Chiliproduktion in Pakistan
Reuters/Akhtar Soomro
Studie

Klimakrise trifft Viertel aller Arbeitsplätze

Mehr als 800 Millionen Arbeitsplätze weltweit sind vom Klimawandel und der Energiewende betroffen – ein Viertel der heutigen globalen Erwerbsbevölkerung, so heißt es in einer Studie des Management- und Strategieberaterunternehmens Deloitte, die am Dienstag im Rahmen der UNO-Klimakonferenz COP27 in Scharm al-Scheich veröffentlicht wurde.

„Das Arbeitsplatzrisiko ist im asiatisch-pazifischen Raum und in Afrika am größten, genauso wie das Potenzial für zusätzliche Arbeitsplätze“, so die Studie. Besonders betroffen seien Jobs in Landwirtschaft, Energiewirtschaft, Bergbau, Industrie sowie Transport- und Baugewerbe. Ein Teil dieser Branchen stehe aufgrund hoher CO2-Emissionen vor einem Umbruch, andere, wie etwa die Landwirtschaft, würden von Überschwemmungen, Hitze oder Unwettern bedroht, so Deloitte-Klimaexperte Bernhard Lorentz. Im asiatisch-pazifischen Raum und in Afrika seien über 40 Prozent der Arbeitskräfte in vulnerablen Branchen beschäftigt.

„Durch eine aktive Gestaltung der Transformation könnte die Dekarbonisierung bis 2050 mehr als 300 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze hervorbringen“, sagte Lorentz, „davon 21 Millionen in Europa, 180 Millionen in Asien-Pazifik, 75 Millionen in Afrika und 26 Millionen in Amerika.“ Die „vulnerablen Regionen“ müssten besonders stark in die Entwicklung „einer ‚grünen‘ Arbeiterschaft“ investieren. Ein schnellerer, geplanter Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft könnte für weltweit gerechtere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen sorgen.

Arbeiter auf einer Baustelle bei Lagos (Nigeria)
Reuters/Temilade Adelaja
Bauarbeiter, wie hier nahe der nigerianischen Hauptstadt Lagos, sind durch ihre Arbeit im Freien etwa Hitzewellen ausgesetzt

WTO: Auch Welthandel wichtiger Faktor

Deloitte-Partnerin Maren Hauptmann sagte: „Der Schlüssel sind Investitionen in die Kompetenzförderung – von der Schul- und Hochschulbildung bis zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Dies muss zu den Top-Prioritäten für Politik und Unternehmen gehören.“

Die Chefin der Welthandelsorganisation (WTO), Ngozi Okonjo-Iweala, hat sich für den Welthandel als wichtigen Faktor zur Reduzierung der weltweiten Treibhausgasemissionen starkgemacht. Es sei falsch, den internationalen Warenaustausch nur als Quelle von Treibhausgasemissionen zu sehen, erklärte Okonjo-Iweala im Vorwort des am Montag veröffentlichten WTO-Jahresberichts. „Handel ist eine positive Kraft für das Klima und Teil der Lösung für einen kohlenstoffarmen, widerstandsfähigen und gerechten Übergang.“

Schwimmende Setzlinge in Bangladesch
Reuters/Mohammad Ponir Hossain
In Bangladesch setzt man angesichts der Klimakrise auf schwimmende Felder

„Verbreitung von Spitzentechnologie beschleunigen“

Zwar erzeuge der Handel selbst Emissionen durch Produktion und Transport, erklärte Okonjo-Iweala weiter. „Doch Handel und Handelspolitik können die Verbreitung von Spitzentechnologien und bewährten Verfahren beschleunigen, Anreize für weitere Innovationen schaffen und gleichzeitig die Arbeitsplätze von morgen schaffen.“

Arbeiter in Stahlfabrik  in Shurugwi, Simbabwe
Reuters/Philimon Bulawayo
In der Stahlbranche könnte sich angesichts des hohen CO2-Fußabdrucks auch etwas ändern

Okonjo-Iweala verwies etwa auf den Rückgang der Kosten von Solaranlagen: „Etwa 40 Prozent des Kostenrückgangs wurden Skaleneffekten zugeschrieben, die zum Teil durch internationalen Handel und Wertschöpfungsketten ermöglicht wurden.“ Der Handel mit umweltfreundlichen Produkten müsse noch weiter ausgebaut werden, etwa durch das gezielte Absenken von Zöllen, forderte sie.

Auch Klimaflüchtlinge brauchen Arbeit

Der Druck auf den Arbeitsmarkt bzw. Veränderungen des Arbeitmarkts sind auch durch Klimaflüchtlinge zu erwarten bzw. in Teilen der Welt jetzt schon Realität. Denn auch die Menschen, die vor den Auswirkungen des Klimawandels flüchten, sind auf der Suche nach Arbeit. Der Klimawandel vertreibt durch ausbleibende Regenfälle, extreme Hitze und heftiger werdende Dürren Millionen Menschen aus ihrer Heimat etwa im Nahen Osten und Nordafrika. Diese Folgen des Klimawandels lassen sich, zum Beispiel in Ägypten, dem Gastgeberland der Weltklimakonferenz, schon jetzt beobachten.

Bauer auf einem Feld in Äthiopien
Reuters/World Food Programme
Ein Landwirt auf einem Feld in Äthiopien. Ob diese Ernte etwas wird, ist ob der anhaltenden Dürre unklar.

„Junge Menschen aus ländlichen Gebieten wandern ins Ausland oder in die Großstädte ab, um in der Industrie zu arbeiten“, sagte der Vorsitzende der ägyptischen Bauerngewerkschaft, Hussein Abu Saddam. Die Landwirtschaft in Ägypten – „einem der trockensten Länder der Welt“ – sei durch neue klimabedingte Gefahren wie „das Auftreten neuer Schädlinge“ noch unrentabler geworden.

Wanderbewegungen durch Klimakrise

Bereits jetzt „kommen 90 Prozent der Flüchtlinge auf der Welt aus Gebieten, die extrem anfällig für den Klimawandel sind“, so das UNO-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) fest. 2021 zwangen Naturkatastrophen „fast drei Millionen Menschen in Afrika und im Nahen Osten, ihr Zuhause zu verlassen“, sagte Amy Pope, stellvertretende Generaldirektorin der Internationalen Organisation für Migration (IOM). „Wenn Menschen keine Landwirtschaft mehr betreiben und nicht arbeiten können, wenn Menschen keine Nahrung finden, haben sie nur wenige Alternativen zum Weggehen.“

Bauer neben Bewässerungspumpe in Pakistan
Reuters/Akhtar Soomro
Eine Bewässerungspumpe für ein Feld in Pakistan

In Ägypten könnte der Klimawandel bis 2060 dazu führen, dass der Agrarsektor fast um die Hälfte schrumpft, wie Fachleute prognostizieren. Wird der Klimawandel nicht gestoppt, könnten einer Schätzung der Weltbank zufolge bis 2050 weltweit 216 Millionen Menschen vertrieben werden – 19,3 Millionen davon in Nordafrika.

Die internationale Gemeinschaft habe sich bei den vorangegangenen Klimakonferenzen verpflichtet, „den Entwicklungsländern bei der Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels zu helfen“, erinnert Pope. Dazu gehörten ein besseres Wassermanagement und neue landwirtschaftliche Methoden, aber auch alternative Einkommensquellen.