Menschen im Fußballstadion in Katar
IMAGO/Action Pictures
Fußball-WM

Blatter nennt Vergabe an Katar „Fehler“

Katar gilt als einer der umstrittensten Gastgeber in der Fußball-WM-Geschichte. Korruptionsvorwürfe, Menschenrechtsverletzungen und der Umgang des Landes mit Frauen, Minderheiten und ausländischen Arbeitskräften überschatteten die WM-Vergabe von Beginn an. Nun nannte auch der ehemalige FIFA-Chef Sepp Blatter die Vergabe einen „Fehler“. Passend dazu sorgt ein Interview für Wirbel, in dem der offizielle WM-Botschafter Chaled Salman Homosexualität als „geistigen Schaden“ bezeichnet.

Blatter kritisierte die Vergabe der WM in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit dem Schweizer „Tagesanzeiger“. „Die Wahl von Katar war ein Irrtum“, sagte Blatter darin. „Es ist ein zu kleines Land – der Fußball und die WM sind dafür zu groß.“ Katar ist das kleinste Austragungsland seit der Schweiz 1954, die Unterbringung muss teilweise im Ausland erfolgen. Die Wahl sei schlecht gewesen, er habe als damaliger Präsident die Verantwortung getragen.

Blatter ging nicht explizit auf die zahlreichen Vorwürfe gegen das Emirat ein. Er kritisierte aber seinen Nachfolger Gianni Infantino. Er frage sich, warum dieser in Katar lebe. Blatter sieht darin eine zu große Nähe zu den WM-Organisatoren. „Der FIFA-Präsident müsste die Oberaufsicht haben“, sagte er. „Ein Beispiel: Es gibt ja den Vorschlag, man solle für die verstorbenen Arbeiter und die Hinterbliebenen einen Fonds einrichten. Katar sagt Nein. Was soll jetzt die FIFA dazu sagen, wenn ihr Präsident mit Katar im selben Boot sitzt?“

Sepp Blatter gibt 2010 als FIFA-Präsident bekannt, dass Katar die FUßball-Weltmeisterschaft austragen wird
Reuters/Christian Hartmann
Blatter 2010 bei der Vergabe an Katar

Blatter hatte wiederholt gesagt, er sei bei der Vergabe im Jahr 2010 für eine Austragung in den USA gewesen. Dass die WM schließlich an Katar ging, sei an Ex-UEFA-Präsident Michel Platini gelegen. Ihm wird vorgeworfen, im Dezember 2010 auf Geheiß des damaligen französischen Präsidenten Nicholas Sarkozy für die Vergabe an Katar gestimmt zu haben. Es war das erste Interview des jetzt 86-jährigen Blatter, seit er und Platini nach einem siebenjährigen Prozess vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen wurden.

Wirbel um homophobes Interview

Die WM startet am 20. November, erwartet werden rund 1,2 Millionen Gäste aus dem Ausland. Zahlreiche Kontroversen begleiten Vorbereitungen und Start – angefangen von der teils katastrophalen Situation von Gastarbeitern bis zum katarischen Umgang mit Minderheiten, Frauen und LGBTQ-Personen.

Das an Erdgas reiche islamische Emirat selbst investierte nicht nur in luxuriöse Stadien und neue Infrastruktur, sondern versuchte auch, bei den menschenrechtlichen Vorwürfen gegenzusteuern. So betonte Emir Tamim bin Hamad Al Thani persönlich jüngst, man werde „Fußballfans aus allen Gesellschaftsschichten mit offenen Armen empfangen“.

Auch Fans aus der LGBTQ-Szene seien willkommen, hieß es damals. Internationale Organisationen hatten diesen eindringlich von einer Reise nach Katar abgeraten, denn Homosexualität ist dort gesetzlich verboten und wird mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft. Doch ein Interview des Ex-Fußballers und WM-Botschafters Salman mit dem ZDF säte weiteren Zweifel an dieser Willkommensbotschaft. Salman bezeichnet darin Homosexualität als „geistigen Schaden“.

Schwulsein „haram“

„Während der WM werden viele Dinge hier ins Land kommen. Lass uns über Schwule reden“, sagte Salman im Interview mit dem deutschen Journalisten Jochen Breyer. „Das Wichtigste ist doch: Jeder wird akzeptieren, dass sie hierherkommen. Aber sie werden unsere Regeln akzeptieren müssen“, so der 60-Jährige.

Er habe vor allem Probleme damit, wenn Kinder Schwule sähen. Denn diese würden dann etwas lernen, was nicht gut sei. In seinen Augen sei Schwulsein „haram“ (von der Religion verboten), meinte Salman: „Es ist ein geistiger Schaden.“ Im Original sagte er „damage in the mind“. Das Interview wurde daraufhin von einem Pressesprecher des WM-Organisationskomitees abgebrochen. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte Journalist Breyer gesagt, dass die Dreharbeiten für die Doku unter strenger Aufsicht des Komitees standen.

Der katarische WM-Botschafter und frühere Fußball-Nationalspieler Khalid Salman im Interview
ZDF/Mateusz Smolka
Salman war früher katarischer Nationalspieler

Die Äußerung fiel in einem Interview in der ZDF-Dokumentation „Geheimsache Katar“, die am Dienstagabend ausgestrahlt wird. Schon am Montagabend wurde im „heute-journal“ der Ausschnitt mit den Aussagen Salmans gezeigt. In einem weiteren Ausschnitt des Trailers vergleicht ein Mann aus Salmans Haushalt Frauen mit Süßigkeiten und begründet so deren Verschleierung. „Vergleich mal, vor dir liegt eine unverpackte Süßigkeit. Du weißt nicht, ob sie jemand berührt oder reingebissen hat. Und eine verpackte. Welche nimmst du?“

Katar beklagt „Rassismus“

In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag-Ausgabe) hatte der katarische Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani die Kritik an seinem Land vor allem aus Europa als „sehr arrogant und sehr rassistisch“ bezeichnet. Zugleich hatte er auf Reformen in seinem Land verwiesen, die auch nach der WM fortgesetzt würden.

„Auf der einen Seite wird die deutsche Bevölkerung durch Regierungspolitiker falsch informiert, auf der anderen hat die Regierung kein Problem mit uns, wenn es um Energiepartnerschaften geht oder um Investitionen“, so der Außenminister: „Das ist nicht die Art von Beziehung, die wir zwischen zwei Ländern wie Deutschland und Katar sehen wollen.“

Zuvor hatte die für Spitzensport zuständige deutsche Innenministerin Nancy Feaser (SPD) für Verstimmung zwischen Katar und Deutschland gesorgt, weil sie sich von der WM distanzierte und die Vergabe deutlich kritisierte. Auch zu Salmans homophoben Aussagen äußerte sich Feaser: Diese seien „natürlich furchtbar“. Der deutsche Lesben- und Schwulenverband (LSVD) forderte indes eine ausdrückliche Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Lesben, Schwule und andere queere Menschen.