Chataffäre: Viele ORF-Redakteure „fuchsteufelswild“

Die publik gewordenen Chats von ORF-TV-News-Chefredakteur Matthias Schrom mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache haben den ORF erschüttert. „Viele Kolleginnen und Kollegen sind fuchsteufelswild, weil sie hier in eine Sache hineingezogen werden, mit der sie absolut nichts zu tun haben“, hielt Dieter Bornemann, Vorsitzender des ORF-Redaktionsrats, auf APA-Anfrage fest. Morgen findet im ORF eine Redaktionsversammlung statt, um die Causa zu besprechen.

Im Zuge der Versammlung wird auch geklärt, ob es zu einer Vertrauensabstimmung über Schrom kommt. Welche Folgen ein Misstrauensvotum hätte, liege vor allem beim Betroffenen selbst und bei ORF-Generaldirektor Roland Weißmann, so Bornemann.

Weißmann hielt am Montag in einer Aussendung fest, dass die Optik der Chats „verheerend“ sei. Die Glaubwürdigkeit der ORF-Nachrichten stehe dennoch außer Zweifel.

Schrom tritt Urlaub an

ORF-TV-News-Chefredakteur Schrom trat am Montag als Reaktion auf die veröffentlichten Chats, in denen er sich mit Strache zur inhaltlichen Ausrichtung der ORF-Berichterstattung und Personalwünschen der FPÖ austauschte, einen Urlaub an. Eine ORF-interne Prüfung wurde eingeleitet.

„Wir bemühen uns jeden Tag um sauberen und unabhängigen Journalismus. Aber natürlich leidet durch solche Affären das Vertrauen in unsere Arbeit“, sagte Bornemann. Ob noch weitere Führungskräfte im größten Medienunternehmen des Landes einen ähnlichen Austausch mit Politikern gepflegt haben könnten, wollte der Redaktionsrat nicht mutmaßen.

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Politische Besetzung des ORF-Generaldirektors?

Dass die Politik ihre Finger auch bei der Besetzung des ORF-Direktoriums im Spiel hatte, lässt ein Sideletter von ÖVP und Grünen vermuten. Dieser sah die Aufteilung der ORF-Direktoriumsposten im Verhältnis drei ÖVP – inklusive Generaldirektor – versus zwei Grüne vor. Weißmann und sein Direktorenteam dementierten, dass es Absprachen mit der Politik bei ihrer Bestellung gab.

„Die Redaktionsvertretung fordert seit Langem, den ORF aus den Fängen der Politik zu befreien, und ein Ende der parteipolitischen Postenbesetzungen“, hielt Bornemann fest. Weder inhaltliche noch personelle Wünsche vonseiten der Politik seien akzeptabel.

Presserat: Nowak- und Schrom-Chats „klar zu verurteilen“

Die publik gewordenen Chats haben auch den Presserat auf den Plan gerufen. Der Senat 2 des Selbstkontrollorgans hielt fest, dass die in den Chats zutage getretenen Einstellungen und Vorgänge aus medienethischer Sicht „klar zu verurteilen“ seien.

Auch das Frauennetzwerk Medien meldete sich zur Causa zu Wort. „In Krisen- und Kriegszeiten braucht es Qualitätsjournalismus dringender denn je als vierte, kontrollierende Macht im Staat – keinen Boys Club aus Politikern und einzelnen Medienvertretern, die für die eigene Karriere die Integrität dieses wunderbaren Berufes opfern“, teilte das Netzwerk mit.