Eingang zu Legoland Südkorea
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Finanzturbulenzen

Südkorea kämpft mit „Legoland-Krise“

Südkorea kämpft aktuell mit einer eher ungewöhnlichen Finanzkrise. Auslöser waren Zahlungsprobleme eines Legoland-Themenparks. Schon dessen Bau stand offenbar unter keinem guten Stern, die Kalkulation hielt nicht. Nun konnte der Betreiber Anleihen, über die das Projekt zu einem guten Teil finanziert worden war, nicht mehr bedienen. Was folgte, war eine Art Kettenreaktion.

Zuletzt kündigte das südkoreanische Finanzministerium laut einem Pressebericht an, umgerechnet mehr als 30 Mrd. Euro in den nationalen Geldmarkt zu pumpen und Unternehmensanleihen in großem Stil aufzukaufen. Damit solle vermieden werden, dass die „Legoland-Krise“ weitere Kreise in den südkoreanischen Finanzmarkt zieht, wie es im „Korea Herald“ hieß.

Die Pläne für den Themenpark nahe der Stadt Chuncheon in der Provinz Gangwon gab es seit 2010. Der Bau verzögerte sich allerdings mehrfach. Laut einem Bericht des US-Außenpolitikmagazins „Foreign Policy“ bremsten zuerst archäologische Funde seine Errichtung. Später gab es Vorwürfe von Bestechung und illegalen Provisionen. Schließlich öffnete „Legoland Korea“ Anfang Mai seine Pforten.

Scheinbar beste Voraussetzungen

Für den Bau des Freizeitparks war laut internationalen Medienberichten ein Entwicklerkonsortium gegründet worden, die Gangwon Jungdo Development Corp. (GJC), zu 44 Prozent in Händen der Provinzregierung und laut „Foreign Policy“ zu 22,5 Prozent im Eigentum der Merlin Entertainments Group, des britischen Unternehmens, das die Rechte an Legoland hält. Die Themenparks sind dem bekannten Spiel mit den bunten Steinen nachempfunden. Merlin betreibt Dutzende Freizeitparks weltweit und beschäftigt mehr als 20.000 Menschen in über 20 Ländern.

Lego Flagge auf Gebäude
Reuters/Yonhap News Agency
Die Umsetzung des Projekts dauerte länger als geplant, die Einnahmen blieben hinter den Erwartungen

Für den Bau des Parks in Südkorea habe die GJC über eine Tochtergesellschaft Anleihen, Bonds, im Wert von 205 Mrd. Won (umgerechnet knapp 150 Mio. Euro) begeben, so das US-Magazin. Besichert seien diese mit den Grundstücken, auf denen der Themenpark steht, und weiteren im Umkreis gewesen. Außerdem habe es eine Garantie der Provinzregierung von Gangwon gegeben. Die nationale Ratingagentur Korea Investor Service habe den Anleihen mit A1 die höchstmögliche Bonität für Unternehmensanleihen attestiert.

Alles andere als eine sichere Bank

Was nach sicherer Bank klang, war es aber am Ende nicht. Legoland Korea habe „von Beginn an“ mit Problemen zu kämpfen gehabt. Die Provinz Gangwon-do liegt im Nordosten des Landes, ist eine wichtige Bergbauregion, aber sie ist auch Skiregion und bei Koreanerinnen und Koreanern ein beliebtes Ausflugsgebiet. Dennoch: zu weit weg von der Hauptstadt Seoul und laut „Foreign Policy“ der Vergnügungspark außerdem zu teuer für sein Angebot.

Die Soyanggang-Brücke in der Nähe der südkoreanischen Stadt Chuncheon
IMAGO/PantherMedia/Najmul Hasan
Chuncheon liegt etwas abgelegen im Nordosten des Landes

Der Park habe zu wenig Umsatz gemacht, um die Zinsen für die Bonds zahlen zu können. Als dann auch noch die Immobilienpreise nachgegeben hätten und der Wert der Besicherung gesunken sei, hätten die Probleme richtig begonnen, als das erste Fälligkeitsdatum Ende September da war. GJS habe beim Emittenten seiner Anleihen um Aufschub angesucht.

„Dann kam das Desaster“

„Dann kam das Desaster“, schrieb das US-Magazin. „Aus heiterem Himmel“ habe sich der neu gewählte Gouverneur der Provinz, Kim Jin-Tae, von den Garantien distanziert. Plötzlich stand eine Insolvenz der Betreibergesellschaft im Raum, Mitte Oktober wurde bei den Anleihen aus „A1“ „Ramsch“. Der Schritt Kims sei absolut unnötig gewesen, nicht nur, dass er erst selbst ein Befürworter des Projekts gewesen sei, habe er mit seiner Ansage das Vertrauen in den Anleihenmarkt des Landes schwer beschädigt. Das „Wall Street Journal“ schrieb von „Panik“ und einem „Abverkauf“ auf dem Anleihenmarkt.

Die Summe, um die es ging, sei keineswegs astronomisch gewesen, berücksichtige man das Jahresbudget der Provinz mit ihren über 1,5 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern von umgerechnet rund 12,5 Mrd. Euro. Außerdem hätte die Regionalregierung die knapp 150 Mio. Euro nicht sofort und auf einmal zahlen müssen.

Kleine Ursache mit großer Wirkung

Wie auch immer, das Risiko wäre begrenzt gewesen. Aber: Der Gouverneur habe – entgegen dem bisherigen Usus, dass auf eine Regierungsgarantie absolut Verlass sei – mit seinem Schritt gezeigt, dass sich eine solche „aus einem rein politischen Grund“ in Luft auflösen könne. Insofern war das Erdbeben auf dem südkoreanischen Finanzmarkt kein Wunder, Kims Entscheidung in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation mit überall steigenden Zinsen „nahezu selbstmörderisch“, wenn Unternehmen mit ihrer Finanzierung kämpfen.

Emissionen, etwa für den Wohnbau, seien abgeblasen worden, das Vertrauen in den Anleihenmarkt schwer beschädigt worden. Das Land kämpft mit einer Liquiditätskrise. Neben der südkoreanischen Regierung pumpten laut Presseberichten der letzten Tage auch die Bank of Korea und fünf weitere große Kreditinstitute Geld in den Finanzmarkt, um die Lage zu stabilisieren, umgerechnet über 100 Mrd. Euro. Die Maßnahmen hätten zwar für Ruhe gesorgt, aber ganz vorüber sei die Gefahr noch nicht.

Eine „absurde Krise“

In Pressberichten war von einer „absurden Krise“ die Rede, nicht nur was den Auslöser betrifft. Ein Freizeitpark stürzt nicht jedes Jahr eine ganze Volkswirtschaft in Turbulenzen. Absurd an der Situation, schrieb „Foreign Policy“, sei auch, dass die Notenbank Bank of Korea einerseits die Zinsen stark erhöht hat, um die Inflation zu bremsen und Liquidität aus dem Markt zu nehmen, und gleichzeitig Milliarden hineinpumpt, um einen wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern. Die Frage ist, ob sie eine andere Wahl gehabt hätte.

Gouverneur als „südkoreanische Liz Truss“

Es liege auf der Hand, hieß es schließlich, dass Gouverneur Kim die Folgen seines Handelns (den Rückzug aus den Garantien) nicht habe abschätzen können. Südkoreanische Medien wie die englischsprachige „Korea JoongAng Daily“ nannten Kim „die Liz Truss“ des Landes. Sowohl er als auch die konservative britische Kurzzeit-Premierministerin hätten es geschafft, ihrem Land „aus rein politischen Gründen“ durch eine Vertrauenskrise „grundlos und selbst verschuldet“ Schaden zuzufügen. Truss hatte es geschafft, die britischen Pensionsfonds in Schwierigkeiten zu bringen, Gouverneur Kim den Anleihenmarkt seines Landes – über eine vergleichsweise überschaubare Pleite mit völlig unterschätzten Folgen.