen. Österreich und die EU dürften nicht weiter die Augen vor ihrer historischen Verantwortung verschließen.

Kritik an Österreichs „Scheinklimaschutz“

Greenpeace kritisierte auch Österreichs mangelnden Beitrag zu Klimaschutz- und Klimaanpassungsprojekten weltweit, wie Hochwasserschutz oder Ausbau der Solarenergie. Auch beim österreichischen Klimadashboard ist zu lesen: „Gemessen an der Bevölkerungszahl liegen Österreichs Emissionen weit über dem weltweiten Durchschnitt.“

Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Wiener Universität für Bodenkultur, meint dazu: „Österreich ist nach wie vor gut im Scheinklimaschutz und schlecht darin, Emissionen angemessen zu reduzieren.“ Obwohl sich schon jetzt abzeichne, dass Österreich sein Klimaziel für 2030 gravierend verfehlen werde, finde mangels Klimaschutzgesetz keine Kurskorrektur statt. Und weiter: „In diesem Sinne bin ich mir sicher, dass die österreichische Delegation den österreichischen Scheinklimaschutz bei der COP gut verkaufen wird, ohne dass der Schwindel auffällt.“

Expertin: Klimaziel klar überschritten

Ähnlich äußerte sich die Politikwissenschaftlerin und Umweltpolitikexpertin Alina Brad von der Universität Wien: Obwohl viele Staaten scheinbar ehrgeizige Klimaziele verfolgen und Klimaneutralität anstreben würden – Österreich etwa bis 2040 – werde die 1,5-Grad-Grenze auf globaler Ebene, alle nationalen Klimaziele zusammengenommen, „noch immer klar überschritten“.

Grafik zu den Szeneren der Erderwärmung bis 2100
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: climateactiontracker.org

Van der Bellen, Gewessler und Brunner bei COP27

Über Maßnahmen zur Anpassung und Eindämmung der Klimakatastrophe zu beraten obliegt in den zwei Wochen den Vertretern und Vertreterinnen von knapp 200 Staaten. Für Österreich werden am Beginn der ersten Woche Bundespräsident Alexander Van der Bellen sowie Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) an der Konferenz teilnehmen. Danach wird Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) für die zweite Woche gemeinsam mit hochrangigen Beamten sowie Experten und Expertinnen nach Ägypten reisen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit goßer Welrkugel
APA/HBF/Peter Lechner
Die ersten Auslandsreise nach seiner Wiederwahl führt Van der Bellen nach Ägypten

Gewessler will schnellere Umsetzung vereinbarter Ziele

Van der Bellen sagte im Vorfeld der Konferenz: „Das Eindämmen der Klimakatastrophe ist unsere große, gemeinsame Verantwortung und Aufgabe.“ Gewessler pochte auf engere Zusammenarbeit und eine schnellere Umsetzung der vereinbarten Klimaziele.

Und: „Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich nach Scharm al-Scheich mitnehme, ist die Frage, wie Industriestaaten jene Länder am besten unterstützen können, die am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden. Auch hier gilt es, mehr zu tun – aber vor allem auch das Richtige“, so Gewessler.

Weltklimakonferenz in Ägypten

Am Sonntag beginnt in Ägypten die Weltklimakonferenz. Zentrale Themen werden unter anderem der Ausbau von erneuerbarer Energie und die mögliche Unabhängigkeit vom russischen Gas sein. Darüber hinaus sollen Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung beschlossen werden.

Brunner verwies indes darauf, dass „all diese Bemühungen, Klimaneutralität zu erreichen“, auch dementsprechend Kapital erfordern würden. „Als Republik Österreich haben wir hier in den letzten Jahren auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene große Fortschritte gemacht“, verwies er etwa auf die Einführung von grünen Staatsanleihen.