Blick auf Salzburg und Berge im Winter
APA/Barbara Gindl
Erste Prognose

Vieles spricht für milden Winter

Wie sehr wird man im Winter frieren, wie viel heizen müssen? Selten hatten Langfristprognosen eine solche Wichtigkeit und Tragweite wie heuer, angesichts hoher Energiepreise und Rekordinflation. Die Wettermodelle berechnen einen eher milden Winter, und die Statistik spricht auch dafür.

Dieses Wochenende schaut in manchen Teilen Österreichs der Winter vorbei, am Samstag fällt besonders in Niederösterreich der erste Schnee, etwa im Waldviertel. Bisher hat das Wetter die Geldbörse aber geschont. Die Kälte hat im Herbst einen weiten Bogen um Österreich gemacht, viele Heizungen mussten nur auf Sparflamme laufen oder blieben im gut gedämmten Neubau zum Teil sogar bis jetzt abgedreht. Nach dem wärmsten Oktober der Messgeschichte ist auch der November bisher rund drei Grad zu mild.

Wahrscheinlich steht auch kein extrem kalter Winter bevor. Die aktuelle Saisonprognose des Copernicus-Klimawandeldienstes der EU spricht für Dezember, Jänner und Februar eine relativ klare Sprache. In dieser Berechnung werden die Saisonprognosen mehrerer Rechenzentren verglichen, darunter die des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) und die des britischen Wetterdienstes Met Office.

Grafik zur Temperaturprognose im Dezember 2022
climate.copernicus.eu
Aktuelle Saisonprognose des Copernicus-Klimawandeldienstes für Dezember, Jänner und Februar: Fast überall dürfte es milder werden als normal.

Mild, aber mit Einschränkung

In weiten Teilen Europas, Österreich eingeschlossen, sollen die Temperaturen 0,5 bis ein Grad über dem Mittel der Periode 1993 bis 2016 liegen, noch milder wird der Winter für Skandinavien, das Baltikum und Russland berechnet. Die Genauigkeit dieser Langzeitprognosen ist zwar begrenzt anders als die normale Wetterprognose für die nächsten Tage, dennoch ist die Richtung klar.

Da es sich bei den Werten um ein Dreimonatsmittel handelt, schließt die Prognose aber auch längere Kältewellen und selbst im Flachland stärkere Schneefälle nicht aus. In den drei Monaten kann schließlich viel passieren. Saisonprognosen geben klimatische Tendenzen in einem größeren Gebiet und für einen längeren Zeitraum wieder und prognostizieren nicht Einzelereignisse für einen bestimmten Ort.

Die Krux mit dem Mikroklima

Zudem nimmt Österreich mit seiner speziellen Topografie durch die Alpen anders als landschaftlich einheitliche Länder wie Deutschland und Polen eine Sonderstellung ein. Gerade im Winter führen die Alpen dazu, dass sich manche Täler und Becken vom allgemeinen Wetter entkoppeln können und ihr Mikroklima ausbilden.

Kalte Luft ist schwerer als warme und sammelt sich an der tiefsten Stelle, und das sind die Täler und Becken. Es bedarf nicht viel mehr als einer Schneedecke und ein paar klarer Nächte, dann gibt es in Kältepolen wie Radstadt (Salzburg), Defereggen (Osttirol) und Zeltweg (Steiermark) regelmäßig an die minus 15 Grad, während es außerhalb der Alpen, etwa in Linz, Bregenz und Wien, frostfrei sein kann.

Entscheidend ist die Strömungsrichtung

Wie kalt oder mild ein Winter wird, entscheidet sich in Mitteleuropa durch die vorherrschende Strömungsrichtung der Luft. Durch den Golfstrom, die „Wärmepumpe und Heizung“, ist es in Europa viel milder als in vergleichbaren Breitengraden in Nordamerika und Russland.

Derzeit sind die Meere um Europa, von der Ost- und Nordsee über den Atlantik bis ins Mittelmeer, bis zu vier Grad wärmer als normalerweise Mitte November. Die Meere spielen auch in den Saisonprognosen eine wichtige Rolle, die Modelle berechnen Wassertemperaturen und Wasserströmungen, um den Energieaustausch zwischen Ozean und Atmosphäre langfristig abzuschätzen.

Wassertemperatur im Mittelmeer am 8. und 9.8.2022 (Tagesdurchschnitt in 0,5 Meter Tiefe) gemäß dem Modell „Global Ocean 1/12° Physics Analysis and Forecast“ des Copernicus Marine Service

Kommt allerdings die Luft auf direktem Weg aus Russland nach Österreich, also mit einer Ostströmung, gibt es auch im Flachland immer wieder Kältewellen und Dauerfrost. Der Kaltlufteinbruch am Samstag in Ostösterreich ist so ein Fall, wenngleich kein allzu heftiger. Russland hat ein kontinentales Klima und kühlt im Herbst mit schwächer werdender Sonne rasch aus. Die Kälte in Russland ist schon dabei sich zu bilden, in Sibirien werden schon seit Tagen unter minus 20, teils sogar unter minus 30 Grad gemessen.

Winter werden zunehmend milder

Ein milder Winter wäre aber keine wirkliche Überraschung, sondern nur eine logische Konsequenz – Stichwort Klimakrise. Der Winter hat sich in Österreich von allen Jahreszeiten am stärksten erwärmt. Die letzten Winter waren im Tiefland schon über drei Grad wärmer als etwa in den 1960er Jahren. Der bisher wärmste Winter war 2006/2007, gefolgt 2019/2020. Besonders kalt war dagegen der Winter 1962/1963, als Bodensee, Attersee und Traunsee das bisher letzte Mal komplett zufroren. Im damaligen Winter lag in Innsbruck und Graz von Mitte November bis Mitte März durchgehend Schnee.

Überraschungen trotzdem möglich

50 Prozent des durchschnittlichen Energieverbrauchs eines Haushalts in Österreich werden fürs Heizen verwendet. Ein milder Winter hilft beim Energiesparen, und das Ziel der von der Bundesregierung ausgegebenen „Mission 11“ kann leichter erreicht werden. Um elf Prozent soll ja der Energieverbrauch sinken. Vieles deutet auf einen eher milden Winter 2022/23 hin, Überraschungen sind trotzdem möglich.

Auch in einem relativ milden Winter kann es zumindest regional viel schneien. Im Winter vor zwei Jahren versanken Osttirol und Oberkärnten nahezu im Schnee. Letztes Jahr hatte das Klagenfurter Becken lange Schnee und Dauerfrost. Für heuer berechnet der Copernicus-Klimawandeldienst der EU einen vergleichsweise trockenen Westen Europas von Frankreich bis Deutschland, dafür einen überdurchschnittlich feuchten Mittelmeer-Raum. Etwas von diesen Niederschlägen im Süden wird wohl mit dem einen oder anderen Italien-Tief auch seinen Weg nach Österreich finden.