Ein Aktivist hält die Hand mit der Aufschrift „1,5 Grad Celsius“ in die Höhe
APA/AFP/Mohammed Abed
Klimakonferenz

Kritik an vagem Abschlussentwurf

Die 27. UNO-Klimakonferenz neigt sich dem Ende zu, schon am Freitag endet sie offiziell. Das schwierige Ringen um eine gemeinsame Abschlusserklärung hat damit volle Fahrt aufgenommen. Allerdings: Den großen Wurf bei den Verhandlungen hat es bisher nicht gegeben. Zumindest in einem Punkt scheint Donnerstagabend wieder Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen gekommen zu sein.

Donnerstagfrüh kursierte auf der Konferenz in Scharm al-Scheich ein 20 Seiten umfassendes Entwurfsdokument des ägyptischen Gastgebers, das als Entwurf für den Abschlusstext dienen soll. In dem als inoffiziell bezeichneten Papier werden vor allem bereits vereinbarte Ziele der COP26 in Glasgow bestätigt.

So wird zwar ein schrittweiser Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle eingefordert, nicht aber der Abschied von Öl und Gas. Das – von vielen Fachleuten geforderte – dezidierte Aus für alle fossilen Energien schaffte es erneut nicht in den Entwurf. Umweltschutzorganisationen forderten eindringlich einen derartigen Passus.

Finale der Weltklimakonferenz

Die Weltklimakonferenz in Ägypten geht zu Ende. Jetzt wird eine Absichtserklärung verfasst, in der auch finanzielle Mittel für den Klimaschutz ihren Platz finden sollen. ORF-Korrespondentin Nadja Hahn berichtet aus Scharm al-Scheich.

Neuer Vorschlag zu Ausgleichszahlungen für ärmere Länder

Besonders umstritten war bis zuletzt auch die Frage, ob und wie ärmere Länder für klimabedingte Schäden kompensiert werden sollten. Vor allem in der Frage, ob dafür ein neuer Geldtopf eingerichtet werden sollte, herrschte keine Einigkeit. Das Thema wurde in den vergangenen Tagen unter dem Schlagwort „Loss and Damage“ intensiv diskutiert.

Donnerstag am späten Abend legten die Teilnehmer der rund 200 Staaten nun einen fünfseitigen Entwurf vor. Dieser sieht drei mögliche konkrete Schritte vor. Genannt werden die sofortige Einrichtung eines neuen Fonds, alternativ die Einrichtung eines neuen Fonds bei der nächsten Klimakonferenz Ende 2023 in Dubai sowie eine eher allgemein gehaltene „Finanzierungsvereinbarung“.

Klimaaktivisten demonstrieren bei COP27
Reuters/Emilie Madi
Klimaschützerinnen und Klimaschützer fordern konkrete Ergebnisse

Mit dem Entwurf scheint eine Einigung zumindest möglich. Mehr als 130 der rund 200 Teilnehmer fordern die feste Einrichtung eines Finanztopfs. In dem bisherigen Entwurf zum Abschlusstext war bisher aber nur die Rede vom „dringenden und umgehenden Bedarf für neue, zusätzliche, berechenbare und angemessene finanzielle Mittel“ bei dem Thema.

EU gesprächsbereit

Hoffnung auf eine Lösung in der „Loss and Damage“-Debatte machte zuletzt die EU: Es sei zwar noch viel Arbeit nötig, um aus dem Entwurf etwas zu machen, auf das sich alle Teilnehmenden verständigen können, sagte der Leiter der EU-Klimapolitik der Europäischen Union, Frans Timmermans, am Donnerstag gegenüber Reuters. Timmermans sagte aber auch, die EU sei nun bereit, über einen neuen Fonds zu diskutieren.

Zuerst wolle man jedoch prüfen, ob die bereits bestehenden Finanzinstrumente adaptiert werden können, um „Loss and Damage“ mit diesen ebenfalls anzugehen: „Ein Fonds könnte auch ein Ergebnis davon sein. Aber das ist noch keine ausgemachte Sache“, sagte Timmermans.

Frans Timmermans, Vizepräsident der Europäischen Kommission
IMAGO/NurPhoto/Dominika Zarzycka
EU-Chefverhandler Timmermans signalisierte Gesprächsbereitschaft

Im Plenum machte Timmermans ein Angebot für einen Fonds, finanziert von einer „breiten Geberbasis“. Diese könne Teil eines „Mosaiks von Lösungen“ sein, zu dem auch ein Blick auf Schulden und eine Reform von Entwicklungsbanken zähle. Ebenso wichtig seien Fortschritte bei der Verringerung klimaschädlicher Emissionen, sagte Timmermans.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeigte sich am Donnerstag noch überzeugt davon, dass reichere Industrieländer Gelder geben müssen. Die Einrichtung eines eigenen Fonds – unter anderem wegen zu viel Bürokratie und zu langsamer Auszahlung – sah sie aber kritisch.

Guterres: „Welt brennt und ertrinkt“

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres sagte in Hinblick auf die zähen Verhandlungen, es gebe einen Vertrauensverlust zwischen Nord und Süd, zwischen entwickelten Wirtschaftsmächten sowie Schwellen- und Entwicklungsländern. „Aber das ist nicht die Zeit, um mit dem Finger auf andere zu zeigen“, sagte er – es gehe schließlich um die größte Herausforderung der Menschheit. „Die Welt schaut zu und hat eine simple Botschaft: Macht weiter und liefert.“

Guterres: „Welt brennt und ertrinkt“

Die 27. UNO-Klimakonferenz neigt sich dem Ende zu, schon am Freitag endet sie offiziell. Das schwierige Ringen um eine gemeinsame Abschlusserklärung hat damit volle Fahrt aufgenommen.

Guterres forderte die reichen Industriestaaten auf, ärmere Länder in der Klimakrise stärker zu unterstützen. Nötig sei eine ehrgeizige und glaubwürdige Vereinbarung über Ausgleichszahlungen für deren Klimaschäden, sagte er. „Die Zeit des Redens über Verluste und Schäden ist vorbei. Es muss gehandelt werden.“ Keiner könne das Ausmaß der Krise rund um den Globus leugnen. „Die Welt brennt und ertrinkt vor unseren Augen.“

Der finanzielle Ausgleich zwischen dem reicheren Globalen Norden und dem ärmeren Süden gehört derzeit zu den großen Streitfragen. Laut einer neuen Analyse sind dafür weit mehr als die im Raum stehenden Zahlungen in der Höhe von 100 Mrd. Dollar (rund 96 Mrd. Euro) jährlich notwendig – mehr dazu in science.ORF.at.

CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen und der Industrie pro Kopf, 2020

Gewessler fürchtet Rückschritte

Gewessler warnte vor Rückschritten im Klimaschutz. „Wir könnten bei dieser COP in eine Welt vor der Pariser Vereinbarung zurückfallen“, sagte sie in Ägypten. Den aktuellen Entwurf eines Abschlusstextes der COP sah Gewessler kritisch: „Diese 20 Seiten, die am Tisch liegen, machen in vielen Bereichen mehr Kontroversen auf, als dass sie Gräben zuschütten.“ Zur selben Zeit vor einem Jahr bei der Weltklimakonferenz in Glasgow sei das völlig anders gewesen.

Die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne)
IMAGO/NurPhoto/Dominika Zarzycka
Gewessler sieht in dem Entwurf „einen kleinen Schritt nach vorne“, vermisst aber „wesentliche Punkte“

Text als „Baustelle“

NGOs kritisierten am Donnerstag, der Text sei eine „Baustelle“: zu lang, zu unkonkret, in sich widersprüchlich und mit einigen Schlupflöchern. Verglichen wurde das Papier auch mit einem „Einkaufszettel“ der einzelnen Staaten.

Unzufrieden zeigte sich Greenpeace: „Es ist absolut inakzeptabel, wenn am Ende einer zweiwöchigen Klimakonferenz nur bereits beschlossene Entscheidungen wiederholt werden. Die Abschlusserklärung von Scharm al-Scheich muss die Klimaschutzbestrebungen hochschrauben“, sagte Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin der Umweltorganisation in Österreich der APA. „Das klare Ende von Kohle, Öl und Gas sowie ein Bekenntnis zu einem Finanzierungstopf für Schäden und Verluste müssen Eingang in das Papier finden." Die neuen Vorschläge zu „Loss and Damage“ bezeichnete sie als klaren Schritt nach vorne.

Für die Umweltschutzorganisation Global 2000 brauche es einen Abschluss, der Klimaschäden im Globalen Süden anerkennt und den Menschen konkrete Unterstützung in Aussicht stellt: „Wer große Schäden verursacht und sich dann aus der Verantwortung stiehlt, begeht Fahrerflucht. Es ist eine Frage des Anstands, die entstandenen Schäden im Globalen Süden nicht länger achselzuckend zur Kenntnis zu nehmen, sondern endlich zu handeln.“

Verlängerung wird erwartet

Eigentlich endet die Klimakonferenz offiziell am Freitagabend. Beobachtende rechnen aber bereits fix damit, dass es in diesem Jahr erneut in eine Verlängerung geht. Die ägyptische Präsidentschaft hatte eine Abschlusskonferenz zunächst für Samstagabend angesetzt. Donnerstagmittag war auf Beamtenebene eine neue Verhandlungsrunde angesetzt.

Die ägyptische Leitung der Weltklimakonferenz versuchte zuvor noch einmal Schwung in die COP zu bringen und rief die Delegierten der knapp 200 vertretenen Staaten dazu auf, bis Freitag eine Vereinbarung zu erzielen. „Die Zeit ist nicht auf unserer Seite, lasst uns jetzt zusammenkommen und bis Freitag Ergebnisse liefern“, schrieb Sameh Schukri, der COP27-Konferenzleiter und ägyptische Außenminister, in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an die Delegierten.

Das Ringen um den Entwurfstext ist stets hart. Die knapp 200 verhandelnden Staaten müssen sich im Konsens auf jeden Beistrich einigen. Jedes Land hat zudem ein Vetorecht, unabhängig von der Größe. Zumindest was die beiden derzeit größten Emittenten betrifft, scheint es Fortschritte zu gehen – so dürften die USA und China ihre Gespräche wieder aufgenommen haben und stünden nun in „direkten Klimaverhandlungen“, wie es von Beobachtern hieß.