Abgebranntes Waldgebiet in Griechenland
Reuters/Alexandros Avramidis
Knapp 3.000 Feuer

Europas Lehren aus dem Jahr der Brände

Bilder von verheerenden Waldbränden – sei es in Frankreich, Spanien, Kroatien und sogar Großbritannien – haben diesen Sommer geprägt. Der Vergleich zum langjährigen Trend zeigt, welche Einflüsse die Klimakrise auch auf die Waldbrandsaison hat – wenngleich fast alle Brände letztendlich vom Menschen verursacht sind.

Knapp 2.700 Feuer hat das Europäische Waldbrandinformationssystem (EFFIS) heuer bis Ende November registriert. Das ist rund dreimal so viel wie im langjährigen Vergleich von 2006 bis 2021. Auch hat es heuer vergleichsweise früh großflächiger gebrannt, nämlich bereits im März. Über 7.800 Quadratkilometer verbrannte Erde hat die EU heuer insgesamt zu verzeichnen, so die Schätzungen des EFFIS.

Damit ist 2022 mehr als doppelt so viel Fläche abgebrannt als im langjährigen Schnitt. Bereits Ende Juni war diese Schwelle von knapp 3.200 Quadratkilometern erreicht. „Heuer war das Jahr mit der zweitgrößten verbrannten Fläche in der Geschichte der Europäischen Union, es wurde nur von 2017 übertroffen“, resümiert Jesus San-Miguel-Ayanz, EFFIS-Koordinator bei der Gemeinsamen Forschungsstelle (Joint Research Centre, JRS) der EU-Kommission.

Bei den Bränden, die EFFIS analysiert, handelt es sich nicht nur um Waldbrände, sondern allgemein um Vegetationsbrände. Erfasst werden Feuer in Europa mit mindestens 0,3 Quadratkilometer Fläche mit Hilfe von Satellitendaten. Brände, die ausschließlich auf Agrarflächen stattfinden, werden exkludiert, da es sich meist um bewusste, kontrollierte Feuer handelt.

Mediterraner Hotspot

Besonders oft und viel hat es im Süden Europas gebrannt, etwa in Spanien, Portugal, Frankreich und Italien. „Heuer waren vor allem die zentralen und westlichen Mittelmeer-Länder betroffen“, fasst San-Miguel-Ayanz zusammen. Dass es in heißeren und trockeneren Gegenden leichter zu Waldbränden kommen kann, ist nicht ungewöhnlich.

Aber selbst im Großraum London kam es heuer im Sommer zu mehreren Bränden – und zu britischen Temperaturhöchstständen von 40,2 Grad Celsius. „Die Wetterbedingungen haben zur höchsten Brandgefahr in den letzten 40 Jahren geführt, und deshalb gab es viele Brände – auch in Slowenien, Deutschland und der Tschechischen Republik“, sagt San-Miguel-Ayanz.

In Portugal sind rund 1,14 Prozent der gesamten Landesfläche abgebrannt, in Spanien war der Anteil mit 0,6 Prozent deutlich niedriger. Während die Brandfläche Portugals heuer im Vergleich zum langjährigen Schnitt nicht stark gestiegen ist, hat sich Spaniens Brandfläche mehr als vervierfacht. Doch der länderspezifische Vergleich ist schwierig – nicht nur wegen unterschiedlicher Landergrößen, sondern auch wegen unterschiedlicher Landschaften und Vegetationen.

Brandflächen (mindestens 30 Hektar) in Portugal, Spanien und Frankreich bis zum 15.11.2022

Auffällig war heuer jedenfalls, dass die Brände relativ gleichzeitig stattgefunden haben. „Gerade im Sommer ist der mediterrane Raum der Hotspot“, erklärt auch Harald Vacik vom Institut für Waldbau an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien. Vielerorts seien die Feuerwehren deshalb tagelang auf Abruf, weil sie bereits wüssten, dass sie schnell reagieren müssten. „Das ist jetzt nicht unüblich, aber das Ausmaß und die Größe der Brände hat dann doch sehr viele überrascht“, so der Waldbrandexperte im Gespräch mit ORF.at.

Brandflächen (mindestens 30 Hektar) in Italien, Österreich, Kroatien und Griechenland bis zum 15.11.2022

Europäischer Erfahrungsaustausch essenziell

Entscheidender Faktor in der Bekämpfung seien die Möglichkeiten und Ressourcen, die für die Löscharbeiten zur Verfügung stehen. So haben portugiesische Einsatzkräfte ganz andere Erfahrungswerte und auch Ressourcen als etwa rumänische. In Rumänien habe es dieses Jahr viele Vegetationsbrände gegeben, bei denen zum Beispiel Landwirte Abbrennarbeiten von Vegetationsmaterial durchgeführt hätten. „Wenn in einem extrem trockenen Frühjahr wie heuer dieses Feuer außer Kontrolle gerät, greift es sehr schnell auch auf den Wald über“, so Vacik.

In Österreich würden durch die große Anzahl an Freiwilligen Feuerwehren solche Brände relativ rasch bekämpft werden können. Die verbrannte Fläche könne so vergleichsweise besser gering gehalten werden. Fehlten die Mittel und Möglichkeiten, um rasch – also innerhalb der ersten Stunde des Auftretens des Brandes – eingreifen zu können, sei es schwierig, derartige Brände noch unter Kontrolle zu bringen.

Fotostrecke mit 6 Bildern

Feuerwehrleute bei einem Waldbrand in Ramsau
APA/BFKDO Lillienfeld
In Österreich können auch durch die große Anzahl an Freiwilligen Feuerwehren Brände relativ rasch bekämpft werden
Ein Mitarbeiter der Feuerwehr bei der Brandbekämpfung eines Waldbrandes
APA/Bezirkspresseteam BFKDO
Trotzdem kam es heuer zu größeren Waldbränden. Im Juli verbrannten etwa auf einem Bundesheergelände im niederösterreichischen Großmittel mehr als 70 Hektar.
Waldbrand bei Saint-Magne in Frankreich
Reuters/Stephane Mahe
Französische Einsatzkräfte hatten fast den ganzen Sommer mit schweren Waldbränden rund um Bordeaux zu kämpfen
Satellitenbild von abgebranntem Wald in Frankreich
Reuters/Planet Labs Pbc
Die Brände waren auch auf Satellitenbildern sichtbar, wie Aufnahmen der berühmten Düne von Arcachon vom Juli zeigen
Feuerwehrleute vor Waldbrand in Kroatien
AP
Auch in Kroatien nahe der Stadt Sibenik kämpften Einsatzkräfte an der Adria-Küste stundenlang an der Eindämmung der Lauffeuer
Waldbrand bei Koelsa in Deutschland
Reuters/Annegret Hilse
Neben den mediterranen Hotspots hatte etwa auch Deutschland ungewöhnlich viel verbrannte Fläche zu verzeichnen. Im Juli brach nahe Falkenberg ein Brand aus, der sich rasch auf mehrere hundert Hektar ausbreitete.

Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch seien daher auch heuer wieder essenziell gewesen, resümiert Vacik die Waldbrandsaison. „Das ist etwas, das immer wichtiger wird.“ Dabei ginge es nicht nur um Ressourcen wie etwa Löschflugzeuge und Helikopter, sondern auch um Kommunikation und Sprache sowie den Austausch von Techniken, die angewandt werden. Die Zusammenarbeit zwischen Feuerwehren, Forstbehörden und Einsatzorganisationen müsse nicht nur auf nationaler Ebene geübt werden.

„Wenn die Kommunikation zwischen den Bodentruppen von Einsatzkräften und den Fliegern, die vielleicht aus Italien oder Portugal kommen, um zu helfen, nicht gut oder nicht aufeinander abgestimmt ist, dann hat man zwar viele Ressourcen, aber kann sie nicht auf den Boden bringen“, skizziert Vacik. Daher gebe es auf europäischer Ebene immer wieder Trainings, an denen auch österreichische Einsatzkräfte teilnehmen. Das dabei erworbene Wissen nütze dann auch Österreich, wenn es im eigenen Land brennt.

Erhöhte Brandgefahr durch Klimakrise

Zwar sind Waldbrände auch ein saisonales Naturphänomen und können – vor allem dem Boden – als gesunde Erneuerung des Ökosystems dienen. Doch im Zusammenhang mit der Klimakrise steigt auch die Anzahl und Intensität der Extremwetterereignisse wie etwa Dürren. Trockene Böden und lange Hitzewellen dienen als Zündstoff für Waldbrände. Schon kleinste Funken können ein Feuer entfachen, die sich rasch ausbreiten.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver.

Auch in Österreich war dieser Zusammenhang heuer bei zwei größeren Waldbränden auf Truppenübungsplätzen im Frühjahr zu beobachten. „Die Brände in Großmittel und Allentsteig waren für österreichische Verhältnisse bemerkenswert, weil das doch einige 100 Hektar waren, die da gebrannt haben“, so Vacik. Das sei auch auf die sehr trockene Situation im Frühling zurückzuführen.

Die Waldbrandsaison 2022 hat also gezeigt: Die Feuerperiode – stark beeinflusst durch die Klimakrise – wird zunehmend länger. „Wir sehen einen sehr starken Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und dem Auftreten von Bränden“, so Vacik.

Die Saison beginne zunehmend früher, was mit dem Niederschlagsverhalten zusammenhänge. Ein trockener, regen- und schneearmer Winter führe zu einem trockenen Frühjahr. „Da ist keine Feuchtigkeit im Boden, weil der wenige Schnee relativ rasch ausapert.“

Umgekehrt werde die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Bränden rein wetterbedingt ebenso verstärkt, wenn es im Herbst – wie heuer im Oktober – ungewöhnlich lange sehr warm ist. Die Brandsaison endet daher auch tendenziell später. Die Tendenz zur längeren Feuersaison sei in ganz Europa zu beobachten, bestätigt auch San-Miguel-Ayanz. Zudem weite sich die Feuersaison auch räumlich aus, zunehmend größere Gebiete seien von Bränden betroffen.

Auslöser Mensch

Letztendlicher Auslöser für Waldbrände sind aber nicht trockene Böden oder hohe Temperaturen, sondern zum Großteil der Mensch selbst. Laut Waldbranddatenbank der BOKU wurden 2022 rund drei Viertel aller unkontrollierten Waldbrände durch Menschen verursacht, knapp ein Fünftel ist auf natürliche Ursachen zurückzuführen.

„Wenn es keinen Auslösefaktor gibt, dann entsteht – selbst, wenn die Bedingungen günstig sind – kein Waldbrand“, so Vacik. In Österreich sei zu einem Großteil noch immer die Zigarette der Auslöser. Aber auch Lagerfeuer und Abbrennarbeiten, die außer Kontrolle geraten, zählen zu häufigen Auslösern. „Und sogar Brandstiftung ist immer noch ein Faktor.“ Dabei gebe es einfache Maßnahmen, um Feuer gar nicht erst auszulösen, aber leider würden sie nicht beachtet, sagt der Waldbrandexperte.

Prävention durch Bewusstseinsbildung

Es fehle nach wie vor an ausreichender Bewusstseinsbildung. „Ich mache immer den Vergleich mit den Lawinenwarnstufen. Die kennt der gelernte Österreicher und die gelernte Österreicherin. Gleiches ist aber mit einer Waldbrandstufe nicht verbreitet“, so Vacik. Vor allem in Österreich sei das Problem weniger in den Köpfen verankert, das Thema werde meistens nur mit mediterranen Ländern assoziiert.

Auch für San-Miguel-Ayanz stellt die Aufklärung der Menschen die wichtigste Maßnahme zur Vermeidung von Waldbränden dar: Wenn die Brandgefahr hoch sei und klar sei, dass sich entfachte Feuer schnell ausbreiten könnten, sei die einzige Möglichkeit, um Brände zu verhindern, die Auslöser zu vermeiden. „In der EU sind etwa 96 Prozent der Brände von Menschen verursacht.“

Als positive Entwicklung heuer merkt der EFFIS-Koordinator die vergleichsweise niedrige Zahl der Opfer an: „Im Jahr 2017 – das einzige Jahr, in dem mehr Fläche verbrannt ist als heuer – gab es über 130 Menschen, die durch Brände getötet wurden. 2022 war diese Zahl deutlich niedriger“, so San-Miguel-Ayanz. Dank Langzeitprognosen sei im Vorhinein klar gewesen, dass die Brandgefahr heuer groß sein werde. Viele Länder hätten sich daher gut auf die Lage vorbereitet.

In puncto Prävention spielt nämlich auch das Waldmanagement eine wichtige Rolle – als gutes Beispiel nennt der EFFIS-Verantwortliche hier Österreich. „Die Forstwirtschaft in Österreich ist stark, es gibt also eine Bewirtschaftung der Wälder, und das hilft.“ Denn die Begrenzung der Brennstoffmenge, die sich auf dem Boden befindet, kann die Ausbreitung von Feuern verlangsamen beziehungsweise eindämmen. Allgemein sieht der Experte in der Präventionsarbeit der EU-Staaten aber noch Luft nach oben.