Ägyptische Sicherheitskräfte bei einer Demo
APA/AFP/Mohammed Abed
Klimakonferenz

UNO prüft Überwachungsvorwürfe

Die UNO geht auf der 27. Weltklimakonferenz (COP27) in Scharm al-Scheich Vorwürfen nach, denen zufolge es Überwachungsmaßnahmen und anderes Fehlverhalten ägyptischer Sicherheitskräfte gegeben habe. Entsprechende Hinweise kamen von Teilnehmenden aus der Zivilgesellschaft und auch aus der deutschen Delegation. Ägyptens COP27-Gesandter wies die Vorwürfe als „lächerlich“ zurück.

Die für Sicherheit auf der Konferenz zuständige UNO-Abteilung teilte am Montag mit, sie sei „auf Vorwürfe hingewiesen worden“, wonach es Verstöße gegen Verhaltensregeln gegeben habe. Das werde nun geprüft. „Wir haben uns darüber beklagt, dass wir uns beobachtet gefühlt haben“, hieß es zuvor aus deutschen diplomatischen Kreisen. Es habe in der Sache Gespräche auf Arbeitsebene mit der ägyptischen Seite gegeben, die Adressat der Beschwerde war.

Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es zudem: „Wir erwarten, dass alle Teilnehmenden der UNO-Weltklimakonferenz unter sicheren Rahmenbedingungen arbeiten und verhandeln können.“ Das gelte „nicht nur für die deutsche, sondern für alle Delegationen sowie für die Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft und der Medien“.

Die Vizedirektorin der den deutschen Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung, Liane Schalatek, sagte, sie fühle sich auf der Konferenz „beobachtet“. Als ein Beispiel nannte sie das gezielte Filmen von Teilnehmenden, die sich auf Veranstaltungen zu Wort melden. Sie äußerte den Verdacht, dass damit möglicherweise Aufzeichnungen über die Betroffenen angefertigt würden.

Menschen vor COP27-Logo
Reuters/Mohamed Abd El Ghany
Im ägyptischen Scharm al-Scheich hat am 6. November die 27. UNO-Klimakonferenz (COP27) begonnen

Berichte: Teilnehmende auffällig fotografiert und gefilmt

In den vergangenen Tagen hatte es auf der Klimakonferenz von der deutschen Delegation organisierte Veranstaltungen gegeben, bei denen auch die Lage der Menschenrechte in Ägypten ein Thema war, insbesondere das Schicksal des inhaftierten Aktivisten Alaa Abdel Fattah, der sich im Hungerstreik befindet, laut seiner Familie jedoch inzwischen wieder Wasser trinkt.

Dabei waren Teilnehmende, die sich dazu äußerten, von Unbekannten in auffälliger Weise fotografiert und gefilmt worden. Die Vorwürfe zielen darauf, dass es sich dabei um ägyptische Sicherheitskräfte gehandelt haben dürfte. Eine Bestätigung gab es dafür jedoch nicht. Es gab Hinweise, wonach ähnliche Vorfälle auch auf einigen Veranstaltungen anderer Delegationen registriert wurden.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf drei mit der Angelegenheit vertraute Personen, die deutsche Polizei habe die Delegation ihres Landes auf dem Gipfel in Ägypten gewarnt, dass ihre Mitglieder möglicherweise von ägyptischen Sicherheitsbeamten ausspioniert würden.

COP27-Gesandter weist Vorwürfe zurück

„Das erscheint lächerlich, da es sich um eine offene Veranstaltung handelt, warum sollte es also bei einer offenen Veranstaltung, zu der jeder Zutritt hat, eine unerwünschte Überwachung geben?“, sagte Wael Aboulmagd, Sonderbeauftragter für die COP27-Präsidentschaft, auf einer Pressekonferenz. Zudem habe er „nichts dergleichen von der deutschen Delegation bekommen“. Er habe nur Medienberichte gesehen, die aber „vage“ und meistens „ungenau“ seien.

Er sagte, einige Delegierte aus Entwicklungsländern betrachteten die Berichte zu diesem Thema als „offensichtlich absichtliche Ablenkung“, da sie das Gefühl hätten, dass die reicheren Länder versuchten, ihre Verpflichtungen zur Bekämpfung des Klimawandels zu verwässern. „Andere Delegationen, insbesondere aus den Entwicklungsländern, sagen, dass dies eine Ablenkung zu sein scheint“, sagte er.

NGO kritisiert Massenüberwachung

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) beklagte zudem generell eine Massenüberwachung durch Kameras in Scharm al-Scheich, die auch in Hunderten von Taxis installiert sind. Als problematisch eingestuft wurde zudem eine von den ägyptischen Behörden angebotene Smartphone-App, die unter anderem ein Abrufen des jeweiligen Standorts des Telefonnutzers ermöglicht.

Zudem soll es im Vorfeld der COP27 landesweit bereits zu mehr als 300 Festnahmen gekommen sein. Diese dürften im Zusammenhang mit angekündigten Protesten gestanden sein, die das Gastgeberland nicht tolerieren will. Dutzenden Personen wurden die Verbreitung von Falschnachrichten und Missbrauch sozialer Netzwerke sowie die Beteiligung an terroristischen Gruppen vorgeworfen. Von offizieller Seite gab es keine Bestätigung, allerdings kursierten entsprechende Berichte in lokalen Medien, von Anwälten und Nichtregierungsorganisationen.

Wasserknappheit und Sponsoring sorgten für Kritik

In den ersten Tagen der COP27 mit ihren Tausenden Teilnehmenden aus aller Welt hatte es zudem Probleme mit der Wasserversorgung auf dem Konferenzgelände gegeben – bei vielen Wasserspendern gab es bereits am zweiten Tag der Konferenz keinen Nachschub mehr. Damit hatten die Teilnehmenden nicht gerechnet – auch wenn Wasser in der Wüstenlandschaft der Sinai-Halbinsel grundsätzlich knapp ist und auch in anderen Landesteilen Ägyptens das Problem im Zuge des Klimawandels zunimmt.

Käuflich zu erwerben waren hingegen Limonaden des Getränkeriesen Coca-Cola. Der US-Konzern gehört zum Unmut vieler Umweltaktivistinnen und -aktivisten zu den Sponsoren der Weltklimakonferenz. Umweltschützer werfen dem Unternehmen schon lange vor, drastisch zur weltweiten Plastikverschmutzung beizutragen.

Von Ukraine-Krieg überschattet

Die COP27 wird vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und wachsenden Spannungen zwischen den beiden größten Treibhausgasemittenten China und USA überschattet. Bis zum 18. November ringen bei der Klimakonferenz mehr als 190 Staaten um ehrgeizigere Klimaschutzzusagen. Bisher reichen die nationalen Selbstverpflichtungen bei Weitem nicht aus, um die Erderhitzung wie im Pariser Klimaabkommen vorgesehen auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Grafik zu den Szeneren der Erderwärmung bis 2100
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: climateactiontracker.org

Ein weiterer strittiger Punkt ist die finanzielle Unterstützung von Entwicklungsländern bei Klimaschutzmaßnahmen und Maßnahmen zur Anpassung an die Erderhitzung. Hierbei hinken die Industriestaaten ebenfalls ihren Versprechen hinterher. Zudem sind die Erwartungen groß, dass bei der COP27 endlich auch bereits eintretenden Klimaschäden in den Entwicklungsländern Rechnung getragen wird. Diese bereits eintretenden klimabedingten Verluste und Schäden werden in Scharm al-Scheich unter dem Stichwort „Loss and Damage“ diskutiert.

Mit Beginn der entscheidenden Woche der COP27 hat nun Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) ihre Rolle als EU-Verhandlungsführerin eingenommen. „Was wir brauchen, ist ein gerechter Übergang von der auf fossilen Rohstoffen basierenden Wirtschaft zu einer Wirtschaft, die zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist wird“, sagte Gewessler am Montag. Die Lösungen seien bekannt, nun müsse die Staatengemeinschaft zügig mit der Umsetzung starten.