Donald Trump nach Abgabe seiner Stimme
Reuters/Ricardo Arduengo
US-Midterms

Trump gab Stimme ab und schimpfte

In den USA sind die Kongresszwischenwahlen in vollem Gange. Für die Demokraten gilt es, zumindest die Kontrolle über den Senat zu halten. Die Republikaner hingegen können auf Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat hoffen. Der Wahlgang wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen – aber der ehemalige US-Präsident Donald Trump rief schon jetzt zum Protest auf.

Trump schimpfte über angebliche Unregelmäßigkeiten bei Stimmabgaben, die ihm zugetragen worden seien. In Detroit sei Wählern und Wählerinnen im Wahllokal gesagt worden, sie hätten schon abgestimmt: „Das geschieht in großer Zahl, auch andernorts. Protestieren, protestieren, protestieren!“, schrieb Trump am Dienstag auf der von ihm mitbegründeten Social-Media-Plattform Truth Social. Belege für seine Behauptungen legte Trump keine vor.

Mit Blick auf den US-Bundesstaat Arizona sagte Trump, dass in konservativen Bezirken elektronische Wahlgeräte nicht funktionieren würden. Der Vorsitzende der örtlichen Wahlaufsichtsbehörde, Bill Gates, sagte zwar, dass es „in etwa 20 Prozent“ der 223 Wahllokale im Bezirk Maricopa County technische Probleme mit den Maschinen gebe. Die ausgefallenen Maschinen hätten aber keinen Einfluss auf die Korrektheit der Wahl. Die Behörde richtete eigenen Angaben zufolge „sichere Boxen“ ein, in denen die Stimmzettel bis zur Auszählung aufbewahrt würden.

Stimme für internen Konkurrenten

Der 76-jährige Trump weigert sich bis heute, seine Wahlniederlage 2020 gegen den Demokraten Joe Biden einzugestehen und verbreitet weiter unbeirrt Behauptungen, er sei durch erheblichen Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Im Zuge dessen war am 6. Jänner 2021 das Kapitol in der US-Hauptstadt Washington von Trump-Anhängerinnen und -Anhängern gestürmt worden. Mehrere Menschen starben.

Zuvor hatte Trump seine Stimme eigenen Angaben zufolge Floridas Gouverneur Ron DeSantis von den Republikanern gegeben. Der 44-jährige DeSantis gilt als möglicher Präsidentschaftskandidat für 2024 und größter interner Konkurrent von Trump, der immer wieder eine eigene Kandidatur andeutet und zuletzt eine „sehr große Mitteilung“ für den 15. November in Aussicht stellte.

Umfragen zeigen Republikaner-Mehrheit

Umfragen zufolge dürften die oppositionellen Republikaner von Ex-Präsident Trump die Kontrolle über das Repräsentantenhaus gewinnen. Sie haben auch Chancen auf eine Mehrheit im Senat, wobei teils äußerst knappe Ergebnisse erwartet werden. Bei den Wahlen werden alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses und 35 der 100 Sitze im Senat neu vergeben.

Viele Senatsrennen unter anderem in den Bundesstaaten Arizona, Pennsylvania, Nevada und Georgia sind äußerst eng. Die Demokraten haben bisher nur eine hauchdünne Mehrheit im Senat. Ein Verlust beider Kongresskammern würde US-Präsident Biden das Regieren erheblich erschweren, da die Republikaner seine Reformagenda komplett blockieren könnten.

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Grafik zu Midterms in den USA
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: realclearpolitics
Grafik zu Midterms in den USA
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: realclearpolitics
Grafik zu den Midterms
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Gallup

Entscheidende Wahlbezirke

Wo die Reise hingeht, könnte sich anhand der Ergebnisse in einigen speziellen Wahlbezirken ablesen lassen. Einer davon ist ein Wahlbezirk in Gary im US-Bundesstaat Indiana, wo der Demokrat Frank Mrvan seinen Sitz im Repräsentantenhaus gegen die Republikanerin Jennifer-Ruth Green verteidigen muss. In Umfragen lag Mrvan zunächst deutlich voran; seit dem Sommer hat die Republikanerin Green aber aufgeholt.

Sollte Mrvan verlieren, könnte das ein frühes Anzeichen einer „roten Welle“ sein. In diesem Fall könnten die Republikaner über 20 Sitze im Repräsentantenhaus dazugewinnen, schrieb der US-Analyst David Wassermann auf Twitter.

Ein ähnliches Szenario sieht Wassermann für Wahlbezirke im US-Ostküstenbundesstaat Virginia. Dort bekommt es die Abgeordnete Abigail Spanberger mit der Republikanerin Yesli Vega zu tun. Eine Niederlage Spanbergers könnte auf einen hohen republikanischen Sieg im Repräsentantenhaus hindeuten, so Wassermann.

„Rote Welle“, blaue Stärke

Noch höhere Aussagekraft hätte eine Niederlage der demokratischen Abgeordneten Jennifer Wexton. Sie tritt in Virginia in einem Wahlbezirk südlich der US-Hauptstadt Washington an. Falls die Demokraten in den Vorstädten ins Hintertreffen geraten, könnte das laut Wassermann auf eine harte Wahlnacht hindeuten. Sollte Wexton unterliegen, „könnten die Republikaner ihre bisher größte Mehrheit in der Nachkriegsära holen“, so der Analyst.

Hinweis

ORF.at begleitet die Auszählung in der Wahlnacht ab Mitternacht und den Tag nach der Entscheidung mit einem Liveticker.

Ob die Demokraten ihre Mehrheit im Senat halten oder sogar ausbauen können, wird sich früh in den Bundesstaaten Ohio und North Carolina ablesen lassen. Ex-US-Präsident Trump konnte in Ohio sowohl 2016 als auch bei seiner Niederlage 2020 starke Ergebnisse einfahren. Der von ihm unterstützte Senatskandidat J.D. Vance hat im Demokraten Tim Ryan allerdings einen starken Konkurrenten. Prognosen deuten auf ein knappes Ergebnis hin.

In North Carolina zeichnet sich ein enges Rennen zwischen dem Republikaner Ted Budd und der Demokratin Cheri Beasley ab. In Florida gilt ein Sieg des republikanischen Senators Marc Rubio als sicher. Ein starkes Abschneiden seiner demokratischen Herausforderin Val Demings könnte für Bidens Partei aber ein Vorbote für eine bundesweit gute Wahlnacht sein.

Gouverneurs- und Richterwahlen

Unklar ist, wann feststeht, wer künftig die Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus stellen wird. Beim Repräsentantenhaus könnte das noch in der Wahlnacht entschieden sein. Beim Senat könnte es Tage oder im Extremfall sogar Wochen dauern, bis der Sieger feststeht. Mehr als 45 Millionen Menschen haben bereits vor dem Wahltag ihre Stimme abgegeben. Bei den Midterms 2018 gab es rund 39 Mio. Frühwählerinnen und Frühwähler („Early Voters“), 2014 noch 20,5 Mio.

Gewählt werden auch die Gouverneurinnen und Gouverneure von 36 der 50 Bundesstaaten sowie weitere Vertreterinnen und Vertreter auf Ebene der Bundesstaaten. Ebenfalls besetzt werden Stellen an Gerichten, darunter für die Supreme Courts dieser US-Bundesstaaten – sie gelten als Richtungsentscheide über die Zukunft der USA.

Was für Biden auf dem Spiel steht

Biden steht zwar nicht selbst auf dem Stimmzettel, der Ausgang der Midterms hat in vielen Bereichen allerdings Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des Präsidenten. Verlieren die Demokraten bei den Zwischenwahlen ihre Mehrheiten im Kongress, können die Republikaner Gesetzesvorschläge blockieren, größere angekündigte Gesetzesvorhaben wären damit für Bidens Amtszeit nur mehr sehr schwierig umsetzbar.

ORF-Analyse: Droht Biden eine Niederlage?

Laut Umfragen dürften die Demokraten bei den Midterms in den USA zumindest in einer der beiden Kongresskammern verlieren. ORF-Korrespondentin Inka Pieh erklärt, was so ein Verlust für US-Präsident Biden bedeuten könnte.

Auch Personalentscheidungen – etwa Bundesrichterinnen und -richter – müssen vom Senat bestätigt werden. Bidens Vorschläge könnten dann freilich abgelehnt werden. Zudem könnten Republikaner im Falle einer Mehrheit Untersuchungen oder gar Amtsenthebungsverfahren gegen Mitglieder des Biden-Kabinetts anregen.

Politisches Klima rau

Biden wäre damit auch in Hinblick auf seine angestrebte Kandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2024 in der Defensive. Zwar ist die Tatsache, dass amtierende Präsidenten bei Zwischenwahlen Stimmen verlieren, nicht neu. Doch das politische Klima in den USA ist besonders rau. Nicht zuletzt seit den Ereignissen rund um den Sturm auf das Kapitol im Jänner. Mehr als die Hälfte der republikanischen Kandidaten stellen das Ergebnis der Präsidentenwahl 2020 infrage.

Grafik zu Midterms in den USA
Grafik: APA/ORF.at

Der Politikwissenschaftler Michael Werz betonte im ZIB2-Interview die demokratiepolitische Bedeutung der bevorstehenden Wahlen: „Es gibt knapp 300 Kandidatinnen und Kandidaten auf der republikanischen Seite, die sagten, dass Joe Biden nicht der legitime Präsident der Vereinigten Staaten sei und sich den Wahlsieg gestohlen habe. Von denen werden mindestens 170 bis 180 in sicheren republikanischen Wahlkreisen gewählt und im Abgeordnetenhaus und im Senat präsent sein. Diese Leute werden dann auch, basierend auf ihrem Wahlkampf, liefern müssen.“

Politologe Werz zu den US-Midterms

Der Politikwissenschaftler Michael Werz von der Georgetown University analysiert die Stimmung in den USA vor den Midterms.

Die Befürchtung sei daher groß, dass es sich um eine Radikalisierung von radikalen Politikern handeln werde – mit Untersuchungsausschüssen, vielleicht sogar einem Amtsenthebungsverfahren und einer weiteren Blockadepolitik, die natürlich weiterhin zur Entlegitimierung der demokratischen Institutionen beitragen werde.