US-Präsident Joe Biden
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Midterms

Was für Biden auf dem Spiel steht

Zwar steht der demokratische US-Präsident Joe Biden bei den US-Zwischenwahlen am Dienstag (Ortszeit) nicht selbst auf dem Stimmzettel. Doch für die Demokraten stellen die Wahlen eine Richtungsentscheidung dar: Es geht um Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus – und damit auch um die Handlungsfähigkeit des Präsidenten.

Derzeit befinden sich beide Kammern des Parlaments in demokratischer Mehrheit – im Senat jedoch hauchdünn. So besetzen die Demokraten 48 der 100 Senatssitze, zwei Unabhängige stimmen nahezu immer mit ihnen. Die knappe Mehrheit ruht vor allem auf der Stimme von US-Vizepräsidentin Kamala Harris. Als Präsidentin des Senats darf sie im Falle einer Pattsituation mitstimmen.

Prognosen zufolge haben die Republikaner gute Chancen, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erobern. Für den Senat wird ein enges Rennen um die Mehrheit vorhergesagt, durch das Wahlsystem mit Wahlbezirken und festgelegten Abgeordneten je nach Bevölkerungsgröße des Bundesstaates ergibt sich aber in den Prognosen ein Vorteil für die Republikaner.

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Grafik zu Midterms in den USA
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: realclearpolitics
Grafik zu Midterms in den USA
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Grafik zu den Midterms
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Hauchdünne Senatsmehrheit

Verlieren die Demokraten bei den Zwischenwahlen ihre Mehrheiten im Kongress, können die Republikaner Gesetzesvorschläge blockieren, größere angekündigte Gesetzesvorhaben wären damit für Bidens Amtszeit nur mehr sehr schwierig umsetzbar.

Aber auch Personalentscheidungen – etwa Bundesrichterinnen und -richter – müssen vom Senat bestätigt werden. Bidens Vorschläge könnten dann freilich abgelehnt werden. Zudem könnten Republikaner im Falle einer Mehrheit Untersuchungen oder gar Amtsenthebungsverfahren gegen Mitglieder des Biden-Kabinetts anregen.

Warnung vor Demokratieverlust

Biden wäre damit auch in Hinblick auf seine angestrebte Kandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2024 in der Defensive. Der ehemalige republikanische US-Präsident Donald Trump deutete wiederholt Ambitionen für eine erneute Präsidentschaftskandidatur an. Bei diversen Wahlkampfveranstaltungen sprach er mehrmals davon, das Weiße Haus „zurückerobern“ zu wollen.

Hinweis

ORF.at begleitet die Auszählung in der Wahlnacht ab Mitternacht und den Tag nach der Entscheidung mit einem Liveticker.

Unterdessen warnen die Demokraten vor einem Demokratieverlust, sollten ihre Kongressmehrheiten verloren gehen. Die Demokratie stehe „buchstäblich auf dem Stimmzettel“, sagte Biden am Samstag (Ortszeit) bei einer Wahlkampfveranstaltung in Philadelphia. Er warnte vor einem „Weg ins Chaos in Amerika“. „Wir müssen uns mit überwältigender Stimme gegen politische Gewalt und Einschüchterung von Wählern stellen“, sagte der US-Präsident.

Besonders raues Klima

Zwar ist die Tatsache, dass amtierende Präsidenten bei Zwischenwahlen Stimmen verlieren, nicht neu. Doch das politische Klima in den USA ist besonders rau. Nicht zuletzt seit den Ereignissen rund um den Sturm auf das Kapitol im Jänner. Mehr als die Hälfte der republikanischen Kandidaten stellen das Ergebnis der Präsidentenwahl 2020 infrage. Auch Trump selbst weigert sich bis heute, seine damalige Niederlage anzuerkennen und spricht von systematischem Wahlbetrug.

Grafik zu Midterms in den USA
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Politikwissenschaftler Michael Werz betonte am Sonntag im ZIB2-Interview die demokratiepolitische Bedeutung der bevorstehenden Wahlen: „Es gibt knapp 300 Kandidatinnen und Kandidaten auf der republikanischen Seite, die sagten, dass Joe Biden nicht der legitime Präsident der Vereinigten Staaten sei und sich den Wahlsieg gestohlen habe. Von denen werden mindestens 170 bis 180 in sicheren republikanischen Wahlkreisen gewählt und im Abgeordnetenhaus und im Senat präsent sein. Diese Leute werden dann auch, basierend auf ihrem Wahlkampf, liefern müssen.“

Politologe Werz zu den US-Midterms

Der Politikwissenschaftler Michael Werz von der Georgetown University analysiert die Stimmung in den USA vor den Midterms.

Die Befürchtung sei daher groß, dass es sich um eine Radikalisierung von radikalen Politikern handeln werde – mit Untersuchungsausschüssen, vielleicht sogar einem Amtsenthebungsverfahren und einer weiteren Blockadepolitik, die natürlich weiterhin zur Entlegitimierung der demokratischen Institutionen beitragen werde.

Ergebnis womöglich erst nach Tagen

Der Ausgang der Kongresswahlen könnte möglicherweise erst nach mehreren Tagen oder sogar Wochen festehen. Wahrscheinlich werde die Kontrolle über den Senat durch einige knappe Rennen entschieden, so der Verfassungsrechtler Gregory Magarian von der Washington University in St. Louis gegenüber der APA. Es könne mehrere Tage Unsicherheiten bei der Auszählung der Stimmen geben und potenziell auch rechtliche Anfechtungen der Resultate.

Auch Hunderte von Bundesstaatsrichtern werden gleichzeitig mit den Midterms gewählt, davon 86 Richter und Richterinnen für die Höchstgerichte der Bundesstaaten. Der Oberste US-Gerichtshof, der staatliche Supreme Court, gibt kritische entscheidende Rechtsfragen immer öfter an die Bundesstaaten ab. Die obersten Gerichte könnten auch eine entscheidende Rolle bei der Beilegung von möglichen Wahlstreitigkeiten bzw. beim Leugnen einer Niederlage im Jahr 2024 spielen.