leere Einkaufstraße
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Wachstum gedämpft

„Wendepunkt“ für EU-Wirtschaft

Die EU-Kommission geht angesichts der Folgen des Ukraine-Krieges im nächsten Jahr von minimalem Wachstum für die europäische Wirtschaft aus. Über den Winter werde die europäische Wirtschaft zwischenzeitlich in eine Rezession rutschen, heißt es. Auch die Prognose für Österreich wurde gedämpft – für 2023 wird nur noch ein Plus von 0,3 Prozent erwartet. 2024 soll das Wachstum wieder anziehen.

In einer Aussendung der EU-Kommission war am Donnerstag von einem „Wendepunkt“ die Rede. „Nach einer starken ersten Jahreshälfte hat die EU-Wirtschaft nun eine wesentlich schwierigere Phase erreicht“, heißt es darin weiter. Grund seien unter anderem die hohe Unsicherheit wegen des Krieges, hohe Energiepreise und die schwache Kaufkraft der Haushalte durch die Inflation.

„Es ist ein Wendepunkt für die EU-Wirtschaft, da wir mit den Auswirkungen des ungerechtfertigten Krieges Russlands gegen die Ukraine und einem komplexen geopolitischen Umfeld zu kämpfen haben: hohe Energiepreise, die die Inflation anheizen, Menschen in ganz Europa, die mit steigenden Lebensunterhaltskosten zu kämpfen haben, und unsere Unternehmen, die an Wettbewerbsfähigkeit verlieren“, so EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis.

Prognose für dieses Jahr besser als erwartet

In diesem Jahr sieht die Lage hingegen besser aus als erwartet. Die EU-Kommission sagte voraus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU um 3,3 Prozent wachsen wird, statt um die im Sommer vorhergesagten 2,7 Prozent für 2022. Für den Euro-Raum prognostiziert die Behörde 3,2 Prozent Wachstum statt 2,6 Prozent. Das liege am starken Aufschwung in der ersten Hälfte dieses Jahres.

Grafik: EU-Prognose Wirtschaftswachstum
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: EU-Kommission

Inflation vor neuem Höchstpunkt

Die Inflation wird der Prognose zufolge einen neuen Höchstpunkt im Jahresdurchschnitt erreichen. „Wir glauben, dass der Höhepunkt der Inflation nahe ist“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. In diesem Jahr gehen die Analystinnen und Analysten von 8,5 Prozent im Euro-Raum und 9,3 Prozent in der gesamten EU aus.

Im Sommer sprachen sie noch von einer Preissteigerung von 7,6 Prozent für die Euro-Länder und 8,3 Prozent für die EU. Auch im kommenden Jahr dürften die Preise weiter steigen. Die Kommission rechnet mit einer Inflation von 6,1 Prozent in der Euro-Zone sowie 7,0 Prozent in der ganzen EU.

Auch Österreichs Prognose gedämpft

Das prognostizierte Plus von 0,3 Prozent für Österreich fällt deutlich geringer aus als zuletzt: In ihrer Sommerprognose vom Juli hatte die EU-Kommission für 2023 noch mit einem Plus von 1,5 Prozent in Österreich gerechnet. Für 2022 hatte sie ein Wachstum von 3,7 Prozent vorausgesagt. Die Inflation hatte die Kommission im Juli mit 7,4 Prozent (2022) und 4,4 Prozent (2023) auch noch niedriger bewertet.

Grafik: EU-Prognose Wirtschaftswachstum
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: EU-Kommission

Bei der Konjunktur trägt Deutschland die rote Laterne. Die deutsche Wirtschaft dürfte nach Einschätzung der Brüsseler Behörde 2023 mit 0,6 Prozent so stark schrumpfen wie keine andere eines Euro-Staates. Auch in Schweden – das nicht der Euro-Gruppe angehört – wird die Wirtschaft laut Prognose um 0,6 Prozent zurückgehen. In Lettland werde die Wirtschaftskraft im nächsten Jahr ebenfalls fallen, allerdings nur um 0,3 Prozent. Das größte BIP-Wachstum traut die EU erneut Irland zu, wo es um 3,2 Prozent bergauf gehen dürfte.

Arbeitsmarkt steht 2023 still

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt bewertet die Kommission momentan als gut: Beschäftigung und Erwerbsquote seien auf einem Höchststand und die Arbeitslosigkeit so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Es wird erwartet, dass die Arbeitsmärkte mit Verzögerung auf die gedämpfte Wirtschaft reagieren. Für 2022 wird ein Wachstum von 1,8 Prozent erwartet, ehe es 2023 zum Stillstand kommt. 2024 soll es auf 0,4 Prozent ansteigen.

Erholung für 2024 erwartet

Für 2024 hellt sich die Prognose wieder auf. Dann soll die Wirtschaft in der EU um 1,6 Prozent wachsen, in den Euro-Ländern um 1,5 Prozent. Die Inflation soll auf 2,6 Prozent im Euro-Raum und 3,0 Prozent in der ganzen EU sinken. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt grundsätzlich eine Inflationsrate von zwei Prozent im Euro-Raum an.