Programmierer in einem Büro
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Großes Kündigen

Kahlschlag in der Tech-Branche

Eine Welle an Massenkündigungen erschüttert die US-Tech-Branche. Twitter feuerte jüngst fast die Hälfte der Beschäftigten, Meta kürzte 13 Prozent der Jobs. Auch Amazon, Apple, Snapchat, Lyft und zahlreiche weitere Tech-Unternehmen kündigten Stellenabbau, Besetzungspausen und andere Sparmaßnahmen an. Die dahinterliegenden Probleme sind vielfach selbstverschuldet, aber auch das Erbe des Pandemiebooms und eine Folge des allgemeinen Wirtschaftsabschwungs.

Jahrelang ging es für Meta, Amazon, Apple, Netflix und die Google-Mutter Alphabet vor allem bergauf. Sie zählten zu jenen „unverwundbaren“ Unternehmen, die unter Investoren als sichere Bank galten. Befeuert wurde dieses Bild noch von der Pandemie, in der der Stillstand in der „analogen“ Welt den Tech-Unternehmen ein glänzendes Geschäft beschert hat – und diese so zu weitreichender Expansion verlockt hat.

Doch die vergangenen Monate mit dem Ukraine-Krieg, den Pandemiefolgen und den weltweiten Konjunkturproblemen haben dieses Bild ordentlich ins Wanken gebracht. Besonders schwer getroffen hat es zuletzt Mark Zuckerbergs Meta-Konzern, dessen Beschäftigte jetzt die Konsequenzen spüren.

Brutaler Absturz

Schon bei einem brutalen Absturz im Februar hatte die Meta-Aktie mit einem Schlag fast ein Drittel ihres Werts verloren, seitdem geht es stetig bergab. Seit Jahresbeginn liegt das Minus bei rund 71 Prozent, der Börsenwert steuerte auf den größten Jahresverlust seit dem Börsengang 2012 zu. Mittlerweile ist die Aktie zum zweitschwächsten Wert im Index S&P 50 zusammengeschrumpft.

Als Teil des Problems gilt, dass Zuckerberg sich mit großem Optimismus in die Entwicklung eines neuen Virtual-Reality-Ökosystems – des Metaverse – stürzte. Seit 2019 hat das Unternehmen 36 Milliarden Dollar in der zuständigen Abteilung Reality Labs versenkt, die laut Zuckerberg auch in den kommenden drei bis fünf Jahren Verluste einfahren wird. Das Ziel der riskanten Wette: der wichtigste Player im Bereich Virtual und Augmented Reality zu werden. Doch dessen Massentauglichkeit liegt in weiter Ferne.

Zukunft kollidiert mit Gegenwart

Und die großen Zukunftspläne kollidieren akut mit einem stetig schlechter laufenden Tagesgeschäft. Das Unternehmen leidet unter der Sparsamkeit der Werbekunden, die angesichts hoher Inflation, der schlechten Weltwirtschaftslage und des starken US-Dollars weniger Geld für Metas Hauptgeschäft – Onlineanzeigen – ausgeben.

Zudem hadert Meta mit der wachsenden Konkurrenz durch die chinesische Video-App TikTok, die Instagram Kundschaft abjagt. Auch erschweren neue Datenschutzregeln von Apple das Personalisieren von Werbung. Im vergangenen Quartal brach der Gewinn unter dem Strich um mehr als die Hälfte ein. Weiters bereitet die EU laut Insidern neue Kartellstrafen gegen Meta vor. Für das laufende Vierteljahr stellte das Unternehmen einen Erlösrückgang von bis zu zehn Prozent in Aussicht – der nächste Schock für Investoren.

Sparkurs bei Amazon und Co.

Aber der Mutterkonzern von Facebook, Instagram und WhatsApp ist nicht das einzige Unternehmen, das nach einem jahrelangen steilen Aufwärtskurs nun ins Schlingern kommt – oder das zumindest im Vorfeld verhindern will.

Einem Bericht des „Wall Street Journal“ („WSJ“) zufolge will Amazon unprofitable Sparten auf den Prüfstand stellen. Dazu gehöre auch der Sprachassistent Alexa. Allein die für Alexa zuständige Gerätesparte des weitverzweigten Konzerns verursache jedes Jahr einen operativen Verlust von mehr als fünf Milliarden Dollar. Beschäftigten in einigen Bereichen habe man empfohlen, sich anderswo im Unternehmen umzusehen. Bereits zuvor hatte Amazon in den USA einen Einstellungsstopp verhängt.

Alexa-Device auf einem Wohnzimmertisch
Reuters/Mike Blake
Die Alexa-Sparte könnte unter Amazons Sparkurs leiden

Die Google-Mutter Alphabet will bei Neueinstellungen ebenfalls auf die Bremse steigen. Der bisher noch glimpflich durchgekommene Apple-Konzern will „angesichts des derzeitigen wirtschaftlichen Umfelds“ bei Stellenneubesetzungen „sehr bewusst“ vorgehen und vor allem im Bereich Forschung und Entwicklung neue Leute einstellen. Der schwächere Konsum setzt dem Konzern ebenso zu wie Lieferkettenprobleme und Produktionsbehinderungen durch Chinas Null-Covid-Politik. Diese treffen vor allem das neueste iPhone-Modell.

Pandemiestars im Straucheln

Andere Tech-Unternehmen können sich nur mehr durch Entlassungen helfen. Microsoft bestätigte zwar eine Entlassungswelle, gab aber keine Zahlen bekannt. Laut einem Bericht von Axios sollen weniger als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen sein. Der Chipkonzern Intel wird indes hart vom Abschwung des PC-Marktes getroffen und greift zu umfangreichen Sparmaßnahmen, darunter auch eine unbekannte Zahl an Kündigungen.

Der Fahrdienstleister Lyft feuerte jüngst 700 Beschäftigte bzw. 13 Prozent seiner Belegschaft. Auch die Snapchat-Mutter Snap will 20 Prozent der Stellen abbauen. Das Cloud-Computing-Unternehmen Salesforce trennt sich in einem Schlag von bis zu 2.500 Beschäftigten. Der stark auf virtuelle Trainingswelten setzende Fitnessgerätehersteller Peloton musste den Bau einer zusätzlichen Fabrik stoppen sowie mehrere tausend Mitarbeiter entlassen.

Ein Sonderfall ist Twitter, wo unter dem neuen Chef Elon Musk jüngst rund die Hälfte der etwa 7.500 Beschäftigten gehen musste. Zuletzt verließen auch zahlreiche Personen in Schlüsselpositionen freiwillig das Unternehmen. Twitter kämpft allerdings schon lange mit der Profitabilität, Musk will nun mit dem radikalen Abbau und weiteren Maßnahmen das Unternehmen in die schwarzen Zahlen bringen. Wie er das angesichts des übrigen Umfelds realisieren will, bleibt offen. Musk warnte die Belegschaft bereits vor einer möglichen Pleite.

„Seit eineinhalb Jahrzehnten nicht mehr der Fall“

Ökonominnen und Ökonomen rechnen damit, dass die Dürrephase für Big Tech und Technologie-Start-ups länger andauern könnte und riskante Investitionen und Entwicklungsarbeit ins Hintertreffen geraten werden. Das sei jedenfalls eine ungewohnte Erfahrung – vor allem für die großen Player: „Sie müssen eindeutig Projekte kürzen und rationalisieren“, so die Ökonomin Jo-Ellen Pozner gegenüber dem Nachrichtendienst Bloomberg. Das sei „seit eineinhalb Jahrzehnten nicht mehr der Fall gewesen, weil das Umfeld so großzügig war“.