Konstruktion von Windrad auf Feld
ORF.at/Viviane Koth
Klimagerechtigkeit

Die Frage des Geldes

Zunehmend bekommt die Menschheit weltweit die Rechnung für ihr klimaschädliches Verhalten präsentiert. Doch wer zahlt? Sowohl für die bereits entstandenen Schäden und Verluste als auch für zukünftige Anpassungsmaßnahmen? Eine Frage, die die Weltgemeinschaft spaltet – und für die bei der heurigen Klimakonferenz endlich eine Antwort gefunden werden soll.

Zur Eröffnung der UNO-Klimakonferenz in Scharm al-Scheich (COP27) am Sonntag wurde beschlossen, Finanzhilfen für ärmere Staaten erstmals als eigenen Punkt zu verhandeln. Am Montag äußerte sich dann auch der UNO-Generalsekretär Antonio Guterres dazu: Es sei ein Thema, das nicht mehr länger unter den Teppich gekehrt werden könne.

Guterres forderte Solidarität der reichen Industriestaaten mit ärmeren Ländern ein – diese müssten endlich für Schadensersatzzahlungen aufkommen. Dem UNO-Generalsekretär zufolge könnten diese Hilfen unter anderem mit Steuern auf die Gewinne mit fossilen Energieträgern finanziert werden. Appelle kamen unterdessen auch von Staats- und Regierungsspitzen wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der hier vor allem China und die USA gefordert sieht.

Guterres bei COP27: „Die Uhr tickt“

Auf der Weltklimakonferenz in Scharm al-Scheich hat UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in düsteren Worten vor den Folgen der Erderhitzung gewarnt. „Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens – und sind dabei zu verlieren“, warnte er mit Blick auf von der Klimakrise ausgelöste Dürren, Überschwemmungen, Unwetter und steigende Meeresspiegel. Der Portugiese rief zu einem „Klimasolidarpakt“ auf, den wohlhabende Staaten jetzt mit Schwellen- und Entwicklungsländern schließen müssten.

Debatte zwischen globalem Norden und Süden

Bundespräsident Alexander Van der Bellen erwartet „harte Auseinandersetzungen, letztlich um Geldfragen, aber auch um Moral und Verantwortung. Die Industriestaaten zögern, diese Verantwortung anzunehmen und der globale Süden wird – mit Recht – nicht müde, darauf hinzuweisen.“

Klimagerechtigkeit

Der Begriff „Climate Justice“ (Klimagerechtigkeit) wirft ein Licht darauf, wie unterschiedlich Weltregionen von der Klimakrise betroffen sind. Und stellt die Frage, wer für die Folgen und deren Linderung zur Verantwortung gezogen werden soll.

Tatsächlich handelt es sich bei Klimagerechtigkeit um eine Debatte, die vor allem zwischen dem globalen Norden und Süden ausgetragen wird. Daten zum weltweiten Emissionsausstoß zeigen, dass es primär Länder des Globalen Nordens sind, die für den Großteil des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind. Je nach Berechnung teilen sich die ersten drei Plätze der weltweit größten Klimasünder China, die USA und die EU.

Länder des Globalen Südens tragen nur einen Bruchteil zur Klimakrise bei, leiden aber am meisten unter deren Auswirkungen wie Überflutungen, steigendem Meeresspiegel, Dürre und Hitze. Folgen, die mit jedem Grad verheerender und zugleich auch teurer werden.

Screenshot: Grafik zu CO2-Emissionen
ourworldindata.org
Dunkelrote Staaten stoßen am meisten CO2 aus, weiße Staaten am wenigsten

Als Beispiel nennt die „New York Times“ („NYT“) hierbei etwa Pakistan. Die Regenfälle, die in diesem Jahr zu den historischen Monsunüberschwemmungen geführt hätten, hätten sich durch die Klimakrise um rund 50 Prozent verschlimmert. In seiner gesamten Industriegeschichte habe das Land aber nur so viel CO2 in die Atmosphäre abgegeben wie die Vereinigten Staaten in einem Jahr.

Wer den Schaden verursacht, muss zahlen?

Die Industriestaaten müssten also, so die Forderung des Globalen Südens, endlich für den „loss and damage“ (Verlust und Schaden) aufkommen – und gemäß des Verursacherprinzips dementsprechend Kompensationszahlungen leisten.

Denn nicht zuletzt würden zunehmende Klimaschäden zu einer wachsenden Verschuldung der ärmeren Länder führen – und in weiterer Folge zu einem erschwerten Zugang zu den Finanzmärkten.

Screenshot: Grafik zu CO2-Emissionen
ourworldindata.org
Historisch am meisten zu den CO2-Emissionen beigetragen haben die USA, die EU und China

Klimafonds für Anpassung und Schutz gefordert

Verlangt wird etwa ein Klimafonds, um die am stärksten betroffenen Länder zu unterstützen. Denn trotz jahrzehntelanger UNO-Klimaverhandlungen gibt es bis jetzt hinsichtlich Schadenszahlungen noch keinen Finanzierungsmechanismus.

Zwar versprachen die Industrienationen ärmeren Ländern jährliche Zahlungen in der Höhe von rund 100 Milliarden Dollar (101,4 Mrd. Euro) ab 2020, doch diese Zusage wurde bis heute nicht eingehalten. Ein Bruch, der die Verhandlungen und mögliche Versprechungen freilich stark überschattet.

Zudem fordern die ärmeren Länder, bei den zugesagten 100 Milliarden Dollar den Anteil der Mittel für die Anpassung an den Klimawandel deutlich zu steigern. Die Gelder sollen künftig zur Hälfte für Anpassungsmaßnahmen wie die Errichtung von Sturm- und Flutwarnsystemen oder bessere Bewässerungssysteme wegen zunehmender Trockenheit bereitstehen, während die andere Hälfte für Klimaschutzmaßnahmen wie den Ausbau der erneuerbaren Energien verwendet wird.

Besucher bei COP27
Reuters/Mohammed Salem
COP27: Vertreter und Vertreterinnen von knapp 200 Staaten werden über die Frage der Finanzierung verhandeln

Finanzierung „das alles bestimmende Thema“

Auch auf dem Umweltportal Carbon Brief ist dazu zu lesen, dass die bestehenden Klimafinanzierungen bei Weitem nicht ausreichen würden. „Um aus den fossilen Energien auszusteigen und Bürgerinnen sowie Bürger vor den sich verschlimmernden Klimakatastrophen zu schützen, brauchen die Entwicklungsländer eher Billionen als Milliarden von Dollar.“

Zitiert wird hierbei der Bericht des Weltklimarats (IPCC-Bericht), wonach die Zahlungen in den kommenden Jahren um das Vier- bis Achtfache steigen müssten, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Auch, wenn verbindliche Zusagen noch nicht in Sicht sind, ist laut „Financial Times“ („FT“) schon jetzt klar: „Die Finanzierung wird das alles bestimmende Thema dieser Klimakonferenz sein.“