FIFA-Chef Infantino: Kritik an Katar „heuchlerisch“

FIFA-Präsident Gianni Infantino hat einen Tag vor dem Eröffnungsspiel eine „Doppelmoral“ westlicher Nationen gegen Fußball-WM-Gastgeber Katar angeprangert. „Ich denke, was wir Europäer in den vergangenen 3.000 Jahren weltweit gemacht haben, da sollten wir uns die nächsten 3.000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, moralische Ratschläge an andere zu verteilen“, sagte der 52-Jährige auf einer Pressekonferenz heute in al-Rayyan.

Es sei „traurig“, diese „Doppelmoral“ erleben zu müssen. Katar steht seit Jahren wegen des schlechten Umgangs mit Menschenrechten sowie den Lebensbedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik, die auch von unabhängigen Organisationen wie Amnesty International geäußert wurde. Die Regierung des Emirats weist das zurück.

Er verstehe nicht, wieso die Fortschritte in Katar nicht anerkannt würden, sagte der FIFA-Präsident, der in Doha einen Nebenwohnsitz hat. „Diese Art und Weise, einseitig Lektionen erteilen zu wollen, das ist heuchlerisch.“

„Lasst uns bitte, bitte, diese WM feiern“

Seine Pressekonferenz eröffnete der Schweizer mit: „Heute fühle ich sehr starke Gefühle, heute fühle ich mich als Katarer, heute fühle ich mich als Araber, heute fühle ich mich afrikanisch. Heute fühle ich mich homosexuell. Heute fühle ich mich behindert, heute fühle ich mich als Arbeitsmigrant.“ Dafür, dass er nicht angeführt hatte, sich als Frau zu fühlen, entschuldigte sich Infantino mit einer Geste und sagte: „Ich habe vier Töchter.“

Seine Ansprache beendete Infantino flehend. „Lasst uns bitte, bitte, diese WM feiern und hoffen, den Menschen auf der Welt zu einem Lächeln zu verhelfen“, sagte der Schweizer. Dafür, so die Quintessenz, sei der Fußball letztendlich da.

Immer wieder wechselte er sein Sprechtempo, baute kleine Pausen ein, einmal nahm er den vor ihm auf dem Podium im großen Saal des Qatar National Convention Centre gestellten Fußball in die Hand. „Das ist die einzige Waffe, die wir haben“, sagte Infantino. Seine Botschaften wirkten lange zurechtgelegt. „Die Welt ist gespalten genug, eine WM ist eine WM, das ist kein Krieg“, sagte Infantino. „Wir müssen uns kritisch im Spiegel betrachten.“

Außerdem sicherte Infantino allen queeren Menschen zu, dass sie in Katar herzlich willkommen sind. „Es ist eine klare Anforderung der FIFA, dass alle, die herkommen, willkommen sein müssen. Egal, welche Religion, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung sie haben.“ Die katarische Regierung halte sich daran, betonte der FIFA-Chef.