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ORF.at/Roland Winkler
„Unter den Möglichkeiten“

Kritik an Plänen zu Übergewinnsteuer

Die am Freitag in einer Pressekonferenz von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) vorgestellten Details zur Gewinnabschöpfung für Öl- und Gasfirmen und einer Erlösobergrenze für Stromerzeuger sorgen für Kritik. Die Regierung gehe nur minimal über die Vorgaben der EU-Verordnung hinaus und bleibe dabei weit unter ihren Möglichkeiten, heißt es etwa von ÖGB und Arbeiterkammer (AK). Auch SPÖ und FPÖ gehen mit der Regierung hart ins Gericht.

WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller sagte im Ö1-Mittagsjournal, dass die Regierung die Spielräume der EU gut ausgenutzt habe. Es sei positiv, dass heuer noch eine Vereinbarung getroffen wurde und die Maßnahmen auch rückwirkend in Kraft treten sollen. Außerdem sei es positiv, dass mit dem Bonus für Investitionen in erneuerbare Energien eine Ökologisierungskomponente eingebracht wurde.

Man hätte aber mit den Abschöpfungssätzen noch höher gehen können, zumindest, was die Unternehmen im fossilen Energiebereich angeht, sagte Schratzenstaller.

ÖGB und Arbeiterkammer: „Übergewinnsteuer light“

Deutlich höhere Steuersätze hätten sich hingegen ÖGB und AK gewünscht. „Die Regierung bleibt bei der Umsetzung der Übergewinnsteuer deutlich unter ihren Möglichkeiten“, erklärten ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und AK-Präsidentin Renate Anderl in einer gemeinsamen Aussendung. „AK und ÖGB haben eine umfassende Übergewinnsteuer vorgeschlagen, was jetzt kommt, ist eine Übergewinnsteuer light. Das AK-ÖGB-Modell hätte bis zu zehn Milliarden Euro gebracht“, so Anderl. Die nun präsentierte Variante brächte wenn überhaupt die Hälfte.

Davon, dass das Regierungsmodell eine Mindestbesteuerung von faktisch nur 33 Prozent festlegt, zeigte sich Katzian enttäuscht. „Das ist die Mindestanforderung der EU. Österreich könnte in der Gestaltung weit über dieses Mindestmaß von 33 Prozent hinausgehen." ÖGB und AK schlugen 60 bis 90 Prozent – je nach Höhe der Übergewinne – vor. Notwendig wären laut Anderl und Katzian auch die Ausweitung der Solidaritätsabgabe auf den gesamten Energiesektor, eine Erfassung der gesamten Übergewinne 2022, 2023 und 2024 und ein höheres effektives Besteuerungsniveau als von der Regierung vorgesehen.

Momentum: Abschöpfungsgrenze „unverständlich hoch“

Auch das gewerkschaftsnahe Momentum Institut betonte in einer Aussendung, dass der Regierungsplan zwar leicht über die EU-Verordnung hinausgehe, voraussichtlich aber einen großen Teil der Übergewinne unbesteuert lasse. „Die österreichische Abschöpfungsgrenze liegt etwas unter dem EU-Minimum. Trotzdem ist sie unverständlich hoch angesetzt, womit ein großer Teil der Übergewinne im Stromsektor von der Steuer unangetastet bleibt“, kritisierte Joel Tölgyes, Ökonom am Momentum Institut.

Reaktionen auf Übergewinnsteuer

Kaum präsentiert, gibt es Kritik an der neuen Übergewinnsteuer. Für die SPÖ ist die Steuer zu niedrig bemessen, auch betroffene Unternehmen zeigen sich wenig erfreut.

SPÖ: „Übergewinngeschenk“

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sagte in einer Pressekonferenz, dass die Ankündigung der Bundesregierung zur Übergewinnsteuer ein „Übergewinngeschenk“ der Regierung an Verbund, OMV und Co. sei. „Stromkonzernen bleiben durch das späte Inkrafttreten bis zu 100 Prozent der Übergewinne von 2022, Öl- und Gaskonzerne können teilweise mehr als 50 Prozent behalten. Menschen sowie Klein- und Mittelbetriebe bleiben hingegen auf 100 Prozent ihrer Energierechnung sitzen“, so Leichtfried.

Leichtfried pochte darauf, sämtliche Übergewinne abzuschöpfen, wie die SPÖ seit Monaten fordert. Eine echte Übergewinnsteuer würde laut Berechnungen von Expertinnen und Experten acht bis zehn Mrd. Euro bringen. Letztlich sei die Bundesregierung von der EU gezwungen worden, die Übergewinne zu besteuern.

Auch FPÖ mit großen Zweifeln an Regierungsentwurf

FPÖ-Chef Herbert Kickl erklärte in einer Aussendung, dass die Kundinnen und Kunden den Konzernen die Übergewinne ermöglicht hätten, „jetzt kommt der Finanzminister und holt sich dieses Geld. Ein Krisengewinnler profitiert vom anderen. Die leidgeprüften Betroffenen gehen in diesem Spiel wieder einmal leer aus.“

Der Entwurf der Regierung biete den Konzernen die Gelegenheit, weniger Übergewinne abliefern zu müssen, wenn sie Investitionen in erneuerbare Energien nachweisen können. Der „einzig wirksame Weg“ zur Entlastung sei die Halbierung oder gänzliche Streichung der Mehrwertsteuer.

Für NEOS „noch viele Fragen offen“

Von NEOS hieß es in einer Stellungnahme, man kenne „den Vorschlag zu den Energiekrisenbeiträgen“ bisher „nur aus der heutigen Pressekonferenz. Die Regierung bringt ihn wieder einmal auf den letzten Drücker“.

„Es sind noch viele Fragen offen“, so Energie- und Finanzsprecherin Karin Doppelbauer. „Was bedeutet der entstehende Fleckerlteppich an unterschiedlichen Auslegungen der EU-Vorgabe für den österreichischen Wirtschaftsstandort? Was bedeutet das für lokale Produzenten in Bereichen wie der Kleinwasserkraft, deren wirtschaftliche Lage dadurch unter Druck geraten könnte? Und wie kann man die Gas- von den Strompreisen entkoppeln?“

„Wir werden uns den Regierungsentwurf genau ansehen“, hieß es von NEOS, „um festzustellen, ob er diese Fragen überhaupt beantwortet.“ Begrüßenswert sei, dass die Investitionen in erneuerbare Energieträger „offenbar berücksichtigt werden sollen“, das sei auf jeden Fall sinnvoll.

Greenpeace: „Erster Schritt“

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßte die Ankündigung als „längst überfälligen Schritt der Regierung“. Kritisch sei der mangelnde Mut in der Höhe und Dauer der Maßnahmen, so Greenpeace in einer Aussendung. Notwendig und gerecht wären eine vollständige Abschöpfung der exzessiven Übergewinne von Öl- und Gaskonzernen und eine langfristige Etablierung dieses Abschöpfungsmechanismus. Greenpeace warnte zudem vor einer Welle von „Greenwashing“ durch die Öl- und Gaskonzerne.

Es brauche hier einen „glasklaren Kriterienkatalog nach wissenschaftlichen Standards, der festlegt, welche Investitionen tatsächlich zur Dekarbonisierung dieser klimazerstörerischen Industrie beitragen, um Greenwashing zu vermeiden“, forderte Klara Maria Schenk, Klima- und Verkehrsexpertin bei Greenpeace Österreich.

Die Protestbewegung „Fridays for Future“ sprach sich ebenfalls für die Abschöpfung von 100 Prozent der „Zufallsgewinne“ aus. Weiters kritisierten die Klimaaktivistinnen und -aktivisten den Startzeitpunkt für die Gewinnabschöpfung bei fossilen Energieunternehmen mit Juli 2022 als zu spät. Die NGO kündigte einen österreichweiten Streik für den 26. November an.

OMV und Verbund wollen Gesetzesentwurf analysieren

Zurückhaltend fiel am Freitag auch die erste Reaktion der beiden am stärksten betroffenen Unternehmen OMV und Verbund aus, berichtete Ö1. Man werde den Gesetzesentwurf analysieren, hieß es in einem Statement der OMV, eine genaue Einschätzung könne erst danach erfolgen. Zudem sei das Geschäftsjahr noch nicht abgeschlossen, und man befinde sich in einem äußerst volatilen Umfeld. Sehr kritisch sei allerdings das rückwirkende Inkraftsetzen der Übergewinnabschöpfung per 1. Juli.

Michael Strugl, Vorstandsvorsitzender der Verbund AG, sagte gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal, dass die Unternehmen bereit seien, ihren Beitrag zur Entlastung zu leisten. Die EU verteile um, und die Regierung folge dem Kurs. „Ich muss sagen, wir kennen viele Details noch nicht“, so Strugl, die Regierung gehe aber über die EU-Vorgabe hinaus. Positiv sehe man, dass Investitionen angerechnet und gegengerechnet würden. Und die Vorarlberger illwerke wird die Steuer gar nicht betreffen, da Pumpspeicherkraftwerke ausgenommen sind – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.