Astronaut außerhalb der ISS
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Mond, Mars, Musk

So wirkt sich der Krieg auf das Weltall aus

Die Raumfahrt war in den vergangenen Jahrzehnten stark von der Zusammenarbeit – auch mit Russland – geprägt. Seit Kriegsbeginn hat sich das geändert, vor allem Europa muss dabei den Weg ins All komplett neu denken. Im Gespräch mit dem ORF sagt ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher, dass die Situation heute anders sei als im Kalten Krieg, nicht zuletzt wegen Elon Musks SpaceX und anderen Firmen, die ins All drängen.

Der Konflikt zwischen Ost und West hat die internationale Raumfahrt ganz wesentlich geprägt: In den 1960er Jahren entwickelte sich ein erbittertes Rennen um das All, vom ersten Menschen im Weltraum – dem Russen Juri Gagarin – bis zur Mondlandung, bei dem die Amerikaner Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf dem Erdtrabanten herumhüpften. Doch in den 70er Jahren taute die Stimmung auf – und führte die wettstreitenden Weltraummächte schrittweise aneinander.

Inmitten dieses Klimas wurde die Europäische Raumfahrtorganisation (ESA) gegründet. Europa war dabei seit jeher auf andere Partner angewiesen. Das war zu Beginn oft die US-Agentur NASA, aber seit den 90ern vermehrt auch Russland. Bis zum Angriff Russlands auf die Ukraine las man auf der ESA-Website noch: „Russland ist der primäre Partner der ESA bei den Bemühungen, den Zugang zum All langfristig zu sichern.“ Mittlerweile findet sich diese Stelle nur noch in abgeänderter Form.

Aschbacher: „Haben uns abhängig gemacht“

„Wir haben uns abhängig gemacht“, so Aschbacher bei einem Gespräch im ESA-Büro in Brüssel. Als Beispiel nannte er etwa die russische Sojus-Rakete, die „wir aus Kourou (in Französisch-Guayana, Anm.) gestartet haben“, so Aschbacher – doch die Starts wurden jetzt eingestellt. Das hätte einen direkten „Impact“ auf die europäische Raumfahrt, so der ESA-Chef, weil man damit etwa eine bestimmte Art von Satelliten nicht mehr ins All bringen könne.

Russland-Abhängigkeit der ESA

Im Gespräch mit dem ORF erklärt ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher, wie sich Europa von Russland in der Raumfahrt abhängig gemacht hat.

Das stellt die ESA vor ein logistisches Problem – denn ohne Trägerrakete bleiben Satelliten und Co. auf dem Boden. Die europäische Ariane 5 ist für die bisherigen Einsatzzwecke der Sojus-Rakete nicht geeignet, Abhilfe soll Ariane 6 schaffen, die unter bestimmten Voraussetzungen „ersetzt, was Sojus bisher gemacht hat“, so Aschbacher. Doch die Entwicklung verzögert sich seit geraumer Zeit, der aktuelle Plan sieht immerhin einen ersten Start im kommenden Jahr vor.

Auch Mars-Mission komplett gestoppt

Doch die Abhängigkeit von Moskau geht weit über Satelliten in der Erdumlaufbahn hinaus: Gestoppt wurde etwa die mit der russischen Agentur Roskosmos geplante Mission auf den Mond – auch das ExoMars-Projekt wurde gestoppt. Die Mission, „auf den Mars zu fliegen, einen Roboter zu landen und auf der Marsoberfläche zu bohren, um nach Spuren von Leben zu suchen“, wäre eigentlich ein russisch-europäisches Vorzeigeprojekt gewesen.

Prototyp Mars Rover in Labor
AP/Antonio Calanni
Die ExoMars-Mission, hier ein Prototyp des Rovers Rosalind Franklin, wurde gestoppt

Erst wurde die Arbeit mit Roskosmos eingefroren, dann gestoppt, so Aschbacher. 2023 hätte eigentlich ein europäischer Mars-Rover mit Bohrer an Bord eines russischen Landesystems starten sollen. „Leider“ habe man die Mission gemeinsam mit Russland entwickelt, so Aschbacher. „Das heißt, dass wir hier eine Lösung suchen müssen, um diesen Rover und diesen Bohrer auf den Mars bringen zu können“, so Aschbacher.

ISS als Ausnahme

Schwieriger ist die Situation bei der Internationalen Raumstation (ISS): Dort arbeite man weiterhin mit Russland zusammen. Es sei „wie ein großes Gebäude, das im Weltraum fliegt“, der westliche Teil werde von der NASA geleitet, der östliche Teil von Russland – das sei ein verbundenes System, das nicht getrennt werden könne. Ein erst angekündigter Ausstieg Russlands aus der ISS wurde später relativiert – zumindest bis zum Aufbau einer eigenen russischen Raumstation im Jahr 2028 könne man sich vorstellen, die Nutzung der ISS fortzusetzen, hieß es Ende Oktober.

Sicht auf Erde von ISS
IMAGO/ZUMA Wire/Bob Hines/Nasa
Die ISS wird weiter von Ost und West gemeinsam betreut

Neuorientierung Richtung USA

Warum man sich überhaupt so auf Russland verlassen habe, beantwortet Aschbacher damit, dass man „Technologie braucht, die wir in Europa nicht haben“. Dinge neu zu entwickeln, „würde in Europa lange dauern, deshalb haben wir uns in Kooperation mit Russland begeben“, sagt der ESA-Generaldirektor. Doch auch die NASA und China würden etwa die Möglichkeiten besitzen, auf dem Mars zu landen.

Elon Musk und ESA-Kooperation mit Unternehmen

Elon Musks SpaceX sei für Europa durchaus ein Beispiel, so ESA-Generaldirektor Aschbacher.

Vor allem mit der US-Agentur will man nun wieder stärker kooperieren. Es ist einer von vielen Vorschlägen, die bei der ESA-Ministerratskonferenz in Paris am Dienstag und Mittwoch auf dem Tisch landen werden. Einher geht das mit der Genehmigung eines Dreijahresbudgets in Höhe von 18 Milliarden Euro, gut einem Viertel mehr als dem letzten Budget. Aschbacher verweist darauf, dass die Steigerung in etwa der Größenordnung der NASA entspreche – und da sei das militärische Budget für die US-Raumfahrt noch nicht inkludiert. Investiere man nicht, „verlieren wir die besten Köpfe, die talentiertesten Leute“, die dann ins Ausland abwandern würden.

Musks SpaceX als Vorbild für Europa

Etwa zu Elon Musks Weltraumunternehmen SpaceX – das durchaus auch Vorbild für Europa sei, wie Aschbacher sagt. Er bewerte die zunehmende Kommerzialisierung als „gut, ich glaube, wir bräuchten in Europa mehr von dieser kommerziellen Denkweise“, so Aschbacher. Gleichzeitig verweist er darauf, dass Musk stets auf die Hilfe der NASA angewiesen war: „Die NASA hat enorm geholfen, zum Beispiel die Falcon-9-Raketen zu finanzieren.“

Starlink Satelliten im Himmel
AP/Stocktrek Images/Alan Dyer
Elon Musks Weltraumambitionen, auf dem Bild sind seine Starlink-Satelliten erkennbar, seien durchaus Vorbild für Europa

Dabei gehe es aber nicht nur um rein finanzielle Hilfen, auch technologische Unterstützung wurde von der US-Agentur beigesteuert. „Und genau das will ich auch in Europa erreichen, dass wir durch die ESA solche Firmen erzeugen, die mit unserer Hilfe, unseren Geldern, der Technologieentwicklung“ diesen „kommerziellen Markt entwickeln“, so Aschbacher.

Im Gegensatz zum Kalten Krieg stehe man nicht am Anfang der Raumfahrt – und es gebe ein ganz anderes Umfeld: „geopolitisch, aber auch industriell und kommerziell“. Das wirke sich laut dem ESA-Chef auch auf die europäische Raumfahrt aus, Europa habe eine der wettbewerbsfähigsten Industrien weltweit – erst heuer seien bei einer Ausschreibung für geostationäre Satelliten fünf von sechs Aufträgen nach Europa gegangen. Man sei beim Budget zwar „kleiner“ als die USA, bei der Wettbewerbsfähigkeit dafür „um einiges besser“.

Neue Astronauten werden vorgestellt

Eine stärkere Finanzierung im Hinblick auf die gestoppte Kooperation mit Russland sowie zahlreiche Projekte, die man auch ohne Kooperation mit Moskau auf die Beine stellen wird: Das zweitägige Ministertreffen wird wohl einige wichtige Entscheidungen bringen. Am Ende der Konferenz wird dann bekanntgegeben, wer künftig die Chance bekommt, ins All zu fliegen – dann werden die Teilnehmer des heurigen Ausbildungsjahrgangs bekanntgegeben. Ob eine Österreicherin oder ein Österreicher die Chance bekommt, ins All zu fliegen, wollte Aschbacher nicht sagen. Österreichs bisher einziger Raumfahrer Franz Viehböck startete im Oktober 1991 ins All und führte als europäischer Kosmonaut auf der – russischen – Raumstation Mir Experimente durch.