EU-Schild an der kroatischen Grenze
AP/Gregor Macak Martin
Vor Nehammer-Besuch

Schengen-Zwist zwischen Wien und Zagreb

Das mögliche österreichische Veto zum Schengen-Beitritt Kroatiens sorgt weiter für politische Diskussionen in Zagreb. Ministerpräsident Andrej Plenkovic war am Montag um Beruhigung bemüht. Die österreichische Regierung reagiere lediglich auf die Besorgnis der Österreicher über die illegale Migration, sagte Plenkovic. Österreichische EU-Abgeordnete hielten unterdessen an der Schengen-Erweiterung fest.

Kurz vor seinem Besuch in Kroatien hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Vetodrohung von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) für eine Erweiterung des Schengen-Raums in Bezug auf Kroatien relativiert. „Aus Kroatien spüren wir kaum einen Migrationsdruck in den Norden. Da Kroatien den Grenzschutz vorbildlich erfüllt, sehe ich da kein Problem. Über die Länder wird ja einzeln abgestimmt“, sagte Nehammer laut der „Kleinen Zeitung“ am Dienstag in Klagenfurt.

In einer Stellungnahme gegenüber der APA argumentierte Nehammer wie zuvor Karner, dass eine Ausweitung des Schengen-Gebietes „ein falsches Signal“ wäre, so lange die Außengrenzen nicht ausreichend geschützt seien. „Ein Europa ohne Grenzen nach innen funktioniert nur mit starken Grenzen nach außen“, so der Bundeskanzler, der einmal mehr die EU-Kommission in der Pflicht sah.

Nehammer reist am Mittwoch zu bilateralen Gesprächen nach Zagreb. Er werde dort unter anderem mit Plenkovic auch die Schengen-Erweiterung besprechen, hieß es auf ORF.at-Nachfrage aus dem Bundeskanzleramt. Offene Grenzen nach innen könne es nur geben, wenn die Außengrenzen geschützt sind. Deshalb werde man auch den Außengrenzschutz ansprechen.

Schengen-Raum:

1985 wurde im Luxemburger Ort Schengen das Abkommen für die Abschaffung der Grenzkontrollen in Europa unterzeichnet. Das Prinzip lautet: Kontrollen zwischen den Mitgliedsstaaten werden aufgehoben, dafür wird die Kontrolle der Außengrenzen verstärkt. Mittlerweile traten 26 Staaten Schengen bei.

Kritik an Österreich

„Der Grund, warum Österreich besorgt ist, ist nicht Kroatien, sondern die steigende Zahl von Asylwerbern in Österreich“, sagte Plenkovic nach Angaben der Nachrichtenagentur HINA. Zwar verstehe er die Sorgen Wiens, doch erwarte er Unterstützung und Verständnis für das, was Kroatien auf dem Weg zur Erfüllung der Schengen-Beitrittskriterien getan habe.

„Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende erfolgreich sein werden“, sagte Plenkovic im Vorfeld des Besuchs von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch in Zagreb. Schärfer äußerte sich der kroatische Staatspräsident Zoran Milanovic. „Die Äußerungen sind besorgniserregend“, sagte er mit Blick auf Karner.

Milanovic kündigte an, dass er bei Nehammers Zagreb-Besuch mit dem Kanzler sprechen „und mich für unseren Beitritt einsetzen“ werde. „Mehr kann ich nicht tun“, sagte der frühere sozialdemokratische Regierungschef. Karners Widerstand gegen die Schengen-Erweiterung sei in Wirklichkeit „eine Abrechnung zwischen einigen EU-Mitgliedern auf Kosten Kroatiens“.

Andrej Plenkovic
AP/Ondrej Deml
Der kroatische Ministerpräsident strebt eine tiefere Integration Kroatiens in die EU an

EU-Abgeordnete halten an Schengen-Erweiterung fest

Österreichische Abgeordnete des Europaparlaments halten unterdessen an einer Schengen-Erweiterung um Kroatien, Bulgarien und Rumänien fest. Das EU-Parlament habe der Aufnahme der Länder zugestimmt, dazu gebe es keine Änderung, sagte der ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl am Dienstag in Straßburg. Es brauche aber „einen Weckruf“ für Tempo und Verbesserungen an der Asyl- und Migrationspolitik. „Schengen wollen wir nicht infrage gestellt wissen“, so die SPÖ-Europaabgeordnete Theresa Muigg.

Schieder: Karners Kritik „ins Leere gegangen“

SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder sagte, die Kritik Karners an Schengen sei gerade im Falle Kroatiens „ins Leere gegangen“. Bei Bulgarien „gibt es ein paar Fragen“, so Schieder, aber er befürworte dennoch einen Schengen-Beitritt Sofias. Muigg warnte davor, Themen populistisch gegeneinander auszuspielen.

Grafik zum Schengenraum
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: EU-Kommission/schengenvisa.com

Asyl- und Migrationspaket als „Diskussionsgrundlage“

Die Abgeordneten forderten einen Beschluss des Asyl- und Migrationspakets der EU-Kommission. Mandl bezeichnete dieses als gute Diskussionsgrundlage. Was noch fehle, seien Solidarität und Anrechnung bisheriger Leistungen zur Flüchtlingsaufnahme und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten beim Resettlement, also der dauerhaften Neuansiedlung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge in einem zur Aufnahme bereiten Drittstaat.

Mandl übte scharfe Kritik an der mit Mehrheit beschlossenen Haltung des Europaparlaments, allen Geflüchteten wie Ukrainern temporären Schutzstatus gewähren zu wollen. Das wäre realitätsfremd und außerdem ein völlig falsches Signal an Schlepper. Schieder bemängelte, dass Österreich zu jenen Staaten gehöre, die die Migrationsvorschläge der EU-Kommission blockierten und nunmehr die EU-Behörde kritisierten.

Mandl sagte, es brauche klare Regeln für Asyl, irreguläre Migration und legale Zuwanderung. Europa müsse sich rüsten, es sollte insbesondere Besorgnis auslösen, dass Serbien Bürgern jener Staaten Visafreiheit gebe, die den Kosovo nicht anerkennen, und damit Migrationsdruck auslöse. Das sei „Teil der hybriden Kriegsführung“. Muigg plädierte für ein einheitliches europäisches Asylverfahren, wo versucht werde, mehr und weniger aussichtsreiche Anträge von Beginn an zu trennen.

Vilimsky: Schengen ist nicht das richtige Konzept

Scharfe Kritik am Schengen-System übte FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky. „Schengen ist nicht das richtige Konzept für die aktuelle Zeit“, sagte er. Die EU-Außengrenze werde nicht ausreichend geschützt. Daher müssten die Staaten das Recht haben, ihre Grenzen zu schützen. Die Migration sei heute stärker als im Jahr 2015.