Teilnehmer am COP27 Klimagipfel in Sharm El Sheikh
Reuters/Mohammed Salem
Lobbying

Ölindustrie kapert Klimakonferenz

Die Zahl der Delegierten mit Verbindungen zur Ölindustrie auf der UNO-Klimakonferenz (COP27) ist im Vergleich zum letzten Treffen um ein Viertel gestiegen, berichtet die BBC. Laut der Organisation Global Witness haben mehr als 600 Personen auf der Konferenz in Scharm al-Scheich Beziehungen zu Öl- und Gaskonzernen.

Zwölf Tage lang treten auch heuer wieder rund 35.000 Delegierte aus knapp 200 Staaten zusammen. Gemeinsam suchen sie in Ägypten nach einem Weg zum fast schon illusorischen 1,5-Grad-Ziel und zur Klimagerechtigkeit. Dabei hat immer schon eine große Anzahl von Vertreterinnen und Vertretern der Kohle-, Öl- und Gasindustrie teilgenommen, die sich für die Interessen ihrer Branche einsetzen und intervenieren.

In diesem Jahr ist diese Zahl auf 636 angestiegen, berichtet der britische öffentlich-rechtliche Nachrichtensender BBC News am Donnerstag. 200 der Lobbyisten seien in nationalen Delegationen und weitere 436 in Handelsgruppen, internationalen Gremien oder anderen Nichtregierungsorganisationen.

„Karussell des Wahnsinns“

Laut den Daten der NGO Global Witness seien somit mehr Lobbyisten für fossile Brennstoffe als Delegierte aus jenen zehn Ländern anwesend, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind. Dazu gehören unter anderem Pakistan, Bangladesch und Mosambik. Dabei ist das eigentliche Thema der heurigen COP: Klimagerechtigkeit zwischen globalem Norden und Süden.

Schlechte Klimapolitik in Ägypten

Die Klimawebsite Climate Action Tracker hat der Klimapolitik des COP27-Gastgebers die Note „höchst unzureichend“ gegeben.

Die Forscherinnen und Forscher zählten die Anzahl der registrierten Personen, die entweder direkt mit Unternehmen der fossilen Industrie verbunden sind oder als Mitglieder nationaler Delegationen teilnehmen, die im Namen der fossilen Energiewirtschaft handeln.

„Die COP27 sieht aus wie eine Messe der fossilen Brennstoffindustrie“, sagte Rachel Rose Jackson von Corporate Accountability, einer Gruppe von Aktivisten, die die Daten veröffentlicht hat, zu BBC News. „Wir befinden uns hier auf einem Karussell des Wahnsinns und nicht auf dem der Klimaschutzmaßnahmen“, so Jackson. Die Motivation der Industrie sei Profit und Gier, mit dem Klimaschutz sei es ihnen nicht ernst.

Größte Lobby aus Vereinigten Arabischen Emiraten

Mit 1.070 Personen kommt die größte Einzeldelegation auf der COP27 aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Gastgeber der kommenden COP28 sein werden. Vergangenes Jahr waren es lediglich 170 Personen aus den Emiraten bei der Konferenz. Laut der Analyse haben heuer 70 Mitglieder der Delegation Verbindungen zur fossilen Industrie. In der russischen Delegation sind 33 der 150 Personen Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie.

„Wenn Sie nicht mit am Tisch sitzen, stehen Sie auf der Speisekarte“, sagt Omar Farouk Ibrahim, Leiter der African Petroleum Producers Organisation zu BBC News. Ibrahim sei auf der Konferenz, um die Verhandlung dahingehend zu beeinflussen, dass die Entwicklung von Öl und Gas in Afrika unterstützt werde.

Viele afrikanische Länder, darunter auch Senegal, möchten ihre kürzlich entdeckten Gasreserven ausbeuten – und lobbyieren dafür auch auf der Klimakonferenz. „Wenn man Malaria bekämpfen will, sollte man die Moskitos nicht einladen“, sagt Phillip Jakpor von Public Participation Africa gegenüber dem Britischen Rundfunk. Solange die Lobby der Öl- und Gasindustrie in vollem Gange sei, werde es keine Fortschritte geben, so Jakpor.

Demonstranten in Sharm El Sheikh bei der COP27
Reuters/Mohammed Salem
Im Rahmen der COP27 kommt es in Scharm al-Scheich immer wieder zu Protesten von Klimaaktivistinnen und -aktivisten

Öl- und Gaskonzerne expandieren weiter

Am Mittwoch haben mehrere NGOs gemeinsam ein Update ihrer Datenbank „Global Oil & Gas Exit List“ (GOGEL) zu den Expansionsplänen der 901 größten Öl- und Gaskonzerne veröffentlicht. Demnach wollen derzeit 512 Öl- und Gasunternehmen bis 2030 rund 230 Milliarden Barrel Öläquivalent an unerschlossenen Ressourcen erschließen. Das entspreche etwa einem CO2-Äquivalent von 115 Gigatonnen, schreibt die NGO Urgewald in einer Aussendung, was wiederum dem 30-fachen Treibhausgasbudget der EU pro Jahr entspreche.

Im jüngsten Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) „Netto-Null-Emissionen bis 2050“ wird ein Weg für den Energiesektor zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius beschrieben. In dem Szenario dürfe es keine Exploration neuer Erdöl- und Erdgasfelder geben, heißt es im Bericht. Die GOGEL-Datenbank zeige jedoch, dass die Industrie weiterhin neue Erdöl- und Erdgasfelder erkunde und erschließe, so Urgewald.

Die Datenbank analysiert Expansionspläne der Unternehmen und ermittelt den Anteil der Ressourcen, die das IEA-Szenario „überschreiten“. „Über 50 Prozent der kurzfristigen Expansionspläne von Öl- und Gasunternehmen entsprechen nicht dem von der IEA vorgeschlagenen Netto-Null-Emissionskurs“, sagt Fiona Hauke, leitende Öl- und Gasforscherin bei Urgewald.

Unter den Top 100 der umweltschädlichsten Unternehmen befindet sich laut der GOGEL-Datenbank auch die OMV. Der österreichische Öl-, Gas- und Chemiekonzern belegt im Ranking Platz 67 von 901. Die OMV gebe im jährlichen Schnitt rund 241 Millionen US-Dollar für die Suche nach neuem Öl und Gas aus, so GOGEL.