Das Gericht in San Jose unter dem Vorsitz von Richter Edward Davila sah es als erwiesen an, dass Holmes in drei Anklagepunkten, darunter dreimal Betrug, schuldig ist und verhängte am Freitag die langjährige Haftstrafe über die Theranos-Gründerin.
Staatsanwalt Jeff Schenk hatte 15 Jahre Haft gefordert und argumentiert: „Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und schließlich Jahr für Jahr“ habe Holmes beschlossen, ihre Investoren zu täuschen.
Medienberichte deckten Schwindel auf
Die Anklagebehörde hatte schon zuvor gefordert, die mittlerweile 38-Jährige zu 15 Jahren Haft und mehr als 800 Mio. Dollar (rund 775 Mio. Euro) Entschädigung zu verurteilen. Ihre Verteidigung plädierte darauf, ihr eine Haftstrafe zu ersparen. Holmes war bereits im Jänner von der Jury eines Geschworenengerichts, gleichfalls im kalifornischen San Jose, in mehreren Punkten des Betrugs an Investoren für schuldig befunden worden. Theoretisch hatten Holmes 20 Jahre Haft in mehreren Anklagepunkten gedroht.
Die damals 19-Jährige hatte Theranos 2003 gegründet. Das Biotech-Unternehmen warb mit einer vermeintlich revolutionären Technologie für besonders schnelle, effektive und kostengünstige Bluttests. Die charismatische Jungunternehmerin wurde als Tech-Pionierin gefeiert, gewann finanzkräftige Investoren und prominente Unterstützer und wurde selbst zur Milliardärin. Dann deckten Medienberichte auf, dass die Technologie gar nicht funktionierte.
Holmes hatte die Vorwürfe gegen sie stets bestritten. Für die Staatsanwaltschaft dagegen war der Fall klar. „Holmes hat sich für Betrug und gegen die Firmenpleite entscheiden, sie hat entschieden, unehrlich zu sein“, hatte Staatsanwalt Schenk in seinem Schlussplädoyer im Prozess im Jänner gesagt. „Diese Entscheidung war nicht nur kaltschnäuzig, sie war kriminell.“
Revolution bei Bluttests versprochen
Das große Versprechen von Theranos war, Bluttests zu revolutionieren: Nur wenige Tropfen aus dem Finger sollten reichen, um auch umfangreiche Analysen durchzuführen. Dutzende Krankheiten bis hin zu Krebs und HIV versprach Theranos mit seiner Technologie rasch entdecken zu können – viel schneller und billiger als in herkömmlichen Labors. Holmes hatte laut eigenen Angaben als Kind furchtbare Angst vor Nadeln zum Blutabnehmen und kam so auf ihre Idee. Für ihr Start-up schmiss sie ihr Studium an der kalifornischen Eliteuniversität Stanford.

Holmes wurde als charismatische Visionärin in Silicon Valley gefeiert. Medien verglichen sie mit Apple-Gründer Steve Jobs, sie wurde durch Theranos zur jüngsten Selfmade-Milliardärin der USA. Die Gesamtbewertung von Theranos erreichte in den Finanzierungsrunden bis zu neun Milliarden Dollar, auch das Vermögen von Holmes betrug damit zumindest auf dem Papier mehrere Milliarden Dollar.
Mängel wurden verschwiegen
Unter anderem die Drogeriekette Walgreens stieg ein und verkaufte Theranos-Bluttests in ihren Geschäften. Wie sich jedoch herausstellte, funktionierte die Technologie nie ausreichend verlässlich. So wurden Tests nicht mit eigenen Maschinen der Firma, sondern mit Labortechnik anderer Hersteller durchgeführt, die von Theranos-Technikern auf eigene Faust umgeändert wurden. Investoren und der Öffentlichkeit wurde das verschwiegen.

Ein zentrales Problem dieser Methode war, dass die Maschinen auf größere Mengen Blut aus den Venen der Patientinnen und Patienten ausgelegt waren. Theranos streckte deswegen die kleinen Fingerproben, was aber zu Problemen mit der Genauigkeit einiger Tests führte.
Ein weiterer Faktor war laut Expertinnen und Experten, dass der Druck auf die Fingerkuppen bei der Blutabnahme die Beschaffenheit der Proben verändert – was ebenfalls zu falschen Analysewerten führen könne. Die Ergebnisse dienen Medizinern aber als Anhaltspunkt für mögliche Erkrankungen und Behandlungen. Theranos musste schließlich auf breiter Front Testergebnisse annullieren.
Probleme durch Zeitungsberichte enthüllt
Die Probleme wurden 2015 mit einer Serie von Enthüllungsberichten im „Wall Street Journal“ bekannt, die Theranos zunächst mit Hilfe von Anwältinnen und Anwälten zu unterdrücken versuchte. Holmes stritt alles ab, aber die Artikel riefen US-Regulierungsbehörden auf den Plan, die unter anderem die Labors der Firma unter die Lupe nahmen. Theranos musste zusperren – und die Geldgeber gingen leer aus.

Anklage sprach von bewusster Täuschung
Die Anklage warf Holmes vor, Geldgeber bewusst hinters Licht geführt zu haben, um an die Investitionen für Theranos zu kommen. Die Geschworenen sahen das bei drei Geldspritzen bestätigt – und sprachen Holmes in einem weiteren Anklagepunkt auch der Verschwörung zum Betrug schuldig.
Holmes sagte in dem Prozess aus, sie habe aufrichtig an die Technologie geglaubt, sei als Chefin aber nicht über alle Probleme informiert worden. „Frau Holmes glaubte daran, dass sie eine sehr schlüssige Technologie erfunden hatte, und sie glaubte, dass andere außerhalb des Unternehmens diese Sicht teilten“, sagte Holmes’ Anwalt Kevin Downey.
Für viele Beobachterinnen und Beobachter geht der Fall Theranos weit über die Person Holmes hinaus. Sie sehen ihn vielmehr als Sinnbild für eine im Silicon Valley verbreitete Start-up-Kultur nach dem Motto „Fake it till you make it“ – tue einfach so, als würde eine Idee funktionieren, und bahne dir so den Weg zum Erfolg.