Public-Value-Beirat warnt vor Halbierung von ORF.at

Der Public-Value-Beirat der Medienbehörde KommAustria kritisiert scharf das von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann vor wenigen Wochen gemachte Angebot an den Zeitungsverlegerverband VÖZ, das Textangebot auf ORF.at, der „Blauen Seite“, zu halbieren. Konkret sieht das aus fünf Fachleuten bestehende Gremium dadurch die „konstruktive und unersetzliche Rolle des ORF in der österreichischen Medienlandschaft und für eine demokratische Öffentlichkeit gefährdet“.

Weißmanns Ankündigung gehe „in eine falsche Richtung“. Videoclips seien „eine sinnvolle und notwendige Begleitung zum Nachrichtenmaterial. Texte sind und bleiben jedoch das Kernmaterial von Qualitätsjournalismus und zur Vermittlung von Informationen, Hintergrundwissen und Meinungsbildung“, betonte das Gremium unter Vorsitz der Kommunikationswissenschaftlerin Irene Neverla gestern in seiner Aussendung.

„Ohne sachlich nachvollziehbaren Grund“

Damit drohe dem ORF „ein Verlust an Qualität und Attraktivität für das Publikum bzw. die User:innen. Hier wird ohne sachlich nachvollziehbaren Grund und zum Nachteil der Position des ORF im Gesamtgefüge der österreichischen Medienlandschaft eine starke Grundfunktion des ORF beschnitten“, hieß es weiter.

In der Aussendung verwies der Beirat weiters auf Ankündigungen zu geplanten Programmveränderungen auch bei Ö1 und FM4 und die „Gefahr, dass die geplante Texthalbierung der ‚Blauen Seite‘ nur eine von mehreren Einschnitten in die Produktion von Public Value durch den ORF darstellen könnte“.

Der Public-Value-Beirat berät gemäß ORF-Gesetz die Aufsichtsbehörde KommAustria wissenschaftlich. Die heutige Stellungnahme erfolgte auf eigene Initiative des Beirats, nicht im Auftrag der KommAustria.

Verhandlungsangebot und Kritik

ORF, Zeitungsherausgeber und Politik ringen seit Längerem um eine Digitalnovelle. Im Zentrum stehen die derzeit durch das ORF-Gesetz stark eingeschränkten Möglichkeiten im Onlinebereich und in sozialen Netzwerken (Stichwort: Aufhebung der auf sieben Tage befristeten Möglichkeit, einmal gesendete Beiträge online zu zeigen). Weißmann wollte nach eigenen Angaben mit seinem Halbierungsangebot die stockenden Verhandlungen wieder in Gang bringen. Er löste damit aber auch Kritik von mehreren Seiten aus, zuletzt etwa vom Behindertenrat.

Der Betriebsrat und die Redaktionsvertretung von ORF.at sehen in den Plänen zur Einschränkung des ORF.at-Textangebots einen Schaden für das Ansehen des ORF „als öffentlich-rechtliches Medium mit dem gesetzlichen Auftrag zur Grundversorgung“.