US-Thinktank: Putin will Mobilmachung verdeckt fortsetzen

Fachleute des US-Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) halten eine verdeckte Fortführung der Mobilmachung für Russlands Krieg in der Ukraine für wahrscheinlich. Jüngst von Präsident Wladimir Putin unterzeichnete Dekrete deuteten darauf hin, dass die Teilmobilmachung entgegen russischen Behauptungen keine ausreichende Truppenstärke erzielt habe, hieß es in einem Bericht des ISW mit Sitz in Washington gestern (Ortszeit).

Dafür spreche auch, dass Putin bisher kein Dekret unterzeichnet hat, das die Ende September ausgerufene Mobilmachung offiziell beendet. Der Kreml hatte am Dienstag erklärt, dass die Teilmobilmachung von 300.000 Reservisten für den Kriegsdienst in der Ukraine abgeschlossen sei. Putin zufolge sind sogar 318.000 Personen mobilisiert worden. Damit sei eine Beendigung der Mobilmachung per Erlass unnötig, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Widerstand gegen den Einzug von Zivilisten

Nach ISW-Angaben sind die russischen Angaben nicht stimmig mit Putins Erlass von diesem Freitag, der russischen Behörden auch den Einzug von Zivilisten erlaubt, bei denen eine Verurteilung für schwere Verbrechen aussteht. Weiterhin soll Putin Dekrete unterschrieben haben, die den Kreis der Wehrdienstleistenden auf Männer ausweiten, die in Freiwilligenformationen dienten, sowie Ausnahmen festlegen für den Einzug von Wehrersatzdienstleistenden.

Gerade die Möglichkeit, Häftlinge einzuziehen, deuteten die ISW-Experten als Versuch, um weiteren sozialen Spannungen zuvorzukommen. Der Widerstand gegen den Einzug von Zivilisten in der russischen Bevölkerung ist groß. Geschätzt 400.000 Männer haben Russland mittlerweile verlassen, um nicht eingezogen zu werden.

Trotz der Kreml-Behauptungen, dass die Bezirkswehrersatzämter nun keine Reservisten mehr einziehen dürften, berichteten russische Oppositionelle und Onlinemedien laut ISW, dass sich Behörden auf eine zweite Mobilmachungswelle vorbereiteten, indem etwa die Rekrutierungszentren modernisiert und Listen möglicher Rekruten erstellt würden. Auch hätten laut dem Bericht einzelne Personen Einberufungsbescheide für das kommende Jahr erhalten.