Der Gipfel der südostasiatischen Staatengemeinschaft Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh läuft noch bis Sonntag, am Dienstag beginnt in Nusa Dua auf der indonesischen Insel Bali das Treffen der führenden Industrie- und Schwellenländer inklusive EU, der Gruppe der 20 (G-20).
Beim ASEAN-Gipfel sorgte am Wochenende vor allem ein Thema für Unruhe: die wiederholten Raketentests Nordkoreas. Die kommunistische Volksrepublik hatte in diesem Jahr bereits mehrfach Tests durchgeführt, zuletzt Mitte der Woche. Zuvor soll auch eine Interkontinentalrakete getestet worden sein. Seit Wochen wird außerdem befürchtet, Nordkorea könnte einen Atomwaffentest vorbereiten – eine denkbar kritische Konstellation.
Japan sieht ernsthafte Bedrohung durch Nordkorea
Das Verhalten Nordkoreas unter Machthaber Kim Jong Un stelle eine ernsthafte Bedrohung für die internationale Gemeinschaft dar, die nicht ignoriert werden könne, sagte Japans Ministerpräsident Fumio Kishida am Samstag in Phnom Penh. Derartige Provokationen dürften nicht toleriert werden, betonte er bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs der zehn ASEAN-Staaten mit Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol und Chinas Regierungschef Li Keqiang. Kishida und Yoon wollen am Sonntag mit US-Präsident Joe Biden zusammenkommen, der ebenfalls an dem ASEAN-Treffen teilnimmt. Auch dabei soll Nordkorea ein zentrales Thema sein.

Ein Wink mit dem Zaunpfahl Richtung China
Auf dem G-20-Gipfel am Dienstag auf Bali steht ein heikler Termin an: Dort will Biden erstmals seit seinem Amtsantritt im Jänner 2021 Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping treffen. Er werde dabei eine „konstruktive Rolle“ Chinas im Umgang mit der Bedrohung durch Nordkorea suchen, sagte sein Sicherheitsberater Jake Sullivan am Samstag. Xi war erst kürzlich von der mächtigen Kommunistischen Partei Chinas (KPC) auf deren 20. Parteitag in seinen Funktionen bestätigt worden und verfügt über entsprechenden Rückhalt in seinem Land.
„Nordkorea stellt eine Bedrohung nicht nur für die USA und nicht nur für Südkorea und Japan dar, sondern auch für Frieden und Stabilität in der ganzen Region“, erklärte Sullivan auf dem Flug mit Biden nach Kambodscha. „Und wenn Nordkorea auf diesem Weg weitermacht, wird es einfach weiter verstärkte Militär- und Sicherheitspräsenz der USA in der Region bedeuten.“ In diesem Sinn habe China ein eigenes Interesse daran, Nordkoreas „schlimmste Tendenzen“ einzudämmen, sagte Sullivan.
Getreideabkommen Russland – Ukraine vor Auslaufen
Natürlich ist auch der russische Krieg gegen die Ukraine zentrales Thema bei dem Gipfel in Kambodscha. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba forderte die ASEAN-Staaten auf, Russland zu einer Fortsetzung des in einer Woche auslaufenden Getreideabkommens zu drängen. „Ich rufe alle ASEAN-Mitglieder auf, jede nur mögliche Maßnahme zu ergreifen, um Russland daran zu hindern, Hungerspiele mit der Welt zu spielen“, sagte Kuleba vor der Presse in Phnom Penh. Es geht dabei um die Blockade ukrainischer Häfen bei der Ausfuhr von Getreide. Die Ukraine ist einer der weltweit wichtigsten Produzentenländer, ihr Ausfall als Exporteurin hat globale Folgen.
Das Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide wurde im Juli unter der Vermittlung der UNO und der Türkei geschlossen und läuft bereits am 19. November aus. Moskau hatte das Abkommen im Oktober bereits für mehrere Tage einseitig ausgesetzt und zuletzt eine automatische Verlängerung der Vereinbarung zum Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer abgelehnt.
Videobotschaft Selenskyjs offenbar nicht erwünscht
Zum ASEAN-Gipfel war auch der russische Außenminister Sergej Lawrow nach Phnom Penh gereist. Dieser habe ihn aber nicht um ein Treffen gebeten, wie es in der internationalen Diplomatie üblich sei, sagte Kuleba. Und weiter: „Es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, dass Russland ernsthaft Verhandlungen anstrebt.“ Die Ukraine nimmt erstmals an einem Gipfeltreffen der ASEAN-Staaten teil. Lokale Medien hatten allerdings berichtet, dass sich die zehn Mitgliedsländer nicht darauf einigen konnten, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Videoansprache an das Treffen richten kann. Der ASEAN gehören derzeit zehn Länder an, darunter Indonesien, Malaysia, Thailand, Vietnam, die Philippinen, Laos und Kambodscha. Die Staatengemeinschaft repräsentiert mit rund 600 Millionen Menschen rund acht Prozent der Weltbevölkerung.
Putin auch bei APEC nicht dabei
Das ASEAN-Treffen ist der Auftakt einer Serie von drei Gipfeln und wichtigen diplomatischen Spitzenbegegnungen in Südostasien. Am Dienstag beginnt in Nusa Dua auf Bali der erwähnte zweitägige Gipfel der G-20, der neben der EU Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei und die USA angehören.
Zum Abschluss des Gipfelreigens findet am Freitag und Samstag in der thailändischen Hauptstadt Bangkok noch der Asien-Pazifik-Gipfel (Asia-Pacific Economic Cooperation, APEC) statt. Dazu reisen unter anderem Xi Jinping sowie US-Vizepräsidentin Kamala Harris und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an. In dem Forum arbeiten 21 Staaten rund um den Pazifik zusammen. Dazu gehören auch die USA und Russland. Der russische Präsident Wladimir Putin reist zu keinem der drei Gipfel.
USA kämpfen um Einfluss in Asien
Vor dem Hintergrund des wachsenden Einflusses Chinas in Asien will US-Präsident Biden die Zusammenarbeit mit der ASEAN ausweiten. Beide Seiten hoben ihre Beziehungen beim Gipfel in Phnom Penh am Samstag auf die Ebene einer „umfassenden strategischen Partnerschaft“. Die Aufwertung war bereits vor einem halben Jahr bei einem ASEAN-USA-Gipfel in Washington angekündigt worden. Die ASEAN stehe „im Mittelpunkt der Indopazifik-Strategie meiner Regierung“, sagte Biden in einer Rede vor den Staats- und Regierungschefs. Er sprach von einer „neuen Ära“ der Kooperation. „Gemeinsam gehen wir die großen Probleme unserer Zeit an.“

Das Ziel sei ein Indopazifik, „der frei und offen stabil“, „widerstandsfähig und sicher ist“, sagte Biden. Mit der Zusammenarbeit sollten Frieden und Wohlstand verbessert und „Herausforderungen vom Südchinesischen Meer bis Myanmar“ gelöst werden. Er sprach damit die Krise in Myanmar nach dem Militärputsch und indirekt auch die umstrittenen chinesischen Territorialansprüche in dem südostasiatischen Seegebiet an.
Die Region war in den letzten Monaten und Jahren zu einem weiteren geostrategischen Brennpunkt geworden. China beansprucht das Südchinesische Meer zu rund 80 Prozent. Aber auch ASEAN-Staaten wie Vietnam, die Philippinen, Malaysia und Brunei erheben dort Territorialansprüche. Durch das rohstoffreiche Meeresgebiet geht ein Drittel des weltweiten Schiffsverkehrs.