Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin mit Putin, 2010
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Bei US-Wahlen „eingemischt“

Putin-Vertrauter geht aus Deckung

Der russische Geschäftsmann und Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat eine Einmischung in US-Wahlen zugegeben und erklärt, das auch künftig zu tun. „Wir haben uns eingemischt, wir mischen uns ein und wir werden uns weiterhin einmischen. Sorgfältig, genau, chirurgisch und auf unsere eigene Weise, da wir wissen, wie es geht“, schrieb Prigoschin am Montag in einem Eintrag in dem Onlinenetzwerk VKontakte, dem russischen Äquivalent zu Facebook.

„Während unserer punktgenauen Operationen werden wir beide Nieren und die Leber auf einmal entfernen“, fügte er hinzu, ohne die Äußerung zu erläutern. In den USA werden bei den Zwischenwahlen am Dienstag ein neuer Kongress sowie zahlreiche Gouverneure gewählt und Tausende weitere politische Ämter auf Bundesstaats- und Kommunalebene vergeben.

Prigoschin, dem von Beobachterseite schon lange eine zentrale Rolle bei verdeckten Propagandaaktivitäten der russischen Regierung zugesprochen wird, antwortete mit seinem Eingeständnis offenbar auf eine Anfrage. Er soll sich zu einem Medienbericht äußern, wonach Russland sich in die Zwischenwahlen in den USA einmischt. Dem 61-Jährigen wird nicht zuletzt vorgeworfen, mit einer „Trollfabrik“ Wahlen in mehreren westlichen Ländern manipuliert zu haben. Trolle agieren mit gefälschten Profilen auf Onlineplattformen, um Wähler zu beeinflussen, etwa indem Kandidaten schlecht gemacht und Falschinformationen verbreitet werden.

Weißes Haus nicht überrascht

Die US-Regierung zeigt sich wenig überrascht über das Bekenntnis der russischen Einflussnahme auf die bevorstehende Wahl. „Diese Kommentare sagen uns nichts Neues oder Überraschendes“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, am Montag.

„Es ist allgemein bekannt und öffentlich gut dokumentiert, dass Organisationen, die mit Jewgeni Prigoschin in Verbindung stehen, versucht haben, Wahlen auf der ganzen Welt – einschließlich in der USA – zu beeinflussen“, sagte Jean-Pierre. Präsident Joe Biden habe angewiesen, „alle geeigneten Schritte zu unternehmen, um eine sichere Abstimmung zu gewährleisten“, so die Sprecherin.

Zunehmend im Rampenlicht

Der Name Prigoschin steht auf Sanktionslisten der Europäischen Union, Großbritanniens und der USA. Erst im Juli setzte das US-Außenministerium eine Belohnung von bis zu zehn Millionen Dollar (rund zehn Mio. Euro) für Informationen über Prigoschin im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Einmischung in US-Wahlen aus. Er ist die erste Person, die sich mit solchen Vorwürfen konfrontiert sieht und eine Einflussnahme zugibt. Die öffentlichkeitswirksame Ankündigung ist „Guardian“-Angaben zufolge ein klarer Hinweis, wonach Prigoschin in Russland nun auch zunehmend eine politische Rolle in Betracht ziehe.

Dem einflussreichen Geschäftsmann, der wegen seiner Belieferung der Kreml-Küchen auch „Putins Koch“ genannt wird, stammt so wie Putin aus Sankt Petersburg. Sein wirtschaftlicher Erfolg wird mit der Protektion durch Präsident Putin in Verbindung gebracht. Er ist Gründer und Finanzier des privaten Sicherheits- und Militärunternehmens Gruppe Wagner und operierte jahrelang im Hintergrund.

Erst seit Kurzem rückte er verstärkt in die Öffentlichkeit, unter anderem mit Kritik an russischen Generälen wegen deren Kriegsführung in der Ukraine. Im September gab er zudem zu, Gründer der kremlnahen und lange geheim agierenden Wagner-Truppe zu sein, die in Syrien, der Ukraine und Afrika aktiv ist.

Menschen in Tarnkleidung vor dem Hauptquartier der Wagner-Gruppe in St. Petersburg
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Prigoschins lange im geheimen operierende Wagner-Gruppe hat nun ein offizielles Hauptquartier

Wagner nun mit offiziellem Hauptquartier

Erst am Freitag eröffnete die Söldnergruppe AFP-Angaben zufolge nun in Prigoschins Heimatstadt Sankt Petersburg ihr erstes offizielles Hauptquartier in Russland. Am Eröffnungstag liefen Menschen in Tarnkleidung durch das Gebäude und sahen sich eine Ausstellung an, in der Drohnen gezeigt wurden.

Die Eröffnung des Büros hatte Prigoschin in der vergangenen Woche in Onlinenetzwerken angekündigt. Die Aufgabe des Wagner-Zentrums sei es, „ein komfortables Umfeld für die Entwicklung neuer Ideen zur Verbesserung der russischen Verteidigungsfähigkeit zu schaffen“.

„Menge über Erfahrung“

Im russichen Angriffskrieg in der Ukraine kämpfen Wagner-Söldner seit Monaten Seite an Seite mit den regulären Streitkräften Russlands. Nach Einschätzung britischer Geheimdienste zeichnete sich hier zuletzt eine deutliche Abschwächung der zuvor strengen Einstellungskriterien ab.

„In früheren Konflikten hat sie relativ hohe Rekrutierungsstandards aufrechterhalten, und viele ihrer Söldner hatten zuvor als professionelle russische Soldaten gedient“, teilte Ende Oktober das Verteidigungsministerium in London mit. Wohl angesichts schwerer Verluste auf den ukrainischen Kriegsschauplätzen habe Prigoschin in einem Onlinebeitrag aber nahegelegt, dass die Gruppe nun auch Häftlinge mit schweren Krankheiten wie zum Beispiel Hepatitis C rekrutieren würde.

„Die Aufnahme von Gefangenen mit ernsthaften medizinischen Bedenken unterstreicht, dass jetzt Menge über Erfahrung oder Qualität gestellt wird“, kommentierte das britische Ministerium den Beitrag.