Stimmabgabe in Baltimore, USA
AP/Julio Cortez
US-Midterms

Wahllokale sind geöffnet

In den USA haben die mit Spannung erwarteten Kongresszwischenwahlen begonnen. An der US-Ostküste öffneten Dienstagfrüh die ersten Wahllokale. Für die Demokraten stellen die Midterms eine Richtungsentscheidung dar: Es geht um Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus – und damit auch um die Handlungsfähigkeit des Präsidenten.

Umfragen zufolge dürften die oppositionellen Republikaner von Ex-Präsident Donald Trump die Kontrolle über das Repräsentantenhaus gewinnen. Sie haben auch Chancen auf eine Mehrheit im Senat, wobei das Rennen hier sehr eng werden dürfte.

Bei den Wahlen werden alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses und 35 der 100 Sitze im Senat neu vergeben. Ein Verlust beider Kongresskammern würde US-Präsident Joe Biden das Regieren erheblich erschweren, da die Republikaner seine Reformagenda komplett blockieren könnten.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Grafik zu Midterms in den USA
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: realclearpolitics
Grafik zu Midterms in den USA
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: realclearpolitics
Grafik zu den Midterms
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Gallup

Die Wählerinnen und Wähler in den USA nutzen die Midterms häufig, um die Regierungspartei abzustrafen. Die hohe Inflation und die Angst vor einer Rezession der Wirtschaft könnten wahlentscheidend werden.

Trump dürfte Präsidentschaftskandidatur ankündigen

Schon kurz nach den Wahlen wird erwartet, dass Ex-Präsident Donald Trump seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2024 bekanntgeben könnte. Beim Wahlkampfabschluss am Montag sagte er, dass er am Dienstag kommender Woche eine „sehr große Ankündigung“ machen werde.

Hinweis

ORF.at begleitet die Auszählung in der Wahlnacht ab Mitternacht und den Tag nach der Entscheidung mit einem Liveticker.

Seine Niederlage vor zwei Jahren gegen Joe Biden hat Trump nie akzeptiert. Angesichts seiner hartnäckigen Falschbehauptung, er sei durch Betrug um eine zweite Amtszeit gebracht worden, was von vielen Republikanern unterstützt wird, hat Biden die Midterms zu einer Schicksalswahl für die Demokratie in den USA erklärt.

Gouverneurs- und Richterwahlen

Unklar ist, wann feststeht, wer künftig die Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus stellen wird. Beim Repräsentantenhaus könnte das noch in der Wahlnacht entschieden sein. Beim Senat könnte es Tage oder im Extremfall sogar Wochen dauern, bis der Sieger feststeht.

Gewählt werden am Dienstag auch die Gouverneurinnen und Gouverneure von 36 der 50 Bundesstaaten sowie weitere Vertreterinnen und Vertreter auf Ebene der Bundesstaaten. Ebenfalls besetzt werden Stellen an Gerichten, darunter für die Supreme Courts dieser US-Bundesstaaten – sie gelten als Richtungsentscheide über die Zukunft der USA.

Was für Biden auf dem Spiel steht

Biden steht zwar nicht selbst auf dem Stimmzettel, der Ausgang der Midterms hat in vielen Bereichen allerdings Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des Präsidenten. Verlieren die Demokraten bei den Zwischenwahlen ihre Mehrheiten im Kongress, können die Republikaner Gesetzesvorschläge blockieren, größere angekündigte Gesetzesvorhaben wären damit für Bidens Amtszeit nur mehr sehr schwierig umsetzbar.

ORF-Analyse: Droht Biden eine Niederlage?

Laut Umfragen dürften die Demokraten bei den Midterms in den USA zumindest in einer der beiden Kongresskammern verlieren. ORF-Korrespondentin Inka Pieh erklärt, was so ein Verlust für US-Präsident Biden bedeuten könnte.

Auch Personalentscheidungen – etwa Bundesrichterinnen und -richter – müssen vom Senat bestätigt werden. Bidens Vorschläge könnten dann freilich abgelehnt werden. Zudem könnten Republikaner im Falle einer Mehrheit Untersuchungen oder gar Amtsenthebungsverfahren gegen Mitglieder des Biden-Kabinetts anregen.

Politisches Klima rau

Biden wäre damit auch in Hinblick auf seine angestrebte Kandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2024 in der Defensive. Zwar ist die Tatsache, dass amtierende Präsidenten bei Zwischenwahlen Stimmen verlieren, nicht neu. Doch das politische Klima in den USA ist besonders rau. Nicht zuletzt seit den Ereignissen rund um den Sturm auf das Kapitol im Jänner. Mehr als die Hälfte der republikanischen Kandidaten stellen das Ergebnis der Präsidentenwahl 2020 infrage.

Grafik zu Midterms in den USA
Grafik: APA/ORF.at

Der Politikwissenschaftler Michael Werz betonte am Sonntag im ZIB2-Interview die demokratiepolitische Bedeutung der bevorstehenden Wahlen: „Es gibt knapp 300 Kandidatinnen und Kandidaten auf der republikanischen Seite, die sagten, dass Joe Biden nicht der legitime Präsident der Vereinigten Staaten sei und sich den Wahlsieg gestohlen habe. Von denen werden mindestens 170 bis 180 in sicheren republikanischen Wahlkreisen gewählt und im Abgeordnetenhaus und im Senat präsent sein. Diese Leute werden dann auch, basierend auf ihrem Wahlkampf, liefern müssen.“

Politologe Werz zu den US-Midterms

Der Politikwissenschaftler Michael Werz von der Georgetown University analysiert die Stimmung in den USA vor den Midterms.

Die Befürchtung sei daher groß, dass es sich um eine Radikalisierung von radikalen Politikern handeln werde – mit Untersuchungsausschüssen, vielleicht sogar einem Amtsenthebungsverfahren und einer weiteren Blockadepolitik, die natürlich weiterhin zur Entlegitimierung der demokratischen Institutionen beitragen werde.