Natasa Pirc MIsar nach Wahlergebnis
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Slowenien

Quereinsteigerin wird Präsidentin

Slowenien bekommt mit der liberalen Rechtsanwältin Natasa Pirc Musar erstmals eine Frau als Staatsoberhaupt. Pirc Musar konnte sich bei der Stichwahl am Sonntag gegen den konservativen Ex-Außenminister und Oppositionspolitiker Anze Logar durchsetzen. Die Quereinsteigerin war von Premier Robert Golob unterstützt worden.

Nach Auszählung von rund 90 Prozent der Stimmen kam Pirc Musar auf einen Anteil von rund 54 Prozent. Ihr Rivale Logar erhielt etwa 46 Prozent der Stimmen, wie die Staatliche Wahlkommission am Sonntagabend in Ljubljana mitteilte.

Damit dürfte erstmals eine Frau das höchste Staatsamt Sloweniens bekleiden. Die 54-Jährige war von 2004 bis 2014 auch die erste Ombudsfrau für Informationsfreiheit ihres Landes gewesen. Die Rechtsanwältin hatte im Sommer als Erste die Kandidatur für das Präsidentenamt angekündigt und sie mit Unterstützungserklärungen der Wähler und Wählerinnen eingereicht.

Van der Bellen freut sich auf Partnerschaft

Bundespräsident Alexander Van der Bellen zählte zu den ersten Gratulanten der neuen slowenischen Präsidentin. „Ich freue mich auf den weiteren Ausbau der ausgezeichneten freundschaftlichen Beziehungen und engen nachbarschaftlichen Verbindungen unserer beiden Länder, so wie mit ihrem Vorgänger Borut Pahor, dem ich für seine Freundschaft und Zusammenarbeit danke“, schrieb Van der Bellen am Sonntagabend auf Twitter.

Pahor lud seine Nachfolgerin für Dienstag zu einem ersten Treffen in den Präsidentenpalast ein, wie er auf Twitter mitteilte. Er habe Pirc Musar in einem Telefongespräch zum Wahlerfolg gratuliert „und ihr eine erfolgreiche Arbeit gewünscht“. Auch Logar habe er gratuliert, „besonders für seine verbindende Ansprache nach der Wahl“.

Ministerpräsident Golob stellte der neuen Präsidentin in einer Pressemitteilung eine „gute Zusammenarbeit“ in Aussicht. Die Wahl Pirc Musars sei „ein Beweis dafür, dass die Bürger und Bürgerinnen Sloweniens in einem Staat leben wollen, in dem die grundlegenden demokratischen Rechte respektiert werden: Menschenrechte, Rechtsstaat, unabhängige Medien, Freiheit und respektvoller Dialog.“

„Vergangenheit hinter uns lassen“

Pirc Musar zeigte sich schon mit den Teilergebnissen „überglücklich und zufrieden“. Als Präsidentin werde sie „so sein, wie sie als Mensch ist“, betonte sie. Ihr ganzes Leben habe sie sich für dieselben Werte eingesetzt: Demokratie, Menschenrechte, für Toleranz und Dialoge, so Pirc Musar. „Ich möchte, dass wir uns der Zukunft zuwenden und die Vergangenheit hinter uns lassen. Es wartet viel Arbeit auf uns“, fügte sie hinzu. „Slowenien verdient sich eine Präsidentin mit Herz.“

Slowenische Präsidentschaftskandidatin Natasa Pirc Musar
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Die Rechtsanwältin wird die erste Präsidentin in Slowenien

Nachdem letzte Umfragen auf ein knapperes Resultat hingedeutet hatten, zeichnete sich am Wahltag eine überraschend hohe Wahlbeteiligung ab. Bis 16.00 Uhr gaben 36,7 Prozent der rund 1,7 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Die Beteiligung war zu diesem Zeitpunkt um knapp zwei Prozent höher als bei der ersten Runde vor drei Wochen.

Abgrenzung von Jansa

Politisch ist Pirc Musar zwar ein unbeschriebenes Blatt, in der slowenischen Öffentlichkeit aber eine bekannte Figur. Einen Namen machte sie sich als langjährige Expertin für den Schutz von personenbezogenen Daten. Ihre professionelle Laufbahn begann Pirc Musar nach einem Jusstudium in Ljubljana zunächst als Journalistin.

Sie war Nachrichtenmoderatorin sowohl beim öffentlich-rechtlichen RTV Slovenija als auch beim führenden Privatsender POP TV. Im Jahr 2015 absolvierte sie ein Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Als Rechtsanwältin vertrat sie in Slowenien die ehemalige US-Präsidentengattin Melania Trump beim Schutz ihres Markennamens.

Slowenischer Präsidentschaftskandidat Anze Logar
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Der geschlagene Gegenkandidat Logar gilt als Vertrauter von Ex-Premier Janez Jansa

Bekannt wurde sie aber durch ihre kritische Haltung gegenüber der damaligen Regierung des rechtskonservativen Premiers Janez Jansa. Während der kontroversen zweijährigen Regierungszeit Jansas gehörte Pirc Musar zu jenen Rechtsfachleuten, die seine Regierungspolitik und das Regieren per Verordnungen in der Coronavirus-Pandemie lautstark kritisierte.

Will Meinung sagen

Im Wahlkampf machte sich Pirc Musar das zum Nutzen, um sich von ihrem Gegenkandidaten, der als Vertrauter Jansas gilt, abzugrenzen. Gleichzeitig deutete Pirc Musar auch an, sich in ihrer Amtsführung von dem Amtsinhaber Pahor unterschieden zu wollen, der innenpolitisch sehr zurückhaltend war. Ein Staatsoberhaupt müsse klar seine Meinung sagen, wenn die Demokratie ins Schleudern komme, beteuerte Pirc Musar im Wahlkampf.

Außenpolitisch will Pirc Musar jedoch auf Kontinuität setzen. Pahor hat sich besonders um die Verbesserung der bilateralen Beziehungen mit Italien und Österreich bemüht und sich stark für die europäische Perspektive des Westbalkans eingesetzt. Das will die neue Präsidentin fortsetzen.

Ihre fünfjährige Amtszeit wird Pirc Musar am 23. Dezember antreten. Die neue Präsidentin ist verheiratet und hat einen 21-jährigen Sohn. Sie hat eine bunte professionelle Laufbahn, während des Studiums arbeitete sie etwa als Flugbegleiterin.