Schwangere Frau mit Mutter-KInd-Pass
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Mehr Angebote und digital

Neuer Eltern-Kind-Pass soll 2024 kommen

Fast 18 Monate nach Beschluss einer Reform des Mutter-Kind-Passes und zahlreichen Debatten dazu ist es nun fix: Aus dem Pass wird mit 2024 ein digitaler Eltern-Kind-Pass, das Leistungsspektrum wird um zusätzliche Untersuchungen und Beratungsangebote erweitert.

Der Mutter-Kind-Pass wird laut Plan 50 Jahre nach seiner Einführung 1974 durch den neuen Pass abgelöst, wie die Bundesregierung am Mittwoch in einer Aussendung bekanntgab. Gleichzeitig soll der zuletzt entflammte Konflikt zwischen Österreichischer Ärztekammer (ÖÄK) und Sozialversicherung wegen der aus Sicht der Mediziner und Medizinerinnen zu niedrigen Tarife für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gelöst werden. Er werde mehr Geld geben, kündigte die Regierung am Mittwoch an.

Der Pass, bisher in seiner bekannten Form als kleines gelbes Buch, hat erheblich zur Reduzierung der Säuglingssterblichkeit beigetragen. In Österreich werden jährlich rund 80.000 Kinder geboren, 50.000 davon sind Erstgeburten. Die im Mutter-Kind-Pass vorgeschriebenen Untersuchungen sind verpflichtend, um das Kinderbetreuungsgeld vollständig zu erhalten. Eltern sollen derart keine Untersuchung auslassen können.

Zusätzliche Untersuchungen und Beratungsangebote

Mit der Reform wird das Leistungsspektrum erweitert: um eine psychosoziale Beratung, ein weiteres, laut Presseaussendung vom Mittwoch freiwilliges Hebammengespräch vor der Geburt, eine zusätzliche Ultraschalluntersuchung und ein zusätzliches Hörscreening für Neugeborene sowie wenn notwendig weitere Laboruntersuchungen.

Eine Ärztin untersucht ein Baby
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Die Untersuchungen für den Mutter-Kind-Pass sind verpflichtend, nun sollen zusätzliche Angebote hinzukommen

Auch das Angebot einer Elternberatung sowie einer Ernährungs- und Gesundheitsberatung werden aufgenommen, kündigten Frauen- und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) im Pressefoyer nach dem Ministerrat an.

Digital, vernetzt und vor Verlust geschützt

Außerdem würden der Pass digitalisiert und die zuständigen Ministerien in einem eigenen System vernetzt, ergänzte Florian Tursky (ÖVP), Staatssekretär im Finanzministerium. Dafür sind einmalig zehn Mio. Euro aus EU-Mitteln vorgesehen. Die Arbeiten dazu starten im kommenden Jahr. Mit der Digitalisierung soll die Dokumentation der Untersuchungsergebnisse deutlich verbessert werden. So können Befunde zwischen behandelnden Ärzten und Ärztinnen sowie Hebammen in elektronischer Form leichter weitergegeben werden.

Statement von Gesundheitsminister Johannes Rauch (ÖVP)

Nach etwa eineinhalb Jahren Vorlaufzeit präsentierte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) gemeinsam mit Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) die Pläne für den neuen Eltern-Kind-Pass, der ab 2024 den Mutter-Kind-Pass ablösen soll.

Die Digitalisierung verbessert auch die Absicherung bei einem Verlust des Passes. Der Mutter-Kind-Pass steht in Österreich bisher nur in Papierform zur Verfügung. Geht er verloren, müssen die Ergebnisse von Untersuchungen und Beratungen neu angefordert werden. Auch mehrsprachige Informationen können den jungen Eltern in digitaler Form einfacher angeboten werden.

„Kompass“ für neuen Lebensabschnitt

Die künftigen Elternberatungen sollen von den 400 bereits bestehenden Familienberatungsstellen durchgeführt werden. Sie sollen Themen wie Elternzeit, Karenz, Kinderbetreuungsgeld, Papamonat, Auswirkungen von Teilzeit auf die Pension, Pensionssplitting und den Wiedereinstieg in den Job beinhalten.

„Ich freue mich, dass wir die kostenfreien Leistungen, die im Rahmen des Mutter-Kind-Passes erfüllt werden müssen, erweitern und nun einen modernen und digitalisierten Eltern-Kind-Pass vorstellen. Neben den Leistungen im Bereich der Gesundheitsvorsorge werden wir eine Elternberatung einführen, die ein Kompass für den neuen Lebensabschnitt frischgebackener Eltern sein soll“, so Raab.

Das Jahresbudget für die Leistungen des Mutter-Kind-Passes liegt bisher bei rund 62 Millionen Euro. Zwei Drittel kommen aus Mitteln des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF), ein Drittel von der Krankenkasse. Die Ausgaben für die zusätzlichen Leistungen sind abhängig von der Inanspruchnahme von Beratungen sowie von Honorarverhandlungen mit den Leistungsträgern. Der Ministerratsbeschluss sieht vor, dass die Kasse dazu Verhandlungen mit der Ärztekammer führt.

Konflikt über Honorare entschärft

Die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer hatte zuletzt einen Beschluss gefasst, wonach die Kündigung des Mutter-Kind-Passes als Kassenleistung mit Jahresende ausgesprochen werde, wenn es bis dahin keine Einigung auf höhere Tarife geben sollte. Rauch bekräftigte, dass es höhere Tarife geben werde. Er könne den Verhandlungen nicht vorgreifen, diese seien Sache der Sozialversicherung. Aber „man wird sich einigen“, so Rauch.

Er bezeichnete die Reform als „großen Wurf“. „Es ist uns gelungen, alle Interessen und Wünsche unter ein Dach zu bekommen und in die Gesundheit von Eltern und Kindern maßgeblich zu investieren.“ Der Mutter-Kind-Pass sei „seit Jahrzehnten ein essenzieller Bestandteil der Gesundheit von Müttern und Kindern in Österreich“, so Rauch in der Aussendung seines Ministeriums. „Jetzt haben wir es gemeinsam geschafft, dieses wichtige Instrument in einer zeitgemäßen Form weiterzuentwickeln.“ Der Beschluss zur Reform war im Juni des Vorjahres gefallen.

„Mit uns hat keiner über diese Änderung gesprochen“

Die Ärztekammer reagierte grundsätzlich positiv auf die Vorstellung der Pläne. Einen zentralen Punkt allerdings, so deren Präsident Johannes Steinhart, habe man ausgespart, die Valorisierung der Honorare. Dazu gebe es keine konkreten Angaben, „nur die Ankündigung von Verhandlungen und das vage Bekenntnis, dass die Leistungen ‚angemessen‘ bezahlt werden sollen“, so der ÖÄK-Präsident in einer Aussendung.

Die Ärztekammer Oberösterreich, die bereits angekündigt hat, den Vertrag zum Mutter-Kind-Pass zum 30. Juni 2023 aufzukündigen, sollte es keine neue Tarifeinigung geben, zeigte sich erstaunt: „Wir wissen leider von nichts“, so Thomas Fiedler, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in OÖ und Bundesfachgruppenobmann für Frauenheilkunde und Geburtenhilfe.

„Mit uns hat keiner über diese von der Politik medienwirksam angekündigten Änderungen gesprochen.“ Nachdem es lange keine Gesprächsbereitschaft der zuständigen Behörden gegeben habe, wolle man nun mit Schnellschüssen punkten, befürchtet er und appelliert, dass der Mutter-Kind-Pass nicht zu einem Politikum werden dürfe.

Kritik von SPÖ und NEOS

Kritisch reagierte SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner. Sie vermisst eine Budgetierung der zusätzlichen Leistungen sowie einen konkreten Fahrplan zur Umsetzung. „Der Ansatz zu einer Beratung über eine partnerschaftliche Teilung der Familienarbeit ist gut, aber wie sieht die Umsetzung aus? Wer macht das und mit welchen personellen und organisatorischen Ressourcen? Wenn am Schluss nur ein Folder überbleibt, in dem das Pensionssplitting beworben wird, dann ist das kein großer Wurf“, meint die SPÖ-Frauenvorsitzende.

SPÖ-Familiensprecherin Petra Wimmer warf der Regierung vor, einmal mehr den „Ankündigungsstil“ zu praktizieren. „Seit mehr als vier Wochen werden die Eltern beim Thema Mutter-Kind-Pass verunsichert. Es gibt nach wie vor keine Einigung mit der Ärztekammer. Im Budget sind weder Mittel für die Erhöhung der Honorare noch für den Ausbau des Mutter-Kind-Passes vorgesehen.“

NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard sah die Ankündigung der Regierung als Ablenkungsmanöver. ÖVP und Grüne würden versuchen darüber hinwegzutäuschen, „dass es nach wie vor mit den Ärzten keine Einigung über die Honorare gibt“. „Das peinliche Gezerre und die fehlende nachhaltige Finanzierung zeigt einmal mehr, dass die Regierung ihr Handwerk einfach nicht beherrscht“, so Bernhard.