Van der Bellen kritisiert Wögingers Vorstoß zu EMRK

Nachdem ÖVP-Klubobmann August Wöginger eine Überarbeitung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gefordert hatte, hat es am Wochenende viel Kritik gegeben. Nun meldete sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen via Twitter zu Wort.

Die EMRK sei aus dem „unendlichen Leid des 2. Weltkrieges und der Schoah entstanden“, so Van der Bellen. Sie sei eine große Errungenschaft der Menschlichkeit, ein Kompass der Humanität und gehöre zum Grundkonsens unserer Republik.

Sie infrage zu stellen löse keine Probleme, „sondern rüttelt an den Grundfesten, auf denen unsere Demokratie ruht. Solche vermeintlich einfachen Lösungen sind der falsche Weg. Wir sollten achtsam mit unseren Werten umgehen“, so der Bundespräsident.

„Nicht verhandelbar“

Wöginger hatte eine Überarbeitung gefordert, da die Konvention der aktuellen Flüchtlingssituation nicht mehr gerecht werde. Der Koalitionspartner, die Grünen, widersprach prompt dieser Darstellung, wie ORF.at berichtete. Nun bekräftigte das auch Justizministerin Alma Zadic (Grüne) auf einer Pressekonferenz. Die EMRK sei für die Grünen nicht verhandelbar.

Selbiges sagte auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Sie interpretierte Wöginger derart, dass dieser eine europäische Verständigung im Asylbereich angepeilt habe. Entsprechender Druck werde ja auch von Österreich aus auf EU-Ebene gemacht. Die EMRK sei ein „Living Instrument“, das immer wieder aufs Neue auszulegen sei. Sie wies aber auch darauf hin, dass Österreich als einziges Europaratsland die EMRK im Verfassungsrang habe.

SPÖ sieht „rote Linie überschritten“

Die SPÖ übte scharfe Kritik. „Für die ÖVP geht es immer weiter bergab und jedes Mal, wenn’s schlecht läuft und die Nervosität groß ist, versucht sie als Ablenkungsmanöver mit den Themen Asyl und Migration zu reüssieren“, meinte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung: „Dass die ÖVP jetzt mit ihrem Latein so am Ende ist, dass sie an den Menschenrechten rüttelt, ist ein neues Ausmaß an Ungeheuerlichkeit. Damit hat die ÖVP eine rote Linie überschritten.“

Es gebe vieles, was es in der Asylpolitik brauche, etwa Verfahrenszentren an den EU-Außengrenzen und schnellere Verfahren, so Deutsch weiter: „Weniger Menschenrechte gehören mit Sicherheit nicht dazu.“ Mit den Grünen gebe es deswegen wieder einmal Streit auf offener Bühne. „Türkis-Grün ist nur mehr mit gegenseitigen Blockaden, Regierungsstreit und Korruptionsvorwürfen beschäftigt – Bevölkerung und Wirtschaft bleiben dabei auf der Strecke“, meinte der SPÖ-Bundesgeschäftsführer.

NEOS: Ablenken vom eigenen Versagen

Ein „Ablenken vom eigenen Versagen“ in der Migrationspolitik ortete NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger im Vorstoß Wögingers. Die „Blender“ der vergangenen Jahre müssten jetzt einsehen, dass die angeblich geschlossenen Migrationsrouten „offen stehen“. Nötig seien europäische Lösungen, diese habe die ÖVP aber jahrelang „torpediert“. Illegale Routen müssten geschlossen und legale Fluchtwege geöffnet werden, verlangte die NEOS-Chefin bei einer Pressekonferenz.

Überhaupt stellte sich für Meinl-Reisinger die Frage, ob Wöginger bei seiner Ansage „vielleicht Gesetze verwechselt“ habe und statt der EMRK eigentlich die Genfer Flüchtlingskonvention meine. „Die EMRK einschränken zu wollen, halte ich für skurril“, so Meinl-Reisinger.

Scharfe Kritik der Caritas

Auch Caritas-Präsident Michael Landau hatte zuvor scharfe Kritik am Vorstoß Wögingers geübt. „Das Rütteln an Grund- und Menschenrechten halte ich für inakzeptabel“, so Landau.

Mehr dazu in religion.ORF.at