Tatort bei Sonnenaufgang
Reuters/Kemal Aslan
Sechs Tote, über 80 Verletzte

Festnahmen nach Anschlag in Istanbul

Nach dem Bombenanschlag in der türkischen Metropole Istanbul mit sechs Todesopfern und über 80 Verletzten am Sonntag haben die Behörden nach eigener Darstellung eine Frau festgenommen, die die Bombe auf der Einkaufsstraße Istiklal platziert haben soll. Es gebe Verbindungen zur verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), wie Innenminister Süleyman Soylu Montagfrüh sagte.

Die Frau sei zusammen mit über 40 anderen Personen festgenommen worden. Laut der Polizei in Istanbul trage sie einen syrischen Pass. Bei einer ersten Befragung habe sie angegeben, von militanten Kurden in Syrien ausgebildet worden zu sein. Wenig später wies die PKK eine Beteiligung zurück.

Justizminister Bekir Bozdag zufolge befand sich der Sprengsatz offenbar in einer Tasche auf einer Bank. „Eine Frau saß mehr als 40 Minuten auf einer der Bänke und stand dann auf. Ein oder zwei Minuten später gab es eine Explosion“, sagte er. „Entweder befand sich in der Tasche ein Zeitzünder, oder jemand hat sie aus der Ferne explodieren lassen.“

Über 30 Personen noch im Spital

Bei dem Anschlag am Sonntagnachmittag starben nach offiziellen Angaben mindestens sechs Menschen, weitere 81 wurden verletzt. 31 Verletzte wurden den Behörden zufolge am Montag noch im Krankenhaus behandelt, zwei von ihnen befanden sich demnach in kritischem Zustand. Soylu zufolge waren die Opfer etwa im Alter zwischen neun und Anfang 40 Jahren.

Personen aus Österreich befinden sich nicht unter den Toten oder Schwerverletzten, wie das Außenministerium am Montag auf APA-Anfrage bestätigte. Bezüglich Verletzten gebe es keine gesicherten Informationen, aber auch keine Hinweise darauf, dass Österreicher verletzt worden seien, hieß es.

Vizepräsident Fuat Oktay sprach am Abend von einem „Terroranschlag“. Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem „hinterhältigen Anschlag“ auf die Metropole, in der rund 16 Millionen Menschen leben.

Soylu: Auftrag in Kobane gegeben

Der Befehl für den Anschlag sei aus der nordsyrischen Stadt Kobane (Ain al-Arab) gekommen, sagte Innenminister Soylu, der Vergeltung ankündigte. Im Norden Syriens sind die türkischen Streitkräfte in den vergangenen Jahren mehrfach gegen die syrisch-kurdische Miliz YPG vorgegangen, die von Ankara als Ableger der PKK gesehen wird.

Türkischer Innenminister Suleyman Soylu
APA/AFP/Omar Haj Kadour
Innenminister Soylu macht die PKK und ihre syrischen Verbündeten für den Anschlag verantwortlich

Die verdächtige Person sei über die türkisch kontrollierte syrische Stadt Afrin in die Türkei geschickt worden. Kritik übte Soylu an den USA für deren Unterstützung des Militärbündnisses Demokratische Kräfte Syriens (SDF), dem auch die YPG angehört. Die SDF ist in Syrien im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aktiv.

Einkaufsstraße abgeriegelt

Nach der Detonation waren Rettungskräfte und Polizei in großer Zahl im Einsatz. Auf Bildern, die über soziale Netzwerke verbreitet wurden, waren auf dem Boden liegende Menschen zu sehen. Die Explosion löste sofort Panik unter den Besucherinnen und Besuchern der Einkaufsstraße aus.

Festnahmen nach Anschlag in Istanbul

Nach dem Anschlag mit sechs Toten in Istanbul hat die Polizei mehrere Festnahmen gemeldet.

Nach dem Anschlag gab es zahlreiche internationale Beileidsbekundungen, auch aus Österreich. Bundespräsident Alexander Van der Bellen versicherte den Bürgerinnen und Bürgern der Türkei und Istanbuls seine „aufrichtige Anteilnahme“. „Angesichts der schrecklichen Explosion diesen Nachmittag im Herzen von Beyoglu sind meine Gedanken bei den Familien der Opfer“, schrieb Van der Bellen auf Twitter.

Ähnlich äußerte sich auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der von einer „fürchterlichen Explosion“ sprach und den Verletzten rasche Genesung wünsche. Das Außenministerium schrieb auf Twitter von „grauenvollen Nachrichten“ aus Istanbul und übermittelte den Verletzten ebenfalls Genesungswünsche. Ihr „tiefes Mitgefühl“ den Opfern und deren Familien bekundete im selben Medium auch die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Parlament, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

Streit in NATO

Die PKK steht zudem im Mittelpunkt eines Streits um die NATO-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands. Ankara wirft vor allem Schweden vor, ein Zufluchtsort für „Terroristen“ zu sein, und forderte in einem im Juni mit Schweden und Finnland unterzeichneten Abkommen die Auslieferung mehrerer PKK-Mitglieder. Schweden und Finnland hatten sich infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine entschieden, einen Antrag auf NATO-Mitgliedschaft zu stellen.

Das NATO-Mitglied Türkei geht zudem regelmäßig militärisch gegen PKK-Stellungen im Norden des Irak und Syriens vor. Vergangenes Monat hatte die Opposition der türkischen Armee vorgeworfen, Chemiewaffen gegen PKK-Kämpfer einzusetzen. Die türkischen Behörden wiesen die Vorwürfe zurück.

Die Türkei und insbesondere Istanbul waren in den Jahren 2015 und 2016 Zielscheibe einer blutigen Anschlagsserie, für die überwiegend die der IS und kurdische Aktivisten verantwortlich gemacht wurden. 500 Menschen kamen ums Leben, mehr als 2.000 wurden verletzt.