die iranische Schauspielerin Hengameh Ghaziani
APA/AFP/Atta Kenare
Proteste unterstützt

Iran verhaftet zwei Filmstars

Im Iran sind zwei bekannte Schauspielerinnen wegen der Unterstützung der regierungskritischen Proteste festgenommen worden. Sieben weitere Prominente wurden vorgeladen. Im kurdischen Teil des Iran gehen die Sicherheitskräfte offenbar besonders brutal vor. In der Stadt Mahabad marschierten sie laut Augenzeugen mit Panzern ein und feuerten wahllos auf Demonstrantinnen und Demonstranten.

Die Schauspielerinnen Hengameh Ghasiani und Katajun Riahi wurden in Gewahrsam genommen, nachdem sie in der Öffentlichkeit ihr Kopftuch abgenommen hatten, wie iranische Staatsmedien am Sonntag berichteten.

Die 52-jährige Ghasiani, eine vehemente Kritikerin des harten Vorgehens der Behörden gegen die Demonstrierenden, hatte am Samstagabend auf Instagram ein Video veröffentlicht, in dem sie ihr Kopftuch ablegt. „Vielleicht ist das mein letzter Beitrag“, schrieb sie. „Was auch immer mit mir geschieht, ihr sollt wissen, dass ich bis zu meinem letzten Atemzug auf der Seite der iranischen Bevölkerung stehe.“ Vergangene Woche hatte sie die iranische Staatsführung als „Kindermörder“ bezeichnet und ihr vorgeworfen, mehr als 50 Kinder „ermordet“ zu haben.

Laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA wurde Ghasiani wegen Anstiftung zu und Unterstützung von „Unruhen“ sowie wegen Kontakts zu oppositionellen Medien festgenommen. Riahi hatte sich ebenfalls mit der Protestbewegung solidarisiert. Im September hatte sie dem in London ansässigen TV-Sender Iran International ein Interview gegeben, bei dem sie kein Kopftuch trug.

Weitere Prominente vorgeladen

Auch sieben weitere Prominente aus Film, Sport und Politik wurden nach Angaben der iranischen Justizbehörde von der Staatsanwaltschaft vorgeladen. Unter ihnen sei auch Jahja Golmohammadi, Trainer des Teheraner Fußballvereins Persepolis FC. Er hatte die Spieler der iranischen Nationalmannschaft dafür kritisiert, dass sie „die Stimme des unterdrückten Volkes nicht den Behörden zu Gehör bringen“.

Am Sonntag äußerte sich der Kapitän der iranischen Fußballnationalmannschaft, Ehsan Hadschsafi. Vor dem ersten Match gegen England betonte er, die „Bedingungen in meinem Land sind nicht gut, und die Spieler wissen das auch. Wir sind hier (in Katar, Anm.), aber es bedeutet nicht, dass wir nicht ihre Stimme sein sollen oder wir sie nicht respektieren müssen“, so Hadschsafi unter Bezugnahme auf all jene Menschen, die in den Protesten gegen das Regime ums Leben gekommen sind.

Mindestens 400 Menschen wurden durch das Vorgehen der Sicherheitskräfte getötet und mehr als 16.000 verhaftet. Die Familien sollten „wissen, dass wir auf ihrer Seite stehen, sie unterstützen und mit ihnen fühlen“, so Hadschsafi.

Sechstes Todesurteil

Unterdessen wurde erneut ein Angeklagter im Zusammenhang mit den Protesten zum Tode verurteilt. Das Revolutionsgericht in Teheran befand ihn für schuldig, „während der jüngsten Unruhen ein Messer gezogen“ zu haben, „mit der Absicht zu töten, Terror zu verbreiten und die Gesellschaft zu verunsichern“, wie die iranische Justizbehörde am Sonntag auf ihrer Website Misan Online bekanntgab.

Es ist bereits das sechste im Zusammenhang mit den Demonstrationen verhängte Todesurteil. Der Iran wird seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini am 16. September von Protesten erschüttert. Die 22-Jährige war von der Religionspolizei festgenommen worden, da sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll. Sie starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Aktivisten werfen der Polizei vor, Amini misshandelt zu haben.

Die iranischen Behörden bezeichnen die meisten Demonstranten als „Randalierer“, die von ausländischen Mächten instrumentalisiert würden, und schlagen die Proteste mit aller Härte nieder.

Augenzeugen: Schüsse auf Demonstrierende

In Mahabad im kurdischen Nordwesten des Landes kam es unterdessen laut Augenzeugen bei Protesten zu ausufernder Gewalt. Polizei- und Sicherheitskräfte sollen am Samstagabend mit Panzern in die Stadt einmarschiert sein und wahllos auf Demonstranten geschossen haben. Auch der Strom in der Stadt sei kurzfristig abgeschaltet worden. Die Situation sei eskaliert – zahlreiche Einwohner wurden verletzt, wie Augenzeugen berichteten.

Unklar ist, ob es auch Tote gab. Die Schilderungen ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die regierungsnahe Nachrichtenagentur Tasnim stellte die Situation anders dar: In der Nacht auf Sonntag hätten „bewaffnete Terroristen“ Privathäuser und öffentliche Einrichtungen in Brand gesetzt und die ganze Stadt und deren Einwohner in Panik versetzt. Mehrere Anführer der „Terrorgruppen“ hätten jedoch überführt und inhaftiert werden können, so der Tasnim-Bericht unter Berufung auf örtliche Sicherheitsbehörden.

Streiks gegen Polizeigewalt

Tausendfach in sozialen Netzwerken geteilte Videos zeigten Militärkonvois, die durch die Straßen fuhren. Ort und Zeit der Aufnahmen ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die in Oslo ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw berichtete unter Berufung auf Augenzeugen von Helikoptern, die über dem Himmel der kurdisch-iranischen Stadt kreisten.

In zuvor von Aktivisten veröffentlichten Aufnahmen sind Protestierende in Mahabad zu sehen, die auf der Straße sitzen und Barrikaden errichten – unter anderem nach den Beerdigungen von getöteten Demonstranten. Geschäftsbesitzer in der gesamten Region würden am Sonntag streiken, um gegen die Gewalt der Polizei zu protestieren, berichtete Hengaw weiter.

Am Sonntag äußerte sich Hengaw auch besorgt über die Lage in anderen mehrheitlich von Kurden bewohnten Städten, darunter Bukan und Sakes. Dort hatten die Proteste zuletzt zugenommen. Sakes ist der Heimatort von Mahsa Amini. Am Tod der jungen Kurdin hatten sich die seit zwei Monaten andauernde Proteste im Iran entzündet.

Iran: Angriffe auf Kurdenstützpunkte im Irak

Der Iran griff unterdessen nach eigenen Angaben in der Nacht auf Montag erneut Ziele im benachbarten Nordirak an. Mit Raketen und Drohnen seien Stützpunkte kurdischer Separatistengruppen angegriffen worden, berichtete die Nachrichtenagentur Tasnim. Bereits in den vergangenen Wochen hatte die Islamische Republik immer wieder Stellungen im Nordirak bombardieren lassen. Teheran wirft den kurdischen Gruppen im Nordirak vor, die Proteste im Iran zu unterstützen.