Auskunftsperson Andreas Achatz
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ÖVP-U-Ausschuss

Kanzler-Kabinettschef über ‚übliche Floskeln‘

Der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss hat am Mittwoch mit Andreas Achatz einen hochrangigen Mitarbeiter einer Reihe von Regierungsmitgliedern der ÖVP befragt. Es ging vor allem um Vorgänge im Innenministerium: Achatz war dort Kabinettschef unter Wolfgang Sobotka, Karl Nehammer und Gerhard Karner (alle ÖVP) und ist derzeit Kabinettschef im Kanzleramt, wiederum unter Nehammer. Im Ausschuss ging es um Postenwünsche, diverse Anliegen und Versetzungen.

Seit 2022 sei er auch Sektionschef im Innenministerium, sei aber dem Kanzleramt dienstzugeteilt. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl sprach von einer „bemerkenswerten Karriere“ und fragte zur „Doppelfunktion“ von Achatz nach. Die Funktionen im Kabinett und die Funktionen als Beamter in der Verwaltung „in der Linie“ seien strikt getrennt worden, so Achatz auf Pöschls Fragen. „Wenn man beide Funktionen ausführt, verliert man die Nähe zur Basis nicht“, so Achatz. Für die Mitarbeiter sei das „sichtbar gewesen“.

Bei der Befragung ging es zentral um mögliche Fälle von Begünstigungen bei der Personalwahl und mögliche Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren. Die Grünen fragten Achatz gleich, ob er den Ex-ÖBAG-Chef bzw. Ex-Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid kenne. Achatz bejahte, aber der Kontakt sei „sehr oberflächlich“ gewesen. Seines Wissens sei es im Austausch mit Schmid nicht um Postenbesetzungen gegangen, sagte Achatz auf eine entsprechende Frage.

„Anliegen“, die „Menschen berühren“

Grünen-Fraktionsführer David Stögmüller brachte einen Chat aus dem Jahr 2016 auf, in dessen Verlauf auch der damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), Schmid und in der Folge die Auskunftsperson involviert gewesen sei. Darin sei es um eine „Versetzung“ gegangen – es handelt sich um eine Nachricht, die auf dem „Kloibmüller-Stick“ gefunden wurde (die Daten stammen ja wie bekannt vom Handy Kloibmüllers, das bei einer Kanufahrt ins Wasser gefallen war – später wurden die Daten abgesaugt).

Auskunftsperson Andreas Achatz
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Achatz bei seiner Ankunft auf den letzten Metern vor dem Ausschusslokal

Man könne die Echtheit dieser Chats nicht überprüfen, so Achatz, das müsse er als Polizist anmerken. „Zum konkreten Chat habe er keine Wahrnehmung, das ist sechs Jahre her.“ Generell seien viele „Anliegen“, die „Menschen berühren“, an ihn herangetragen worden. Wichtig sei, was mit diesen Anliegen dann passiert sei, so Achatz.

„Bestimmte Floskeln“ sind „üblich“

Hierzu bzw. zu „Versetzungen“ fragte auch NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper nach – konkret, ob der Vorgang der Nachrichtenweiterleitung bzw. „die Intervention“ ein üblicher gewesen sei – also auch in anderen Fällen zur Anwendung kam. Das konnte Achatz nicht festmachen. Wie Achatz’ Antwort im Chatverlauf („Ok gebe ich an, hoffentlich nützt es uns was“) zu erklären sei? „Bestimmte Floskeln“ unter Mitarbeitern seien „üblich“, so Achatz, der konkrete Fall sei ihm nicht in Erinnerung.

„Die Anliegen sind auf verschiedene Art und Weise an Funktionsträger herangetragen worden“, so Achatz. Es gäbe „Hunderte Versetzungsanträge von Beamten“ von einer Abteilung in die andere. Wie man Versetzungen nachvollziehen könne, diese würden ja schließlich nicht verschriftlicht bzw. im ELAK (Elektronischer Akt im Bund) veraktet, so Krisper.

Stephanie Krisper (NEOS)
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Krisper fragte zu Vorgängen rund um Postenbesetzungen: „Wieso wurde nicht veraktet?“

„Ich gehe von einer Veraktung durch die entsprechende Personalabteilung aus“, so Achatz. Wieso etwa ein SMS mit der Zeile „Der muss rauf“ nicht veraktet sei, fragte Krisper – diese seien ja offensichtlich auch Teil des Entscheidungsprozesses. Eine Antwort lieferte Achatz nicht konkret, nur so viel: „Ob jetzt ein SMS von A nach B geschickt worden ist, ich verstehe die Frage nicht ganz“, so Achatz.

„Sprengmeister Sobotka“

Wenn er Anliegen bekommen habe, seien sie stets an die zuständige Stelle weitergeleitet worden. Ob von anderen Ministerien öfter Versetzungswünsche gekommen seien? Ja, die habe es gegeben, sie seien so bearbeitet worden, wie bereits geschildert. Stögmüller fragte zum „Sobotka-Kurz-Plan“, wonach man geplant habe, „die Regierung (die Große Koalition unter Kern/Mitterlehner) zu sprengen“. Stögmüller sprach vom „Sprengmeister Sobotka“.

Auch hierbei könne er die Authentizität der vorgelegten Nachricht nicht nachvollziehen, so Achatz, außerdem sei er „weder Sender noch Empfänger“. Ob er als Kabinettsmitarbeiter in Gespräche involviert gewesen sei, wo es um die „Sprengung der Regierung“ gegangen sei? „Ich kann mich nicht daran erinnern“, so Achatz. Er habe dazu keine Wahrnehmungen.

David Stögmüller (Grüne)
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Stögmüller fragte Achatz zu angeblichen Plänen zur Sprengung der Regierung

Fall Jelinek: „Kein Druck auf Bewerber ausgeübt“

Auch mit den Chats zum Fall Andrea Jelinek wurde Achatz konfrontiert. Hintergrund: Jelinek hat sich als Wiener Vizelandespolizeidirektorin beworben, war aber trotz Qualifikation nicht genommen worden – weil sie SPÖ-nah war, so der Vorwurf. Krisper fragte, ob Kloibmüller oder andere Personen auf die Zusammensetzung von Begutachtungskommissionen Einfluss genommen haben. Achatz antwortete allgemein mit dem Procedere bei Postenbesetzungen, die Chats kenne er, sei aber „weder Sender noch Empfänger“.

Ob Kabinettsmitarbeiter oder gar Minister bei gewerkschaftlichen Versammlungen über Postenbesetzungen redeten? „Natürlich gibt es Treffen mit Gewerkschaftsmitarbeitern, wo über alles Mögliche gesprochen wird“, so Achatz. Zu Absprachen zu Postenbesetzungen habe er „keine Wahrnehmung“. Ob er von Druck wisse, der auf die Bewerberin ausgeübt worden sei? „In Bezug auf Frau Jelinek war ich nicht involviert und ich habe keine Wahrnehmung dazu“, er habe auch keinen Druck auf Bewerber ausgeübt, dass sie sich nicht bewerben, auch andere hätten das seiner Wahrnehmung nach nicht gemacht, so Achatz.

„Wird Kanzler schlecht ausgelegt – egal, wie es ausgeht“

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer fragte zu Achatz’ Wahrnehmungen zur „Sicherstellungsanordnung im Bundeskanzleramt“. Es gehe um die Aufklärung des „Österreich-Beinschab-Tools“, konkret um die Beweismittelbeschaffung durch die WKStA. Ob er, Achatz, Wahrnehmungen habe, aus welchem Grund dieser Anordnung nicht nachgekommen sei.

Seiner Erinnerung nach gäbe es ein Verfahren, an dem die Finanzprokuratur beteiligt sei. Die politischen Auswirkungen habe er mit Kanzler Nehammer besprochen – es gäbe unterschiedliche rechtliche Einschätzungen, doch klar sei auch: „egal, wie es ausgeht“, es werde dem Kanzler „politisch schlecht ausgelegt“, so Achatz.

Kai Jan Krainer (SPÖ)
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Krainer fragte für die SPÖ

Fragen zu Spindelegger-Verein ICMPD

Die SPÖ fragte die Auskunftsperson zu einer Förderung des International Centre for Migration Policy Development (ICMPD). Präsident dort ist Ex-ÖVP-Chef Michael Spindelegger (ÖVP). Das ICMPD stellte ein Projekt auf, das Schulungsmaßnahmen für Personen aus Nigeria hierzulande und auch an Ort und Stelle vorsah. Mit dem Innenministerium schloss das ICMPD einen Vertrag, es ging um eine Fördersumme von rund 750.000 Euro, ausbezahlt seien 250.000 Euro worden.

Krainer sprach vom „teuersten freiwilligen Rückkehrer in der Geschichte Österreichs“. Das Ziel sei laut Krainer schwerst verfehlt worden: Gerade einmal eine Person sei in Österreich geschult worden und dann nach Nigeria zurückgegangen. 274.000 Euro wurden anerkannt, Spindelegger habe dann noch um weitere 100.000 Euro angesucht. In einem Brief an Spindelegger habe er, Achatz, aber die „völlig verfehlten Zielzahlen“ festgehalten – ein Vorgang, der zeige, dass das Innenministerium „korrekt“ arbeite, so Achatz.

Wirbel um „Sobotkas Interventionsliste“

Krainer wollte wissen, ob Sobotka als Innenminister auch für Personen interveniert habe, die nicht der ÖVP nahestehen. Er referenziere auf die „Interventionsliste“ Sobotkas, wie er klarstellte. Der Chatverlauf zwischen Kloibmüller und einer anderen Person sei der „Beweis“ für die Existenz dieser „Interventionsliste“, sagte Krainer auf den Einwand der ÖVP, wonach es sich um eine Unterstellung handle und dass ein Chat kein Beweis für die Existenz dieser Liste sei.

Ob er die „Interventionsliste“ mit eigenen Augen gesehen habe? „Ich habe keine Interventionsliste geführt, mich nie in eine eingetragen und auch keine Wahrnehmung, dass eine geführt wurde“, sagte der ehemalige Kabinettschef des Innenministeriums. Ob sich Sobotka für jemanden eingesetzt habe? „Sobotka hat Anliegen von allen möglichen Personen bekommen, er hat auch nie nachgefragt, welcher Partei sie angehören – er hat die Anliegen weitergegeben, wie alle anderen auch“, so Achatz.

„Diese Geschichte nicht platziert“

FPÖ-Mandatar Wolfgang Zanger fragte Achatz zum beruflichen Kontakt mit Journalisten – diesen habe er in manchen Fällen, auch wenn er versuche, „Kontakt nach Möglichkeit zu vermeiden“. Vorgelegt wurde ein „Kurier“-Artikel mit dem Titel „Kickl färbt Innenministerium um“. Er habe diese Geschichte nicht platziert, so Achatz. Zuvor hatte er sich bei Achatz erfolglos nach dem weiteren Werdegang des Ex-Kanzler-Mitarbeiters Arno M. erkundigt, der kurz nach Bekanntwerden des „Ibiza-Videos“ unter falschem Namen und ohne zu bezahlen, fünf Festplatten bei der Firma Reisswolf vernichten ließ.

Wolfgang Zanger (FPÖ)
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FPÖ-Mandatar Zanger im U-Ausschuss – er erkundigte sich nach Arno M.

Zu Silberstein: "Nie in Polizeisystemen nachgesehen“

Auch die Silberstein-Affäre war Thema: Er sei von Kloibmüller über den SPÖ-Berater Tal Silberstein bzw. eine parlamentarische Anfrage informiert worden – wieso und mit welchem Zweck, fragte Stögmüller. Ob er von Kloibmüller (damals Achatz’ Vorgesetzter) einen Auftrag bekommen habe? Die Äffäre kenne er „aus den Medien“, so Achatz.

Er aber habe „nie irgendwas in Polizeisystemen nachgesehen“, sagte der damalige stellvertretende Innenministeriumskabinettschef. Auch habe er nie einen Mitarbeiter beauftragt, Entsprechendes zu tun. Wieso ihn Kloibmüller dann zu Silberstein informiert habe? Das sei „eine Spekulationsfrage“, so Achatz. Ob er mit Werner Amon, damals ÖVP-Sicherheitssprecher, über Silberstein gesprochen habe, könne er nicht mehr sagen („sechs Jahre her“).

Friedrich Ofenauer (ÖVP)
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Den Vorsitz führte Friedrich Ofenauer von der ÖVP – Sobotka war nicht anwesend

Parteipolitik? „Alle werden gleichbehandelt“

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger lies Achatz das Procedere – von der Interessentensuche bis zur Besetzung – schildern. Man habe im Innenministerium 38.000 Mitarbeiter, pro Jahr gebe es landesweit etwa 1.000 bis 3.000 Postenbesetzungen, so Achatz. 95 Prozent würden im Einvernehmen auf Landesebene entschieden, nur ein sehr geringer Prozentsatz müsse in die zweite Instanz gehen. Zur Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse habe er keine Wahrnehmung, versicherte Achatz.

Andreas Hanger (ÖVP)
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Hanger im Vorfeld der Befragung

Wenn im Kabinett interveniert werde, von wem kommen diese Interventionen, wollte Hanger wissen. Von allen Stellen kommen Interventionen, die dann wie vorgesehen bearbeitet werden, so Achatz – der auch ein Beispiel nannte: Die Großmutter eines Beamten habe dem Innenminister geschrieben, dass der Enkel in die Steiermark versetzt werden sollte, weil die Eltern verstorben seien und er den Hof übernehmen sollte. Und Parteipolitik? „Alle werden gleichbehandelt“, versicherte Achatz.

„Operation Luxor“

Auch Thema war eine Studie zur Muslimbruderschaft und die darauffolgende „Operation Luxor“, aufgebracht von den Grünen. Ob er im Kabinett Nehammer dafür zuständig gewesen sei? Die Operation kenne er aufgrund des Terroranschlags in Wien und der folgenden Ermittlungen. Zu den gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchungen sei er im Vorfeld informiert gewesen. Dass diese bereits im Vorfeld geplant gewesen seien, habe er über Medienanfragen erfahren, so Achatz.