Auskunftsperson Dieter Kandlhofer
ORF.at/Peter Pfeiffer
ÖVP-U-Ausschuss

Blick auf Wirkmacht von Ex-Kurz-Topbeamten

Nach der Befragung von Kanzler-Kabinettschef Andreas Achatz ist am Mittwoch im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss Dieter Kandlhofer Rede und Antwort gestanden. Unter Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) war Kandlhofer Generalsekretär. Davor war er lange Jahre als Präsidialdirektor beim Verfassungsgerichtshof, nach der Station im Kanzleramt – wo er ebenfalls als Präsidialdirektor fungierte – war er bis Mitte 2022 Generalsekretär im Verteidigungsministerium.

Aus dem öffentlichen Dienst sei er dann ausgeschieden, nun sei er Unternehmer. NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper wollte von Kandlhofer wissen, wie er interimistischer Leiter der Präsidialsektion im Bundeskanzleramt geworden sei. „Das Dekret zur Bestellung hat Kanzler Kurz unterschrieben, glaube ich“, so Kandlhofer. „Aber das Dekret ist nicht vom Himmel gefallen“, beeinspruchte Krisper und wollte den genauen Hergang wissen. Dass ein Generalsekretär die interimistische Leitung übernimmt, sei „nichts Ungewöhnliches“.

In der Präsidialsektion hätten sich Veränderungen ergeben. Diese seien nötig gewesen, weil die Organisationsstruktur „gravierend“ geändert wurde, so Kandlhofer sinngemäß. „Und die inhaltliche Begründung?“, fragte Krisper. Kandlhofer wiederholte seine Ausführungen. Krisper legte einen Mailverkehr vor, wonach Umstrukturierungen im „engsten Kreis“ besprochen werden sollten. „Was soll ich dazu sagen“, so Kandlhofer.

Auskunftsperson Dieter Kandlhofer
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Kandlhofer (r.) bei seiner Ankunft vor dem Ausschusslokal

„Dekret in die Hand gedrückt“

Der Regierungssprecher habe mit ihm gemeinsam das Dekret „in die Hand gedrückt“ bekommen, danach habe der Gesetzgeber beschlossen, dass nicht mehr neu ausgeschrieben werden musste. Wer der Vorgängerin mitgeteilt habe, dass sie ihren Posten als Leiterin der Präsidialsektion räumen müsse? Er habe immer die Gespräche mit allen gesucht, alle Beteiligten wüssten, was damals besprochen worden sei, „da gibt’s nix reinzugeheimnissen“.

Bei der geschassten Leiterin handelte es sich um die ehemalige Kabinettschefin von Ex-Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) – erst in der Vorwoche war sie dem Ausschuss Rede und Antwort gestanden. Sie hatte angegeben, den Posten, den danach Kandlhofer besetzte, nicht aus eigenen Stücken geräumt zu haben.

SPÖ fragt zum „Familienfest der ÖVP“

SPÖ-Abgeordneter Christoph Matznetter versuchte, die genauen Umstände des von Nachhaltigkeitsministerium, Bundesgärten und dem im Bundeskanzleramt angesiedelten Familienministerium 2019 initiierten „Familienfestes“ in Schönbrunn herauszuarbeiten. Hintergrund: Wenige Tage vor dem Platzen der ÖVP-FPÖ-Koalition feierte am 1. Mai das Nachhaltigkeitsministerium ein Fest in Schönbrunn mit Tausenden Besucherinnen und Besuchern. Kanzler Sebastian Kurz und zwei Ministerinnen traten auf.

Das Fest soll 230.000 Euro gekostet haben (180.000 Euro kamen von den Bundesgärten, der Rest aus dem Nachhaltigkeitsministerium). Der Moderator der Veranstaltung war Geschäftsführer der Agentur Wideho, bestätigte Kandlhofer. Er, Kandlhofer, war 50-Prozent-Gesellschafter bei dieser Firma, eben zu jener Zeit, als er Generalsekretär im Kanzleramt war. Seine Firma Wideho habe einen Subauftrag einer anderen Firma gehabt, so Kandlhofer im Ausschuss.

Grünen-Mandatar David Stögmüller wollte wissen, wer die Wideho als Subunternehmen beauftragt habe. Der Teileigner habe die Moderation übernommen, weil jemand ausgefallen sei. Dass er den Einsatz erwirkt hätte, wollte Kandlhofer nicht bestätigen. Überhaupt stellte er in Abrede, dass jede Vergabe über seinen Schreibtisch gegangen sei. Diese hätten schon die Fachabteilungen durchlaufen müssen.

„Nichts Anrüchiges, wenn man Vorschläge macht “

Auch Postenbesetzungen wurden besprochen anhand eines von der SPÖ aufgelegten Schmid-Chats. Etwa, warum er in einem Chat an Thomas Schmid einen Manager von Rene Benkos Signa als Aufsichtsrat der ÖBAG-Vorgänger-Organisation ÖBIB-Aufsichtsrat vorgeschlagen habe ("Lieber Thomas, denkst du an (…) / „Er würde für eine Funktion zur Verfügung stehen“).

Schmid antwortete damals: „AR macht Sebastian selber und hat 3000 Zusagen gemacht für 9 AR Jobs :-)“ Kandlhofer darauf: „Ja, Basti sagt gerne Dinge zu“ Schmid: „Wir sollten mit ihm die Themen einmal durchkauen“ Kandlhofer dazu im Ausschuss: „Es ist nichts Anrüchiges dabei, wenn man Vorschläge macht.“ Ob Kurz gerne Jobs zugesagt habe? Keine Wahrnehmung. Nie mit Kurz über Aufsichtsratsposten geredet? „Nein“, so Kandlhofer.

Auskunftsperson Dieter Kandlhofer
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Kandlhofer beim Eintritt ins Ausschusslokal

„Interventionslisten“ im Kanzleramt?

Auf Fragen von FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker gab die Auskunftsperson an, das „Projekt Ballhausplatz“ aus den Medien zu kennen. Vom „Ibiza-Video“ habe er am Tag der Veröffentlichung „in der Früh“ erfahren. Kurz habe Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache ja bereits am Vortag informiert, monierte Hafenecker, wieso er denn die Information erst am Tag darauf bekommen habe. „So ist das Leben“, so Kandlhofer. Mit Schmid habe er, wie mit allen Generalsekretären, Kontakt gehabt. Ob es im Bundeskanzleramt „Interventionslisten“ gegeben habe? „Ich habe keine solche Liste, auch nicht im Verteidigungsministerium.“

Auch die Denkfabrik Think Austria war Thema, damit habe man „über den staatlichen Tellerrand hinausblicken“ wollen. Die Leiterin Antonella Mei-Pochtler habe Konzepte ausgearbeitet. Ob sie sicherheitsüberprüft war? „Alles, was nötig war, für das Kanzleramt, ist, glaube ich, da gewesen“, so Kandlhofer. Ob sie Zugang zum ELAK (Elektronischer Akt im Bund) gehabt habe, konnte Kandlhofer nicht sagen. Ob sie Zugang zu geheimen Informationen gehabt habe, etwa vom Heeresnachrichtenamt? Keine Wahrnehmung. Er hätte es wohl erfahren, wenn das so gewesen wäre, so Kandlhofer.

Lilihill Industries im Fokus

Auch fragten die Grünen zu Kandlhofers Firma Lilihill Industries. Zuletzt war sein Name im Zusammenhang mit der Causa Flughafen Klagenfurt aufgetaucht, wo auf den nicht betriebsnotwendigen Flughafenflächen eine Großkaserne um über 100 Mio. Euro errichtet werden sollte – und zwar durch Kandlhofers Lilihill-Gruppe. Mit Lilihill-Investor Franz Peter Orasch soll Kandlhofer in seiner Zeit als Generalsekretär des Verteidigungsministeriums Beteiligungen am selben Unternehmen gehabt haben.

Eine Befangenheit sah Kandlhofer in seiner Befragung nicht, auch die interne Revision habe das entsprechend bewertet. Er sei von den beiden Regierungsparteien in seiner Funktion als Generalsekretär gefragt worden, um nach Klagenfurt zu kommen, um zu vermitteln, so Kandlhofer.

„Nichts bekannt, was nicht korrekt vergeben worden ist“

Auf Fragen der ÖVP-Angeordneten Corinna Scharzenberger führte Kandlhofer aus, dass alle Aufträge korrekt vergeben worden seien. „Mir ist nichts bekannt, dass irgendwo etwas nicht korrekt vergeben worden ist“, so Kandlhofer. Auch die ÖVP fragte zum „Familienfest der ÖVP“. Wann die interne Revision tätig geworden sei?

Sinngemäß sagte die Auskunftsperson, die Stelle werde aktiv, wenn „irgendwo tiefer hineingeschaut werden soll“. Der Fall sei aufgearbeitet worden, Vergabeverfehlungen seien nicht beanstandet worden. „Darum müsse man aufhören in der Öffentlichkeit zu sagen, so ganz kann man ihm nicht trauen, dem Kandlhofer.“

„Anliegen“, die „Menschen berühren“

Vor Kandlhofer wurde mit Andreas Achatz ein hochrangiger Mitarbeiter einer Reihe von Regierungsmitgliedern der ÖVP befragt. Es ging vor allem um Vorgänge im Innenministerium: Achatz war dort Kabinettschef unter Wolfgang Sobotka, Karl Nehammer und Gerhard Karner (alle ÖVP) und ist derzeit Kabinettschef im Kanzleramt, wiederum unter Nehammer. Es ging um Postenwünsche, diverse Anliegen und Versetzungen.