Zelte zur Unterbringung von Migranten im Erstaufnahmezentrum Thalham in St. Georgen im Attergau
APA/Barbara Gindl
„Angespannte Diskussion“

Asylkrisengipfel ohne Ergebnis

Ein Spitzengespräch zwischen Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und den Landeshauptleuten hat am Mittwochabend kein greifbares Ergebnis zur Unterbringung von Flüchtlingen gebracht. Neue Vereinbarungen gab es nicht, hieß es APA-Angaben zufolge nach dem Krisentreffen vonseiten der Beteiligten. Besprochen worden sei allerdings ein „Teuerungsausgleich“, um private Quartiergeber zu entlasten.

Hinter dem zum Teil per Video geführten Austausch steht eine zunehmend dramatischer werdende Problematik der Unterbringung von Asylwerberinnen und Asylwerbern. Angesichts des anhaltenden Widerstands vonseiten der Bundesländer warnte die Bundesbetreuungsagentur zuletzt vor Obdachlosigkeit. Am Mittwoch appellierte dann auch das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) an die Länder, in jeder Gemeinde zumindest einige Plätze zu schaffen, womit die akute Problematik gelöst wäre.

Die Situation ist insofern komplex, als neben einer vergleichsweise großen Anzahl an Asylwerberinnen und Asylwerbern auch Personen, die vor der russischen Aggression in der Ukraine geflüchtet sind, in die Grundversorgung fallen. Dazu kommt, dass außer Wien und dem Burgenland kein Bundesland die in einer Bund-Länder-Vereinbarung vorgegebene Quote zur Flüchtlingsunterbringung erfüllt.

Asylgipfel ohne Ergebnis

Da die meisten Bundesländer zu wenige Quartiere zur Unterbringung von Flüchtlingen bereitstellen, hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Mittwoch zu einem Asylgipfel geladen. Eine Lösung der Quartierkrise wurde allerdings nicht gefunden.

Aus dem Innenministerium hieß es Mittwochabend auf APA-Anfrage, man sei dankbar dafür, dass eine einhellige politische Willensbildung darüber erzielt werden konnte, alles zu tun, um kurzfristig Obdachlosigkeit zu verhindern und mittelfristig auf europäischer Ebene klare Akzente gegen „die derzeitige Aushöhlung des Asylsystems zu setzen“.

Flüchtlingsquartier im Hotel de France

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) pochte darauf, dass seine Kollegen ihre Vorgaben aus der Bund-Länder-Vereinbarung erfüllen. Das Innenministerium äußerte sich im Anschluss nicht. Derzeit ist das gesamte System von Wien abhängig, das seine Vorgabe in der Grundversorgung zu 182 Prozent erreicht, zuletzt auch noch ein Quartier für 350 ukrainische Flüchtlinge im Hotel de France in der Innenstadt eröffnete – mehr dazu in wien.ORF.at.

Neben der Bundeshauptstadt hat nur das Burgenland die an sich verbindliche Quote zur Aufnahme von Flüchtlingen erfüllt. Mehrere andere Länder hinken weit hinter den Vorgaben zurück, speziell Tirol und Kärnten. In manchen anderen Nachzüglerländern wie Vorarlberg und Oberösterreich wurden zuletzt wieder mehr Quartiere geschaffen. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sprach nach dem Krisengespräch von einer angespannten Diskussion – und das liege Wallner zufolge auch an der angespannter gewordenen Asylproblematik – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

„Brauchen langfristige Lösung“

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat laut einer Aussendung des Landespressedienstes auf dem Gipfel darauf verwiesen, dass Kärnten „immer bemüht sei, notwendige Unterkünfte bereitzustellen“ – das alleine sei jedoch keine nachhaltige Lösung. „Wir brauchen auch eine mittel- und langfristige Lösung in der Asylfrage“ – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Berechnung ohne Ukraine-Flüchtlinge gefordert

Oberösterreichs zuständiger Landesrat Wolfgang Hattmansdorfer (ÖVP) ist dennoch unzufrieden. Bezüglich der Berechnung der Länderquoten forderte er Klarheit und betonte, dass einzig die Berechnung ohne vertriebene Ukrainerinnen und Ukrainer logisch sei. Ein Großteil der aus der Ukraine vertriebenen Menschen sei in den östlichen Bundesländern untergebracht, was die Quote zu deren Gunsten beeinflusse.

Tatsächlich ist es so, dass Menschen aus der Ukraine durch ihren Sonderstatus im Gegensatz zu Asylwerberinnen und Asylwerbern nicht beliebig im Bundesgebiet verteilt werden können. Offenbar bleibt der Großteil lieber in Wien und Umgebung.

Der allergrößte Teil von ihnen ist bei privaten Unterkunftgeberinnen und -gebern untergebracht, für die die Situation durch die allgemeine Teuerung durch ihre Gäste auch nicht leichter wird. Daher wird nun offenbar erwogen, für die Quartiergeber einen zusätzlichen Teuerungsausgleich zu überweisen. Details sollen folgen.

Lage in Traiskirchen eskaliert

Die Hauptproblematik besteht jedenfalls darin, dass dem Bund trotz der Schaffung zahlreicher neuer Quartiere durch die Bundesbetreuungsagentur die Kapazitäten ausgehen. Selbst das Aufstellen von Zelten wurde ja zuletzt durch baubehördliche Bescheide torpediert. Zu leiden hat auch das überfüllte Erstaufnahmezentrum Traiskirchen.

Die Situation dort droht laut Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) „trotz der monatelangen Verbesserungszusagen des Innenministeriums nunmehr völlig zu eskalieren“. Innenminister Karner wurde vom Stadtchef am Mittwoch per Aussendung aufgefordert, leer stehende Bundesressourcen zu öffnen. Zudem sollten freie Kapazitäten in Kasernen herangezogen werden.

Kritik von Opposition

Tatsächlich ist es so, dass bei der letzten großen Flüchtlingskrise deutlich mehr Plätze zur Verfügung standen als jetzt. Laut Berechnung der Asylkoordination waren es rund 15.000 mehr. Das würde nahelegen, dass durchaus noch Kapazitäten zur Verfügung stünden, um die von der Bundesbetreuungsagentur befürchtete Obdachlosigkeit zu vermeiden. Recht viel tun können Bundesbetreuungsagentur und Innenministerium aktiv nicht, denn das Durchgriffsrecht gegenüber den Ländern, das die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in der letzten Flüchtlingskrise hatte, ist längst ausgelaufen.

Das hindert SPÖ und FPÖ jedoch nicht an scharfer Kritik am Innenressort. SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner meinte, der Gipfel sei viel zu spät gekommen. Ohne einen Schritt auf die Länder und Gemeinden zuzugehen und ohne einen Hauch der langfristigen Planung habe Karner sehenden Auges ein Chaos produziert. FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer nannte die aktuelle Situation dramatisch. Ohne einen „konsequenten Asylstopp“ werde sich nichts ändern.