Schlammentfernung am ausgetrockneter Neusiedlersee
ORF/Daniel Schrott
Neusiedler See

Wasserstand weiterhin extrem niedrig

Der Wasserstand des Neusiedler Sees ist immer noch extrem niedrig. Nach dem heißen Sommer hat auch der Herbst bisher nicht den erhofften Regen gebracht. Es brauchte einen sehr feuchten Winter, damit im nächsten Sommer die Probleme nicht noch größer werden als heuer. Für den Zicksee erscheint die Lage noch düsterer.

Im Sommer war der Neusiedler See weit über die Grenzen Österreichs hinaus in den Schlagzeilen, der niedrigste Wasserstand seit Jahrzehnten hatte für Aufregung bei Touristikern, in der Politik und bei Naturschützern gesorgt. In den letzten Wochen ist es etwas ruhiger geworden um den See, und jetzt im Spätherbst legt sich manchmal dichter Nebel über den See und lässt die Grenzen verschwimmen.

Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass dem See nach wie vor viel Wasser fehlt: Die Strände sind breiter, die Stege ragen weit aus dem Wasser, und die Schilfpflanzen stehen zum Teil im Trockenen. Mehr als ein halber Meter Wasser fehlt, enorm viel angesichts einer durchschnittlichen Tiefe von eineinhalb Metern in Normaljahren.

Schlammentfernung am ausgetrockneter Neusiedlersee
ORF/Daniel Schrott
In der Marina in Illmitz wurde in den letzten Wochen Schlamm abgesaugt, damit die Boote wieder vom Hafen auf den See fahren können

Fatale Kombination aus Hitze und Trockenheit

Der Neusiedler See ist ein Steppensee, der westlichste in Europa. Er wird hauptsächlich durch Niederschlag gespeist, die Zuflüsse wie Wulka und Wolfsbrunnbach spielen eine geringe Rolle. Fehlen so wie heuer Regen und Schnee, sinkt der Wasserspiegel. Hierbei spielt die Verdunstung in Kombination mit dem Wind im Sommerhalbjahr eine zentrale Rolle. An heißen Sommertagen kann ein Zentimeter Wasser verdunsten.

Im immer wärmeren Klima nimmt die Verdunstung zu, und 2022 zählt zu den bisher heißesten Jahren, seit es in Österreich Messungen gibt, so die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Eine fatale Kombination, die im Sommer zu Wassertemperaturen von teilweise über 30 Grad geführt hat. Dadurch ist der Sauerstoffgehalt im See gesunken und es kam zu Fischsterben. Verendet sind vor allem Zander und Sichling, die kühleres Nass bevorzugen – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Schlammentfernung am ausgetrockneter Neusiedlersee
ORF/Daniel Schrott
Der Schilfgürtel bei Illmitz liegt nach wie vor trocken

Seit 15 Monaten zu trocken

Im Schnitt fallen im Gebiet des Neusiedler Sees pro Jahr knapp 600 Liter Niederschlag auf den Quadratmeter. Heuer hat es an der Wetterstation der ZAMG in Neusiedl bisher lediglich 350 Liter pro Quadratmeter und in Podersdorf gar nur 332 Liter pro Quadratmeter geregnet. Die Trockenheit hat im Nordburgenland bereits letztes Jahr begonnen. In vielen Orten hat es nun schon 15 Monate hintereinander weniger geregnet als normal, in Summe gehen der Region bereits 200 bis 300 Liter Wasser pro Quadratmeter ab.

Nur im Jahr 2003 hat es im Zeitraum Jänner bis November noch etwas weniger geregnet als heuer. Aus diesem Jahr stammte auch der niedrigste Wasserstand des Neusiedler Sees seit Beginn der Messungen 1965 – dieser war bis heuer gültig. Denn dieser Negativrekord wurde 2022 noch einmal deutlich unterschritten.

So schnell kein ergiebiger Regen

Der Wasserspiegel ist heuer bis in den Oktober hinein gesunken und seither erst wenige Zentimeter gestiegen. Der Pegel liegt jetzt bei 114,9 Metern über der Adria. Die aktuellen Wetterprognosen machen wenig Hoffnung auf einen baldigen deutlichen Anstieg des Wasserstands. Zwar wird es in dieser Woche das eine oder andere Mal regnen, doch große Mengen sind nicht in Sicht, so die ORF-Wetterredaktion.

Extrem niedrig sind auch nach wie vor die Grundwasserstände im Nordburgenland, was eine Folge der geringen Niederschlagsmengen und der Bewässerung in der Landwirtschaft im Sommer ist. Und die Wulka, der wichtigste Zufluss des Neusiedler Sees, führt mit nur 0,3 Kubikmetern pro Sekunde seit Monaten schon auch nur ein Drittel der durchschnittlichen Wassermenge in den See.

Das jährliche Minimum des Wasserstandes wird üblicherweise im September und Oktober erreicht, über den Winter steigt der Neusiedler See im Schnitt rund 20 Zentimeter an. Er erreicht dann Anfang April seinen jährlichen Höchststand, bevor der See im Sommer durch die Zunahme der Temperatur und Verdunstung wieder sinkt.

Grafik zeigt Langzeitvergleich Wasserstand am Neusiedlersee seit 1965
Screenshot/wasser.bgld.gv.at
Der Wasserstand im Jahr 2022 (blau) liegt deutlich unter den bisherigen Aufzeichnungen seit dem Jahr 1965

Nächster Sommer kann schwieriger werden

„Im heurigen Sommer kam die Linienschifffahrt noch mit einem blauen Auge davon“, so Roman Drescher, Geschäftsführer der Schifffahrtsgesellschaft Drescher Line in Mörbisch. Der Wasserstand habe noch ausgereicht, um in seinem Betrieb alle Fahrten durchzuführen: „Viel Luft war aber nicht mehr.“ Sorgen, wie es nächstes Jahr wird, macht sich Drescher noch nicht, er hofft aber auf ergiebigen Regen im Winter und Frühling.

Wenn der Wasserspiegel über den Winter nicht deutlich steigt, kann der nächste Sommer ein noch schwierigerer werden als heuer, meint Drescher. Langfristig werde es ohne künstlichen Zufluss nicht mehr gehen. Damit spricht er die geplante Zuleitung aus der Moson-Donau aus Ungarn oder eine Verbindung zur Donau in Niederösterreich an.

Kurzfristig kann nur Niederschlag helfen, um das Ruder herumzureißen. Gut 300 Liter Niederschlag pro Quadratmeter benötigt der See, um auf den Pegelstand des heurigen Frühjahrs zu kommen – und der war bekanntlich schon sehr niedrig. Normalerweise fallen von Dezember bis Anfang April am Neusiedler See nur etwa 150 Liter pro Quadratmeter. Um den mittleren Wasserstand zu erreichen, brauchte es über den Winter sogar rund 600 Liter Regen pro Quadratmeter – eine nur sehr schwer vorstellbare Menge.

Ausgetrockneter Zicksee
ORF/Daniel Schrott
Trockenrisse statt Wasser – der Zicksee ist nach wie vor trocken

Zicksee noch immer ausgetrocknet

Östlich des Neusiedler Sees im Seewinkel ist die Situation auch nicht gerade rosig – in den wenigsten Lacken befindet sich derzeit Wasser. Der Zicksee, früher ein beliebter Badesee und im heurigen Sommer völlig ausgetrocknet, hat sich noch immer nicht neu gebildet. Wo früher Wasser war, gibt es nach wie vor tiefe Trockenrisse im ehemaligen Schlamm, es wirkt wie ein Steinbruch für Pflastersteine.

In dieser unwirtlichen Mondlandschaft finden sich allerhand Gerätschaften früherer Tage: Paddel, Finnen und Anker, dazu kommt noch Müll von Badegästen – etwa Flaschen und Dosen. Doch die Natur ist dabei, den Zicksee zu erobern: Er wird grün, alle paar Meter treiben schon Pflanzen aus. Ob und in welcher Größe sich der See im Winter wieder bildet, ist abhängig vom Niederschlag. Sowohl beim Zicksee als auch beim Neusiedler See entscheiden Winter und Frühling über das Schicksal im nächsten Sommer.