Elizabeth Holmes
AP/Jeff Chiu
Start-up-Star Holmes

Elf Jahre Haft für Schwindel mit Bluttests

Erst gefeiert und von Investoren umschwärmt, jetzt zu über elf Jahren Haft verurteilt: Die Gründerin des US-Biotechunternehmens Theranos, Elizabeth Holmes, muss laut Urteil eines Gerichts in Kalifornien für 135 Monate ins Gefängnis. Sie hatte das Start-up mit nur 19 Jahren gegründet. Das Versprechen: einfache, aber hocheffektive Bluttests. Die entpuppten sich allerdings nach und nach als Flop.

Das Gericht in San Jose unter dem Vorsitz von Richter Edward Davila sah es als erwiesen an, dass Holmes in drei Anklagepunkten, darunter dreimal Betrug, schuldig ist und verhängte am Freitag die langjährige Haftstrafe über die Theranos-Gründerin.

Staatsanwalt Jeff Schenk hatte 15 Jahre Haft gefordert und argumentiert: „Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und schließlich Jahr für Jahr“ habe Holmes beschlossen, ihre Investoren zu täuschen.

Medienberichte deckten Schwindel auf

Die Anklagebehörde hatte schon zuvor gefordert, die mittlerweile 38-Jährige zu 15 Jahren Haft und mehr als 800 Mio. Dollar (rund 775 Mio. Euro) Entschädigung zu verurteilen. Ihre Verteidigung plädierte darauf, ihr eine Haftstrafe zu ersparen. Holmes war bereits im Jänner von der Jury eines Geschworenengerichts, gleichfalls im kalifornischen San Jose, in mehreren Punkten des Betrugs an Investoren für schuldig befunden worden. Theoretisch hatten Holmes 20 Jahre Haft in mehreren Anklagepunkten gedroht.

Die damals 19-Jährige hatte Theranos 2003 gegründet. Das Biotech-Unternehmen warb mit einer vermeintlich revolutionären Technologie für besonders schnelle, effektive und kostengünstige Bluttests. Die charismatische Jungunternehmerin wurde als Tech-Pionierin gefeiert, gewann finanzkräftige Investoren und prominente Unterstützer und wurde selbst zur Milliardärin. Dann deckten Medienberichte auf, dass die Technologie gar nicht funktionierte.

Holmes hatte die Vorwürfe gegen sie stets bestritten. Für die Staatsanwaltschaft dagegen war der Fall klar. „Holmes hat sich für Betrug und gegen die Firmenpleite entscheiden, sie hat entschieden, unehrlich zu sein“, hatte Staatsanwalt Schenk in seinem Schlussplädoyer im Prozess im Jänner gesagt. „Diese Entscheidung war nicht nur kaltschnäuzig, sie war kriminell.“

Revolution bei Bluttests versprochen

Das große Versprechen von Theranos war, Bluttests zu revolutionieren: Nur wenige Tropfen aus dem Finger sollten reichen, um auch umfangreiche Analysen durchzuführen. Dutzende Krankheiten bis hin zu Krebs und HIV versprach Theranos mit seiner Technologie rasch entdecken zu können – viel schneller und billiger als in herkömmlichen Labors. Holmes hatte laut eigenen Angaben als Kind furchtbare Angst vor Nadeln zum Blutabnehmen und kam so auf ihre Idee. Für ihr Start-up schmiss sie ihr Studium an der kalifornischen Eliteuniversität Stanford.

Elizabeth Holmes, Gründerin des Bluttest-Start-up Theranos, auf dem Weg zum Gericht
Reuters/Brittany Hosea-Small
Holmes beteuerte stets ihre Unschuld

Holmes wurde als charismatische Visionärin in Silicon Valley gefeiert. Medien verglichen sie mit Apple-Gründer Steve Jobs, sie wurde durch Theranos zur jüngsten Selfmade-Milliardärin der USA. Die Gesamtbewertung von Theranos erreichte in den Finanzierungsrunden bis zu neun Milliarden Dollar, auch das Vermögen von Holmes betrug damit zumindest auf dem Papier mehrere Milliarden Dollar.

Mängel wurden verschwiegen

Unter anderem die Drogeriekette Walgreens stieg ein und verkaufte Theranos-Bluttests in ihren Geschäften. Wie sich jedoch herausstellte, funktionierte die Technologie nie ausreichend verlässlich. So wurden Tests nicht mit eigenen Maschinen der Firma, sondern mit Labortechnik anderer Hersteller durchgeführt, die von Theranos-Technikern auf eigene Faust umgeändert wurden. Investoren und der Öffentlichkeit wurde das verschwiegen.

Elizabeth Holmes, Gründerin des Bluttest-Start-up Theranos in einer Zeichnung vor Gericht
Reuters/Vicki Behringer
Im Prozess sagte Holmes aus, sie habe immer an die Technologie von Theranos geglaubt

Ein zentrales Problem dieser Methode war, dass die Maschinen auf größere Mengen Blut aus den Venen der Patientinnen und Patienten ausgelegt waren. Theranos streckte deswegen die kleinen Fingerproben, was aber zu Problemen mit der Genauigkeit einiger Tests führte.

Ein weiterer Faktor war laut Expertinnen und Experten, dass der Druck auf die Fingerkuppen bei der Blutabnahme die Beschaffenheit der Proben verändert – was ebenfalls zu falschen Analysewerten führen könne. Die Ergebnisse dienen Medizinern aber als Anhaltspunkt für mögliche Erkrankungen und Behandlungen. Theranos musste schließlich auf breiter Front Testergebnisse annullieren.

Probleme durch Zeitungsberichte enthüllt

Die Probleme wurden 2015 mit einer Serie von Enthüllungsberichten im „Wall Street Journal“ bekannt, die Theranos zunächst mit Hilfe von Anwältinnen und Anwälten zu unterdrücken versuchte. Holmes stritt alles ab, aber die Artikel riefen US-Regulierungsbehörden auf den Plan, die unter anderem die Labors der Firma unter die Lupe nahmen. Theranos musste zusperren – und die Geldgeber gingen leer aus.

Ehemaliger US-Präsident Bill Clinton, Alibaba-Chef Jack Ma und Elizabeth Holmes, Gründerin des Bluttest-Start-up Theranos 2015
Reuters/Brendan Mcdermid
Holmes galt als aufstrebender Star der Unternehmerszene. Sie saß auf vielen Podien – etwa mit dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton und Alibaba-Gründer Jack Ma

Anklage sprach von bewusster Täuschung

Die Anklage warf Holmes vor, Geldgeber bewusst hinters Licht geführt zu haben, um an die Investitionen für Theranos zu kommen. Die Geschworenen sahen das bei drei Geldspritzen bestätigt – und sprachen Holmes in einem weiteren Anklagepunkt auch der Verschwörung zum Betrug schuldig.

Holmes sagte in dem Prozess aus, sie habe aufrichtig an die Technologie geglaubt, sei als Chefin aber nicht über alle Probleme informiert worden. „Frau Holmes glaubte daran, dass sie eine sehr schlüssige Technologie erfunden hatte, und sie glaubte, dass andere außerhalb des Unternehmens diese Sicht teilten“, sagte Holmes’ Anwalt Kevin Downey.

Für viele Beobachterinnen und Beobachter geht der Fall Theranos weit über die Person Holmes hinaus. Sie sehen ihn vielmehr als Sinnbild für eine im Silicon Valley verbreitete Start-up-Kultur nach dem Motto „Fake it till you make it“ – tue einfach so, als würde eine Idee funktionieren, und bahne dir so den Weg zum Erfolg.