Blick auf Hallstadt
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50 Jahre UNESCO-Welterbe

Jubiläum mit bitterem Beigeschmack

Vor genau 50 Jahren wurde die UNESCO-Welterbekonvention verabschiedet. Doch es ist ein Jubiläum mit bitterem Beigeschmack. Einst ins Leben gerufen, um das Kultur- und Naturerbe der Menschheit zu schützen, sehen sich die Stätten heutzutage mit vielfältigen Bedrohungen konfrontiert. Eine der größten stellt auch hier die Klimakrise dar. Eng damit verbunden ist die Frage: Was ist schützenswert?

Am 16. November 1972 wurde das „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ in Paris verabschiedet. Anstoß dafür waren unter anderem die Tempel von Abu Simbel in Ägypten, die im Zuge eines Staudammbaus zu versinken drohten – und nur durch eine gemeinsame Rettungsaktion für die Nachwelt erhalten werden konnten.

50 Jahre später ist der sprichwörtliche Untergang des Welterbes wieder Thema in Ägypten, diesmal auf der UNO-Weltklimakonferenz (COP27). Anstelle von steigenden Flusspegeln geht es nun etwa um steigende Meeresspiegel und schmelzende Gletscher – und darum, wie man das Welterbe davor schützen kann.

Großer Tempel von Abu Simbel
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Von steigenden Staudammpegeln zu steigenden Meeresspiegeln – auch auf der UNO-Weltklimakonferenz in Ägypten wird wieder einmal das Thema Welterbe verhandelt

Ein Drittel aller Naturerbestätten in Gefahr

Die Klimakrise sei, so heißt es seitens der UNESCO, „zu einer der größten Bedrohungen“ für das Kultur- und Naturerbe geworden. Eine von drei Naturstätten und eine von sechs Kulturerbestätten sei derzeit durch den Klimawandel bedroht, ist in der Aussendung „Die Lösungen der UNESCO für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Kultur“ zu lesen.

Und weiter: „In den vergangenen Monaten und Jahren haben wir erlebt, wie Kultur- und Naturerbestätten, darunter viele UNESCO-Welterbestätten, durch Waldbrände, Überschwemmungen und Stürme bedroht wurden.“ In Österreich zeigt sich das derzeit etwa am Beispiel Neusiedler See. Der Teil des länderübergreifenden Welterbes „Ferto“ erreichte im Sommer aufgrund der Hitze einen fast historischen Pegeltiefstand.

In Gefahr ist vor allem der „außergewöhnliche universelle Wert“ der Stätten. Dieser Wert ist es, der ein Bauwerk, Gebäude, ein Naturdenkmal oder eine Landschaft erst zum Welterbe macht. Das kann etwa ein „Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft“ oder eine „überragende Naturerscheinung“ sein. Zu beurteilen, ob ein solcher Wert vorliegt, obliegt letztlich dem Welterbekomitee, das sich aus 21 gewählten Vertragsstaaten zusammensetzt.

Ausgetrocknete Bereiche im Neusiedlersee
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Ausgetrocknete Bereiche im Neusiedler See: Die Klimakrise ist „zu einer der größten Bedrohungen“ für das Kultur- und Naturerbe geworden

Zum Schutz verpflichtet – aber zu welchem?

Mit einer Eintragung als Welterbe verpflichten sich die Staaten dazu, den Schutz der Kultur- bzw. Naturstätte zu garantieren und diese für künftige Generationen zu bewahren. Der Schutz vor Zerstörung inkludiert zweifellos auch jenen vor Umwelteinflüssen oder Extremwetterereignissen sowie Klimaschutz generell.

1.100 Stätten

Auf der Welterbeliste stehen mehr als 1.100 Kultur- und Naturstätten in 167 Ländern. 51 davon gelten als bedroht. Österreich ist auf der Liste mit zwölf Welterbestätten vertreten.

Am Beispiel historischer Städte zeigt sich aber der Konflikt, der hierbei auftreten kann. So gilt das historische Zentrum der Grazer Altstadt aufgrund seiner vielfältigen Baukultur als Welterbe – was unter anderem aber dazu führt, dass auf den ikonischen roten Ziegeldächern keine Solaranlagen angebracht werden können. Zum Ärger von Klimaschützerinnen und Klimaschützern.

Was ist also schützenswert? Klima oder Kultur? Seitens der Österreichischen UNESCO-Kommission (ÖUK) erklärt man dazu gegenüber ORF.at, die Bewahrung von Kultur- und Naturerbe sei ein „multidimensionales Thema“, das eine strategische Steuerung von Maßnahmen erfordere. So müsse sich etwa im Falle von Solaranlagen in historischen Altstädten nicht zuletzt die Frage der Effizienz gestellt werden: Handle es sich bei der historischen Dächerlandschaft um eine geeignete Fläche und falle diese angesichts „hektarweise freier Gewerbegebietsflächen wirklich ins Gewicht“? Schließlich betrage in Graz die Welterbeschutzzone nicht einmal ein Prozent der Gesamtfläche der Stadt.

Fotostrecke mit 10 Bildern

Altstadt von Graz vom Schlossberg aus gesehen
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In Österreich gibt es zwölf Welterbestätten: So etwa das historische Zentrum von Graz inklusive Schloss Eggenberg, …
Mirabellgarten mit Blick auf Festung Hohensalzburg
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… das historische Zentrum von Salzburg …
Schloss Schönbrunn
IMAGO/Peter Widmann
… sowie das historische Zentrum von Wien und die imperiale Schlossanlage von Schönbrunn mit ihren Gärten
Heidentor im Carnuntum
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Der Donaulimes, also die Befestigungsanlagen entlang der Donau, zählt zum Welterbe ebenso …
Buchenwald im Salzkammergut
IMAGO/Wolfgang Simlinger
… wie die Buchenwälder im Nationalpark Kalkalpen …
Historische Pfahlbauten im Attersee
Henrik Pohl
… und die prähistorischen Pfahlbauten in Oberösterreich und Kärnten
Blick auf Hallstadt
Getty Images/Anton Petrus
Die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein im Salzkammergut ist seit 1997 UNESCO-Welterbe
20-Schilling-Blick auf die Semmeringbahn
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Als „erste Hochgebirgseisenbahn der Welt“ wurde die Semmeringbahn 1998 zum Welterbe gekürt
Blick auf Ruine Aggstein und die Donau in der Wachau
Getty Images/iStockphoto/Bluejayphoto
Der „außergewöhnliche universelle Wert“ der Wachau sind die „vielfältige Landschaftsstruktur und die bedeutenden Kulturdenkmäler“
Ehemalige Josefsbad in Baden
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Auch Baden bei Wien, gemeinsam mit anderen „Great Spa Towns of Europe“, ist seit 2021 Welterbe

Welterbe als „aktiver Beitrag zur Nachhaltigkeit“

Betont wird seitens der ÖUK, dass der Schutz des Kultur- und Naturerbes und Klimaschutz keineswegs einander ausschließende Gegensatzpaare seien, vielmehr könne etwa der Erhalt von baukulturellem Erbe und der Schutz von Kultur- und Naturlandschaften aktiven Beitrag zur Nachhaltigkeit liefern.

„Welterbe bewahren bedeutet auch, natürliche und kulturelle Ressourcen zu erhalten. Nicht umsonst ist der Schutz des UNESCO-Welterbes auch explizit Teil der Nachhaltigkeitsziele der UNO-Agenda 2030.“ Als Beispiel für den Beitrag von Welterbe zum Klimaschutz wird hierbei etwa das Welterbe „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ genannt, dessen Urwälder einen „essenziellen CO2-Speicher“ darstellten.

Historische Stätte Machu Picchu in Peru
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Die jahrhundertealte Inka-Stätte Machu Picchu in Peru ist vor allem durch zunehmende starke Regenfälle bedroht

Enge Zusammenarbeit mit Ländern

Was die konkrete Strategie betrifft, so arbeite man bei der UNESCO eng mit den Ländern und Gemeinden der Mitgliedsstaaten zusammen, heißt es in der Aussendung zum Klimawandel weiter. Das beginne etwa bei der Bereitstellung von Daten für eine verbesserte Überwachung der Auswirkungen der Klimakrise auf das Kulturerbe bis hin zur Umsetzung von Maßnahmen zur Abschwächung und Adaption an die Klimakrise.

Als Positivbeispiel wird – trotz fehlender Solarpaneele – hierbei der fußgängerfreundliche Umbau der Grazer Innenstadt genannt. Die Initiative der Neugestaltung und Begrünung historischer Straßen und öffentlicher Räume ziele darauf ab, den nicht motorisierten Verkehr zu fördern und den urbanen Hitzeinseleffekt abzuschwächen, so das Welterbezentrum.

Appell an Politik

Dennoch sieht man sich auch in Österreich mit großen Herausforderungen konfrontiert. Anlässlich des Jubiläums zu 30 Jahre Ratifizierung der Welterbekonvention durch Österreich fordere die Österreichische Welterbestätten-Konferenz in einem offenen Brief von der Politik grundlegende Maßnahmen, „um das weltweit bedeutende Kultur- und Naturerbe Österreichs weiterhin für kommende Generationen zu bewahren“.

Hierbei bedürfe es solider rechtlicher, finanzieller und struktureller Rahmenbedingungen, um den kommenden Herausforderungen begegnen zu können – „insbesondere des Klimawandels“.