Jeremy Hunt
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Rezession droht

Torys setzen nun auf Sparkurs

Der britische Finanzminister Jeremy Hunt hat am Donnerstag in seinem „Autumn-Statement“ die mit Spannung erwartete Finanzstrategie vorgelegt. Mit Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen sollen 55 Milliarden Pfund (rund 65 Mrd. Euro) eingespart werden. Es geht um nicht weniger als die Rettung der britischen Wirtschaft, der laut Hunt eine Rezession droht – aber auch Klimaschutz war in der Rede ein Thema.

Hunt begann seine Rede im britischen Unterhaus mit der Feststellung, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger angesichts des „beispiellosen globalen Gegenwinds“ Sorgen um die Zukunft machen. „Deshalb legen wir heute einen Plan vor, um die Krise bei den Lebenshaltungskosten zu bewältigen und unsere Wirtschaft wieder aufzubauen“, sagte er angesichts der Inflation, die zuletzt ein 40-Jahre-Hoch erreichte.

In den nächsten Jahren soll eine rund 55 Milliarden Pfund große Haushaltslücke geschlossen werden – knapp die Hälfte davon soll über höhere und neue Steuern zusammenkommen. Die Abgabe für Erdöl- und andere Energiefirmen werde von 25 Prozent auf 35 Prozent ausgeweitet und außerdem um drei Jahre bis 2028 verlängert, zudem solle es „vorübergehend“ eine neue Steuer in Höhe von 45 Prozent für Stromproduzenten geben. Die schmerzlichen Maßnahmen seien erforderlich, um nach den jüngsten Turbulenzen für Finanzstabilität zu sorgen, so Hunt.

Jeremy Hunt
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Hunt nannte für die Wirtschaftspolitik Stabilität, Wachstum und öffentliche Dienste als Priorität

Steuerlast für Besserverdiener steigt

Auch die Steuerlast für Besserverdiener soll steigen: Die Schwelle für die Zahlung des höchsten Einkommensteuersatzes soll von 150.000 auf 125.140 Pfund pro Jahr sinken. Es gehe darum, dass von denjenigen, die mehr besitzen, auch mehr verlangt werde, betonte Hunt.

Die Prioritäten seien „Stabilität, Wachstum und öffentliche Dienstleistungen“. Man wolle auch die Schwachen schützen. „Britisch zu sein bedeutet, mitfühlend zu sein, und das ist eine mitfühlende Regierung.“ Sein Plan solle daher zu niedrigeren Energierechnungen und einem „stärkeren Gesundheits- und Bildungssystem“ führen.

Jeder, der sage, es gebe eine einfache Lösung, sei nicht ehrlich zu den britischen Staatsbürgern, sagte Hunt. Er verwies auf die Auswirkungen der CoV-Pandemie sowie die „durch Russland ausgelöste Energiekrise“ als wesentliche Faktoren für die derzeitige Schwäche der britischen Wirtschaft.

Keine Kürzungen im Gesundheitsministerium

Hunt bestätigte, dass es zu Ausgabenkürzungen in den Ministerien kommen werde, und fügte hinzu, dass die Gesamtausgaben für öffentliche Dienstleistungen in den nächsten fünf Jahren nach Berücksichtigung der Inflation steigen werden. Der Gesundheitshaushalt werde jedoch geschützt – das britische Gesundheitswesen NHS sei das Herzstück der Vision des Premierministers für das Land, so der Schatzkanzler.

Finanzminister Hunt legt Sparkurs vor

Der britische Finanzminister Jeremy Hunt hat in seinem „Autumn-Statement“ im Unterhaus in London die Finanzstrategie vorgelegt.

Die Regierung wolle in den Jahren 2023 und 2024 zusätzlich 2,3 Milliarden Pfund in Schulen investieren. Zudem solle Menschen geholfen werden, Arbeit zu finden und finanziell unabhängig zu werden. Zu diesem Zweck kündigte Hunt an, dass er über 600.000 weitere Bezieher von Sozialleistungen auffordern werde, sich mit einem Arbeitscoach zu treffen, „damit sie die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, um ihre Arbeitsstunden oder ihr Einkommen zu erhöhen“.

Inflation als größtes Problem

Wegen der desaströsen Finanzpolitik von Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss müssen Hunt und Regierungschef Rishi Sunak die Märkte beruhigen. Hunt machte schon fast alle von ihr angekündigten Steuerpläne rückgängig. „Meine absolute Priorität ist, dafür zu sorgen, dass wir mit der wirtschaftlichen Situation, mit der wir zu Hause konfrontiert sind, fertig werden“, hatte Premier Rishi Sunak angekündigt. Vor allem die Inflation wolle er in den Griff bekommen. Im Oktober stiegen die Verbraucherpreise um 11,1 Prozent, deutlich mehr als erwartet.

Mit Blick auf neue Handelsabkommen sagte er am Donnerstag im Parlament, dabei werde künftig nicht „die Qualität der Geschwindigkeit geopfert“. Derzeit strebt die britische Regierung Handelsabkommen mit den USA und Indien an. Im Kreuzfeuer der Kritik steht etwa ein bereits geschlossenes Handelsabkommen mit Australien. Dabei habe Großbritannien „viel zu viel gegeben und im Gegenzug viel zu wenig erhalten“, sagte etwa Ex-Umweltminister George Eustice.

Rishi Sunak und Jeremy Hunt
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Sunak erklärte, er wolle die Fehler seiner Vorgängerin Truss korrigieren

Die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs hat aber auch mit den Folgen des Austritts aus der Europäischen Union zu kämpfen, der den Handel mit den verbliebenen EU-Staaten behindert und die Einstellung von Arbeitskräften bremst, was zur Inflation und zu einer sinkenden Produktion beiträgt.

Prognose: Wirtschaft wird um 1,4 Prozent schrumpfen

Großbritannien sitzt auf einem Schuldenberg von 2,45 Billionen Pfund. Die britische Wirtschaft werde im Jahr 2023 voraussichtlich um 1,4 Prozent schrumpfen, sagte Hunt unter Berufung auf die jüngsten Prognosen des Office for Budget Responsibility (OBR) am Donnerstag. Die neue Prognose für das nächste Jahr steht im Gegensatz zu der im März veröffentlichten Prognose des OBR, die ein Wachstum von 1,8 Prozent vorsah. Nach Prognosen der britischen Zentralbank könnte die Rezession bis zu zwei Jahre dauern.

Nach den Ankündigungen Hunts gab das Pfund gegenüber dem Dollar zunächst um ein Prozent nach. Laut Paul Johnson, Leiter des Institute for Fiscal Studies, würden die Zahlen des Berichts des OBR zeigen, dass die angekündigten Maßnahmen deshalb notwendig seien, da die Kosten für die Zinsen der Staatsverschuldung in diesem Jahr enorm gestiegen sind.

Hunt will mit seinem Sanierungskurs dafür sorgen, dass verloren gegangenes Vertrauen der Anleger zurückkehrt und die Finanzierungskosten des Staates damit im Zaum gehalten werden. „Vertrauen gibt es nicht umsonst“, betonte Hunt. „Wir Konservativen überlassen die Schulden nicht der nächsten Generation.“

Gewerkschaft: Arbeiter sollen Rechnung bezahlen

Zugleich ist die Regierung gefordert, den Bürgern in Zeiten stark steigender Energiekosten weiter Entlastung zu verschaffen. Hunt kündigte an, die Deckelung der Energiekosten für Haushalte zu verlängern und dem Vorschlag der Niedriglohnkommission zu folgen und den Mindestlohn ab April um 9,7 Prozent auf 10,42 Pfund anzuheben.

Kritik kam umgehend von Gewerkschaftsseite: Gary Smith, Generalsekretär der Gewerkschaft GMB, erwartet, dass den Arbeitern trotz der Erhöhung preisbereinigt weniger bleibt: „Die Konservativen haben die Wirtschaft an die Wand gefahren, und jetzt sollen die Arbeiter die Rechnung begleichen.“

Energieverbrauch bis 2030 um 15 Prozent senken

Zudem bekräftigte Hunt, dass sich die Regierung weiterhin voll und ganz dem historischen Klimapakt von Glasgow verpflichtet fühle, der auf der COP26 vereinbart wurde – einschließlich einer Reduzierung der Emissionen um 68 Prozent bis 2030.

Um das Land energieeffizienter zu machen und Geld zu sparen, habe er ein neues Ziel zur Senkung des Energieverbrauchs um 15 Prozent in den nächsten acht Jahren formuliert: „Bis 2030 wollen wir den Energieverbrauch von Gebäuden und Industrie um 15 Prozent senken“, sagte Hunt. Die Regierung plane bereits, 6,6 Milliarden Pfund in die Energieeffizienz zu investieren, so Hunt, und werde ab 2025 weitere sechs Milliarden Pfund investieren, um eine bessere Isolierung und modernere Heizsysteme zu finanzieren.

Moody’s: Uneinigkeiten in Partei kontraproduktiv

Der Vizepräsident der Ratingagentur Moody’s sagte, dass die heute vorgelegten Zahlen das „Engagement des Vereinigten Königreichs für finanzpolitische Vorsicht“ nach dem katastrophalen Budget der Regierung Truss’ im September zeigen würden, dass „das polarisierte innenpolitische Umfeld“ und die „erhöhte politische Unvorhersehbarkeit“ die Bemühungen jedoch untergraben könnten.

So zeigte sich etwa der ehemalige konservative Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg laut BBC über Steuererhöhungen, wenn die Wirtschaft in eine Rezession gerate, „besonders besorgt“. Man könne mit Fug und Recht behaupten, dass die Steuererhöhungen vor allem auf der rechten Seite der Tory-Partei für Unbehagen sorgen würden, und dass sich Äußerungen wie diese häufen würden, so die BBC.