Menschenrechtskonvention: Kritik an Wöginger hält an

Die Aussage von ÖVP-Klubchef August Wöginger, nach der die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) „überarbeitet gehört“, zieht weiter Kritik nach sich. Nachdem bereits die Grünen die Äußerung als „populistisches Ablenkungsmanöver“ gewertet hatten, übten heute SPÖ und NEOS scharfe Kritik an der ÖVP.

„Wer über die Änderung der Menschenrechtskonvention fantasiert – und dabei natürlich eine Verwässerung vor Augen hat – hat möglicherweise den Ernst der Bedrohung der Grundrechte nicht verstanden“, schrieb Petra Bayr, die SPÖ-Bereichssprecherin für globale Entwicklung, auf Twitter.

Auch der NEOS-Nationalratsabgeordnete Johannes Margreiter zeigte sich im Kurznachrichtendienst empört: „Natürlich müssen wir uns ständig mit nötigen Änderungen von Gesetzen, auch der Verfassung beschäftigen! Die #EMRK zur Diskussion zu stellen, rüttelt aber an den Grundfesten des Staates! Das hat die gleiche Qualität, wie Rechtsstaat und Demokratie infrage zu stellen! Unfassbar!“

Grüne: „Keinerlei Änderungsbedarf“

Wöginger hatte am Freitag im „Standard“ gesagt, dass nicht nur das europäische Asylrecht überarbeitet werden müsse, sondern auch die EMRK. „Auch die Menschenrechtskonvention gehört überarbeitet. Wir haben mittlerweile eine andere Situation, als es vor ein paar Jahrzehnten der Fall war, als diese Gesetze geschrieben wurden“, sagte der ranghohe Politiker der Volkspartei.

Der Koalitionspartner, die Grünen, hielt gegenüber ORF.at gestern fest, dass die Menschenrechtskonvention „eine großartige Errungenschaft der europäischen Staatengemeinschaft“ sei und „die Einhaltung der Menschenrechte“ sichere. Es gebe „keinerlei Änderungsbedarf. Die ÖVP ist aufgerufen, sich an der tatsächlichen Lösung der Probleme zu beteiligen, anstatt populistische Ablenkungsmanöver zu starten und die Menschenrechte infrage zu stellen.“

Welche Passagen in der EMRK für Wöginger nicht mehr zeitgemäß sind, kommt aus dem Interview nicht hervor. Der ÖVP-Klubchef kritisiert aber die Europäische Union in Sachen Asylpolitik scharf. Die EU habe „sieben Jahre lang verschlafen, tragfähige Lösungen zum Schutz der Außengrenzen auf den Tisch zu legen. Das ist ein Aufruf in Richtung Europa, in die Gänge zu kommen.“

Für FPÖ „fünf nach zwölf“

Rückendeckung bekam Wöginger hingegen von der FPÖ. Die Konvention, so FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz, stamme „noch aus Zeiten, in denen eine neue Völkerwanderung undenkbar war“ und sollte „daher an die heutige Zeit angepasst“ werden. Es sei schon längst „fünf nach zwölf“. Schnedlitz verwies allerdings auch darauf, dass Wöginger mit der Überarbeitung der EMRK einen Ansatz der FPÖ übernehme, für den (Bundesparteichef, Anm.) Herbert Kickl in seiner Zeit als Innenminister skandalisiert worden sei.

Kickl hatte als Innenminister Anfang 2019 die Menschenrechtskonvention hinterfragt und dabei gemeint, „dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“. Nicht nur vom damaligen ÖVP-Justizminister Josef Moser wurde er zurechtgewiesen, auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen verurteilte Kickls Rütteln an der EMRK.

Auch Wöginger übte Kritik an Kickl, aber erst nach der Koalition mit der FPÖ im Jahr 2020. Damals sagte er in einer Nationalratssitzung: „Was uns trennt, Herr Kollege Kickl, das ist, dass wir die Grund- und Menschenrechte wahren, sie akzeptieren und anerkennen und auch die Menschenrechtskonvention anerkennen.“

In Österreich im Verfassungsrang

Die EMRK wurde am 4. November 1950 unterzeichnet und trat im September 1953 in Kraft. Österreich ist ihr 1958 beigetreten, 1964 wurde sie rückwirkend mit dem Beitrittsdatum in den Verfassungsrang erhoben.

Ziel der EMRK war es, die in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen von 1948 zwar verbrieften, aber aufgrund der globalen Verwerfungen des Kalten Krieges nicht verbindlich durchsetzbaren Grund- und Freiheitsrechte für (West-)Europa zu genau solchen zu machen.

Sie entspricht folglich inhaltlich weitgehend den bürgerlichen und politischen Rechten, wie sie in der UNO-Menschenrechtserklärung festgelegt sind, und sieht eine Reihe von Grundrechten und -freiheiten vor, darunter Recht auf Leben, Verbot von Folter, Sklaverei und Zwangsarbeit, Recht auf Freiheit und Sicherheit, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und Verbot der Diskriminierung.