Versteigerung im Auktionshaus Christie’s
Christie’s Images Limited 2022
Superreiche und Investoren

Kunst als Bollwerk gegen Inflation

Enormer Höhenflug auf dem Kunstmarkt: Bei Christie’s in New York hat die zweiteilige Auktion der Sammlung von Microsoft-Mitbegründer Paul Allen von rund 150 Werken am Mittwoch und Donnerstag zusammengerechnet rund 1,6 Milliarden Dollar eingebracht, wie das Auktionshaus Donnerstagabend mitteilte.

Damit sei es die einträglichste Versteigerung in der Geschichte des Auktionshauses gewesen. Allen bewies mit den raren Kunstwerken ein ebenso gutes Händchen wie mit dem Massenvertrieb von Software. Allein fünf seiner Werke spielten über 100 Millionen Dollar ein.

Aufgekratzte Stimmung bei der Auktion „Visionary – The Paul G. Allen Collection“ im New Yorker Rockefeller Center. Den vollen Publikumssaal flankierten zwei Dutzend Topmitarbeiter von Christie’s, die internationale Bieterinnen und Bieter am Handy vertraten. Ein Reigen nackter Ladies von Picasso eröffnete die Versteigerung. Sein 10-mal-15-Zentimeter kleines Gemälde „Vier Badende“ wurde in wenigen Minuten auf 3,4 Millionen Dollar gekämpft, ein Vielfaches der erhofften 600.000 bis 800.000 Dollar.

Triumph für Christie’s

Wenngleich ein gelungener Auftakt, so doch fast nur Geplänkel in einer Auktion, die mit Schätzwerten im dreifachen Millionenbereich aufwartete. Meisterwerke von Cezanne, Gauguin, van Gogh und auch Klimt zählten zu den Hits im Angebot. Erst im August hatte Christie’s verkündet, dass es die Sammlung von Microsoft-Mitbegründer Allen (1953–2018) an Land ziehen konnte. Ein Triumph gegenüber dem ewigen Rivalen Sotheby’s, der noch im Frühjahr die Nase vorne hatte. Im Mai hatte der Konkurrent mit rund 922 Millionen Dollar für die Macklowe Collection eine Auktionsbestmarke gesetzt.

Gemälde von Pablo Picasso, „Vier Badende“
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Picassos Minigemälde „Vier Badende“ ging um 3,4 Millionen Dollar über den Ladentisch

Christie’s hob die Spannung, indem es die Auktionshighlights nur nach und nach bekanntgab. Das Angebot umfasst 156 Lose aus fünf Jahrhunderten Kunstgeschichte, vom flämischen Altmeister Jan Brueghel I. bis zu Damien Hirst. Darunter Raritäten wie ein vollendetes Bergbild von Paul Cezanne: Immer und immer wieder hielt der Franzose den provenzalischen Montagne Sainte-Victoire fest, aber nur wenige Gemälde stellte er fertig. Sammler Allen erwarb das Werk 2001 um 38,5 Millionen Dollar, jetzt spielte es mit 138 Millionen Dollar fast das Vierfache ein.

Faible für Punkte

Für noch mehr Furore sorgte ein Gemälde aus lauter Punkten. Der Maler Georges Seurat tupfte 1888 eine Komposition, die drei nackte Modelle vor seinem Hauptwerk „Un dimanche apres-midi a la Grande-Jatte“ zeigt. Ein großartiges Bild-im-Bild und eine absolute Seltenheit auf dem Markt. „Mich ziehen Dinge wie der Pointillismus an. Sie zerlegen etwas in seine Bestandteile – wie Bytes und Zahlen –, aber in einer anderen Sprache“, bemerkte Allen einmal dazu. Diese rationalistische Sichtweise hielt ihn jedoch nicht davon ab, auch eine Madonna von Botticelli oder das Südsee-Bild „Maternite II“ von Gauguin zu erwerben, die beide gestern die Erwartungen übertrafen.

Claude Monets „Under the Bridge“
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Claude Monets „Under the Bridge“

Die Analyse von Strukturen interessierte auch Gustav Klimt bei seinem Gemälde „Buchenwald (Birkenwald)“, das er im Salzkammergut malte. Der Sezessionist vermied bewusst perspektivischen Tiefgang und steuerte mit der flächigen Darstellung in Richtung Abstraktion. Das Landschaftsbild musste seinerzeit gemeinsam mit dem berühmten „Porträt Adele Bloch-Bauer II“ aus dem Belvedere restituiert werden. 2006 ersteigerte der ehemalige Kompagnon von Bill Gates den Mischwald um rund 40 Millionen Dollar und lag damit goldrichtig, wie der jetzige Auktionsrekord von 104,6 Millionen Dollar zeigt.

Schlüsselerlebnis im Museum

Aber war der Softwareunternehmer nun eher Investor oder echter Kunstliebhaber? Die „New York Times“ zitiert am Donnerstag Experten, die in Allens Kollektion die individuelle Note vermissen, ebenso wie Kenner, die sein Qualitätsgefühl loben. Der Computerpionier selbst schilderte einen Besuch der Tate Gallery in London als Schlüsselerlebnis, das dem Musikfan die Augen öffnete. Nach seinem Rückzug von Microsoft aufgrund einer Krebserkrankung 1983 hatte der Milliardär genug finanzielle Mittel, um seinem neuen Steckenpferd zu frönen.

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Auktionshighlight und -rekord: Gustav Klimts „Buchenwald (Birkenwald)“ wurde um 104,6 Millionen Dollar versteigert

Zu Allens ersten Käufen zählte eine impressionistische Ansicht der Waterloo Bridge von Monet, die nun um 64,5 Millionen Dollar den Besitzer wechselte. Mit Kunstberatern an seiner Seite fackelte der Sammler nicht lange und nahm von Anfang an Spitzenwerke ins Visier. Meist blieb er anonym, verlieh seine Trophäen aber an internationale Ausstellungen. Der Paul Allen Estate gründete in seiner Heimatstadt Seattle zwar ein Pop- und ein Flugzeugmuseum, aber Kunstinstitutionen gingen in puncto Schenkungen leer aus.

Auktionsrekord für Klimt-Gemälde

Bei einer Auktion von Gustav Klimt in den USA ist einer neuer Rekorderlös erzielt worden. Das Bild „Birkenwald“ ist für rund 105 Millionen Dollar verkauft worden. Das teuerste Gemälde wurde um 149 Mio. Euro versteigert. Der Erlös der Versteigerung kommt wohltätigen Zwecken zugute.

Vorbild für das Silicon Valley

Ein einziges Mal fand 2006 eine eigene Ausstellung statt, bei der 28 Werke des Philantropen gezeigt wurden. Wie umfangreich seine Sammlung jenseits der jetzigen Auktion ist, bleibt weiter unbekannt. Seit Allens Tod 2018 kümmert sich der Estate unter der Leitung seiner Schwester Jody Allen um die Liquidierung des Besitzes, darunter eine auf 235 Millionen Dollar geschätzte Yacht. Alle Erlöse fließen wohltätigen Zwecken in den vielen medizinischen und wissenschaftlichen Einrichtungen zu, die die Stiftung schon zu Allens Lebzeiten gegründet hat.

Insgesamt gilt die amerikanische Techbranche als wenig kunstaffin. Zuletzt keimten Hoffnungen auf, dass digitale Unikate, NFTs, Sammlerinteresse im Silicon Valley wecken könnten. Aber dieser hochspekulative, mit Bitcoins und Co. befeuerte Markt brach im letzten Halbjahr dramatisch ein. Bleibt in Zeiten von globalen Krisen und Inflation also doch wieder die Flucht in die Sachwerte?

Georgia O’Keeffe „White Rose with Larkspur No. 1“, Paul Gauguin Maternité II
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Links: Georgia O’Keeffe „White Rose with Larkspur No. 1“, rechts: Paul Gauguin „Maternite II“

Künstlerinnen und Fotografie

Gerade bei Künstlerinnen ist noch Luft nach oben. Das beweist etwa die Wertsteigerung der Malerin Georgia O’Keeffe, deren Blumenbild „White Rose with Larkspur No. 1“ seine Schätzung sechs bis acht Millionen Dollar mit einem Zuschlag von 26,7 Millionen Dollar weit abhängte.

Auch ein Spitzenpreis im Feld der klassischen Fotografie sorgte für Staunen: Eine signierte Fotografie, das Edward Steichen in einer Nacht 1904 von dem New Yorker Flatiron-Gebäude machte, spielte 11,8 Millionen Dollar ein. Damit eroberte es den Rang der zweitteuersten jemals in einer Auktion versteigerten Fotografie und heftete sich an die Fersen von Man Rays Fotoikone „Le Violon d’Ingres“, die im Mai bei Christie’s 12,4 Millionen kostete.