Iranische Fans mit dem Banner „Women Life Freedom“
Reuters/Paul Childs
Bei Fußball-WM in Katar

Iranische Mannschaft unterstützt Proteste

Die Proteste im Iran sind auch bei der Fußball-WM in Katar präsent. Beim Auftaktspiel der Nationalmannschaft gegen England verweigerten die iranischen Spieler die Nationalhymne. Ausgelegt wurde die Geste als Unterstützung für die Proteste daheim – was durchaus noch Folgen haben könnte. Teheran geht mit allen Mitteln gegen die Opposition vor. Zuletzt wurden zwei Schauspielerinnen festgenommen.

Das staatliche iranische TV hatte die Liveübertragung bei der Hymne unterbrochen. Den Spielern der Nationalmannschaft drohen Konsequenzen. Schon zuvor war im Iran spekuliert worden, sie könnten gesperrt werden, sollten sie bei der Nationalhymne schweigen.

Der iranische Kapitän Ehsan Hadschsafi hatte am Sonntag sein Beileid für die trauernden Familien der Opfer im Iran ausgedrückt. Die Mannschaft habe zu akzeptieren, dass die Bedingungen im Land nicht gut und die Menschen nicht glücklich seien. Darüber seien sich die Spieler bewusst.

Unterschiedliche Meinungen

Der iranische Stürmer Mehdi Taremi hatte vor dem Turnier erklärt, die Mannschaft wolle sich in Katar nicht von den Protesten in der Heimat beeinflussen lassen. „Wir haben auch andere Aufgaben gegenüber der iranischen Gesellschaft, hier aber ist unsere Konzentration auf dem Fußball“, sagte er.

Katar-WM: Iran-Spieler schweigen bei Nationalhymne

Die Spieler der iranischen Nationalmannschaft haben beim WM-Auftaktspiel gegen England die Nationalhymne nicht mitgesungen. Iranische Aktivisten sehen darin eine Geste der Unterstützung für die landesweiten Proteste im Land, die immer brutaler unterdrückt werden.

Auch vereinzelte iranische Fans drückten ihre Solidarität mit den Protesten in ihrem Heimatland aus. Vor der Partie gegen England waren Fans mit iranischen Trikots und der Aufschrift „Frauen, Leben, Freiheit“ zu sehen.

Zwei bekannte Schauspielerinnen in Haft

Inzwischen wurden neben Hunderten anderen Regierungsgegnern und Regierungsgegnerinnen zwei bekannte Schauspielerinnen wegen ihrer Unterstützung der Proteste festgenommen, weitere Personen erhielten Vorladungen der Behörden. Die Schauspielerinnen Hengameh Ghasiani und Katajun Riahi wurden in Gewahrsam genommen, nachdem sie in der Öffentlichkeit ihr Kopftuch abgenommen hatten, wie iranische Staatsmedien am Sonntag berichtet hatten.

Die 52-jährige Ghasiani, eine vehemente Kritikerin des harten Vorgehens der Behörden gegen die Demonstrationen, hatte am Samstag auf Instagram ein Video veröffentlicht, in dem sie ihr Kopftuch ablegt. „Vielleicht ist das mein letzter Beitrag“, schrieb sie. „Was auch immer mit mir geschieht, ihr sollt wissen, dass ich bis zu meinem letzten Atemzug auf der Seite der iranischen Bevölkerung stehe.“ Vergangene Woche hatte sie die iranische Staatsführung als „Kindermörder“ bezeichnet und ihr vorgeworfen, mehr als 50 Kinder „ermordet“ zu haben.

Laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA wurde Ghasiani wegen Anstiftung zu und Unterstützung von „Unruhen“ sowie wegen Kontakts zu oppositionellen Medien festgenommen. Riahi hatte sich ebenfalls mit der Protestbewegung solidarisiert. Im September hatte sie dem in London ansässigen TV-Sender Iran International ein Interview gegeben, bei dem sie kein Kopftuch trug.

Weitere Prominente vorgeladen

Auch sieben weitere Prominente aus Film, Sport und Politik wurden nach Angaben der iranischen Justizbehörde von der Staatsanwaltschaft vorgeladen. Unter ihnen sei auch Jahja Golmohammadi, Trainer des Teheraner Fußballvereins Persepolis FC. Er hatte die Spieler der iranischen Nationalmannschaft dafür kritisiert, dass sie „die Stimme des unterdrückten Volkes nicht den Behörden zu Gehör bringen“. Bei den landesweiten Protesten im Iran sind mittlerweile nach Schätzungen mindestens 400 Menschen getötet worden, mehr als 15.000 sollen inhaftiert worden sein.

Das sechste Todesurteil

Unterdessen wurde erneut ein Angeklagter im Zusammenhang mit den Protesten zum Tode verurteilt. Das Revolutionsgericht in Teheran befand ihn für schuldig, „während der jüngsten Unruhen ein Messer gezogen“ zu haben, „mit der Absicht zu töten, Terror zu verbreiten und die Gesellschaft zu verunsichern“, wie die iranische Justizbehörde am Sonntag auf ihrer Website Misan Online bekanntgab.

Es ist bereits das sechste im Zusammenhang mit den Demonstrationen verhängte Todesurteil. Der Iran wird seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini am 16. September von Protesten erschüttert. Die 22-Jährige war von der Religionspolizei festgenommen worden, da sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll. Sie starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Aktivisten werfen der Polizei vor, Amini misshandelt zu haben.

Die iranischen Behörden bezeichnen die meisten Demonstranten als „Randalierer“, die von ausländischen Mächten instrumentalisiert würden, und schlagen die Proteste mit aller Härte nieder.

Berichte über Schüsse auf Demonstrierende

In Mahabad im kurdischen Nordwesten des Landes kam es unterdessen laut Augenzeugen bei Protesten zu ausufernder Gewalt. Polizei- und Sicherheitskräfte sollen am Samstagabend mit Panzern in die Stadt einmarschiert sein und wahllos auf Demonstranten geschossen haben. Auch der Strom in der Stadt sei kurzfristig abgeschaltet worden. Die Situation sei eskaliert – zahlreiche Einwohner wurden verletzt, wie Augenzeugen berichteten.

Unklar ist, ob es auch Tote gab. Die Schilderungen ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die regierungsnahe Nachrichtenagentur Tasnim stellte die Situation anders dar: In der Nacht auf Sonntag hätten „bewaffnete Terroristen“ Privathäuser und öffentliche Einrichtungen in Brand gesetzt und die ganze Stadt und deren Einwohner in Panik versetzt. Mehrere Anführer der „Terrorgruppen“ hätten jedoch überführt und inhaftiert werden können, so der Tasnim-Bericht unter Berufung auf örtliche Sicherheitsbehörden.

Auch in den Kurdengebieten in Piranschahr, Mariwan und Dschawanrud soll Menschenrechtsorganisationen zufolge mit scharfer Munition gegen Demonstrierende geschossen worden sein. Die in Norwegen ansässige Organisation Hengaw veröffentlichte am Montag Videos, auf denen Schüsse zu hören sind. Die von Hengaw angegebene Zahl von 13 Toten binnen 24 Stunden konnte nicht unabhängig überprüft werden.

Streiks gegen Polizeigewalt

Tausendfach in sozialen Netzwerken geteilte Videos zeigten Militärkonvois, die durch die Straßen fuhren. Ort und Zeit der Aufnahmen ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die in Oslo ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw berichtete unter Berufung auf Augenzeugen von Helikoptern, die über dem Himmel der kurdisch-iranischen Stadt kreisten.

In zuvor von Aktivisten veröffentlichten Aufnahmen sind Protestierende in Mahabad zu sehen, die auf der Straße sitzen und Barrikaden errichten – unter anderem nach den Beerdigungen von getöteten Demonstranten. Geschäftsbesitzer in der gesamten Region würden am Sonntag streiken, um gegen die Gewalt der Polizei zu protestieren, berichtete Hengaw weiter.

Am Sonntag äußerte sich Hengaw auch besorgt über die Lage in anderen mehrheitlich von Kurden bewohnten Städten, darunter Bukan und Sakes. Dort hatten die Proteste zuletzt zugenommen. Sakes ist der Heimatort Aminis.