Teilnehmer bei einer Sitzung auf der COP27
Reuters/Mohamed Abd El Ghany
Wer zahlt?

COP27-Kompromiss lässt viele Fragen offen

Bei der UNO-Klimakonferenz in Scharm al-Scheich wurde nach jahrelangem Ringen ein Hilfsfonds für klimabedingte Schäden in besonders verletzlichen Staaten auf den Weg gebracht. Die Klärung zentraler Streitfragen wurde aber vertagt, zum Beispiel, welche Länder Geld einzahlen müssen. Bei der bisherigen Klimafinanzierung, die nur Maßnahmen zur Begrenzung der Erderhitzung und zur Klimawandelanpassung abdeckt, zahlen nur die klassischen Industrieländer an die Entwicklungsländer.

Die Europäische Union dringt allerdings mit Blick auf andere wirtschaftsstarke Staaten wie China oder Saudi-Arabien darauf, dass die Geberbasis deutlich verbreitert werden muss, und hätte das beim Thema klimabedingte Schäden („Loss and Damage“) gerne gleich mit verankert. Sie stellt damit eine Aufteilung infrage, die bereits Anfang der 90er Jahre etabliert wurde.

1992 wurde in Rio de Janeiro die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) vereinbart, mit der die internationale Staatengemeinschaft weltweite Klimaänderungen als ernstes Problem anerkannte. Die Vertragsstaaten verpflichteten sich damals zur Eindämmung des klimaschädlichen Treibhausgasausstoßes gemäß ihrer „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung und Kapazitäten“.

COP27 einigt sich auf Klimaschutzabkommen

Die teilnehmenden Länder haben am frühen Sonntag auf dem COP27-Klimagipfel ein hart erkämpftes endgültiges Abkommen verabschiedet, das einen Fonds einrichtet, um armen Ländern zu helfen, die von Klimakatastrophen heimgesucht werden. Die Bemühungen zur Bekämpfung der Emissionen wurden aber nicht verstärkt, was international für Kritik sorgt.

Diesem Grundsatz folgend teilte die UNO-Klimarahmenkonvention die Staaten in drei Gruppen ein: in reiche Industriestaaten, die die anderen unterstützen müssen, in arme Entwicklungsländer, die ein Anrecht auf finanzielle Hilfen der Industriestaaten bei Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen haben, und in Schwellenländer, die nicht zu Zahlungen an die Entwicklungsländer verpflichtet sind und die außerdem von den Industriestaaten mit „praktischen Schritten“ beim Umstieg auf klimafreundliche Technologien unterstützt werden sollen.

China will nicht Geberland werden

Die Industriestaaten werden in Annex II der Klimarahmenkonvention aufgeführt. Es handelt sich um diejenigen Länder, die 1992 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angehörten, darunter auch Österreich. Das waren lediglich die EU sowie 24 Staaten, darunter noch Ex-EU-Mitglied Großbritannien, Island, die USA, Kanada und Japan – nicht aber zum Beispiel die Staaten des einstigen Ostblocks. Die Türkei wurde 2002 aus der Liste gestrichen.

Andere Wirtschaftsmächte wie Südkorea oder Länder mit sehr hohem Pro-Kopf-Einkommen wie Singapur, Katar und Israel fallen nicht in diese Kategorie und sind daher nicht verpflichtet, sich an der Klimafinanzierung zu beteiligen. Die EU hob hervor, dass sich die Welt seit Anfang der 90er Jahre dramatisch verändert hat.

So ist China mit hohen Wachstumsraten Anfang des vergangenen Jahrzehnts zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen – und ist außerdem mittlerweile Treibhausgasemittent Nummer eins. China wehrt sich aber weiter dagegen, Geberland zu werden, und nutzt dabei auch seinen wirtschaftlichen Einfluss auf viele Entwicklungsländer, etwa in Afrika.

Langwieriger Prozess

Im 2015 geschlossenen Pariser Klimaschutzabkommen wurde die strikte Aufteilung in einigen Bereichen gelockert und beispielsweise weitere Staaten zu freiwilligen Finanzbeiträgen und alle grundsätzlich auch zu Emissionssenkungen aufgerufen, wenn auch in zunächst unterschiedlichem Maße. Zudem ist ein Revisionsprozess für die Klimafinanzierung vorgesehen.

Wird daher der Fonds für Klimaschäden unter dem Pariser Abkommen angesiedelt und nicht unter der Klimarahmenkonvention, könnten Länder wie China dort mittelfristig zumindest grundsätzlich auch zu Einzahlern werden. Eine Antwort auf diese Frage bleibt nun auch die COP27 schuld. Diese Frage wird somit auch in den kommenden Jahren weiter UNO-Klimakonferenzen beschäftigen.

Durchbruch nach zähen Verhandlungen

Der bei der COP27 nun beschlossene Entschädigungsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern – etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch den steigenden Meeresspiegel und die Wüstenbildung. Die Frage um „Loss and Damage“ hatte sich als größter Streitpunkt durch die zweiwöchige Konferenz in Scharm al-Scheich gezogen, die um mehr als 36 Stunden verlängert wurde.

Neben Details, wer genau einzahlen soll, werden in dem Beschluss auch keine konkreten Summen für den neuen Fonds genannt. Das soll auf der COP28 nächstes Jahr in Dubai geklärt werden. Die Konferenz, zu der etwa 34.000 Teilnehmende ans Rote Meer gereist waren, war am Freitagabend in die Verlängerung gegangen. In der Nacht auf Samstag war nach schleppenden und teils chaotischen Abläufen in Verhandlungskreisen Beunruhigung ausgebrochen. Nach zähen Beratungen folgte am frühen Sonntagmorgen schließlich der Durchbruch.

Die USA hatten den neuen Entschädigungsfonds zunächst blockiert, während die als G-77 bekannte Gruppe aus mehr als 130 Entwicklungsländern zusammen mit China Druck aufbaute. Die Europäische Union schwenkte nach anfänglicher Zurückhaltung schließlich um. Man habe sich dazu entschlossen, dem Abschlussdokument zuzustimmen, weil es beim zweiten zentralen Thema dieser COP („Loss und Damage“) Fortschritte gebe, sagte dazu Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne).

Klimaökonom Steiniger zur UNO-Klimakonferenz

Karl Steininger, Klimaökonom des Wegener Centers der Universität Graz, kommentiert die Ergebnisse der UNO-Klimakonferenz in Scharm al-Scheich.

„War nicht einfach“

Doch auch wenn der Ausstieg aus Öl und Gas im Abschlussdokument nicht einmal erwähnt wurde, sei der vereinbarte Hilfsfonds für Klimafolgeschäden in ärmeren Ländern eine Basis für die nächste Konferenz 2023 in Dubai, so Gewessler im Ö1-Morgenjournal.

Das Ergebnis der Weltklimakonferenz seit laut Gewessler dennoch „enttäuschend“. Demnach sei man etwa bei der Reduzierung von Emissionen im Vergleich zu Glasgow im vergangenen Jahr keinen wesentlichen Schritt vorangekommen. In der Abschlusserklärung werden die Staaten lediglich aufgefordert, ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Die Nachbesserungen bleiben freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht.

Zudem bekräftigten die Teilnehmenden am frühen Sonntagmorgen auch ihre frühere Entscheidung, schrittweise aus der Kohle auszusteigen. Ein Abschied von Öl und Gas wird weiter nicht erwähnt. Auch hier bleibt die Erklärung hinter den Forderungen vieler Staaten, Klimaaktivisten und Umweltschützerinnen zurück.

„Das war nicht einfach. Wir haben rund um die Uhr gearbeitet“, sagte COP-Präsident Sameh Schoukry Sonntagfrüh zum Ende der Konferenz. „Jegliche Ausrutscher, die es gegeben haben mag, waren nicht beabsichtigt.“ Die Gespräche der Vertretenden aus rund 200 Ländern seien teilweise angespannt gewesen, aber „am Ende haben wir geliefert“, sagte Schoukry. Die Einigung auf einen neuen Geldtopf für die Folgen von Klimaschäden in ärmeren Ländern gebe Millionen Betroffenen rund um die Welt Hoffnung.