Raketeneinschlag vor Haus
Reuters
Russische Raketenangriffe

Tote in Kiew, mehrere AKWs vom Netz

In der gesamten Ukraine ist am Mittwoch Luftalarm ausgelöst worden. Bei neuen russischen Raketenangriffen wurden nach Angaben der Ukraine mehrere Zivilisten getötet – darunter auch in der Hauptstadt Kiew. Ziel der russischen Angriffe war erneut die kritische Infrastruktur des Landes, wie unter anderem der Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko, mitteilte. Ukrainischen Angaben zufolge wurden infolge der Angriffe drei AKWs vom Netz getrennt.

Die Region Kiew ist nach den Angriffen ohne Strom. In der Hauptstadt Kiew mit ihren drei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern war zudem die Wasserversorgung unterbrochen. Fachleute seien laut Klitschko im Einsatz, um diese so schnell wie möglich wiederherzustellen. Durch den russischen Beschuss sei auch ein Objekt der kritischen Infrastruktur beschädigt worden, schrieb Klitschko auf Telegram. Um welches Gebäude es sich handelte, ist unklar.

Nach Angaben der Militärverwaltung wurden in Kiew vier Menschen getötet und 27 weitere verletzt. In der nahe Kiew gelegenen Stadt Wyschorok wurde Agenturangaben zufolge ein Wohnhaus von einer Rakete getroffen. Der Gouverneur der Region Kiew, Oleksij Kuleba, forderte die Bevölkerung der Hauptstadt auf, in Schutzräumen zu bleiben.

Tote in Kiew nach Raketenangriff

Bei neuen russischen Raketenangriffen auf Kiew wurden nach Angaben der Ukraine mehrere Zivilisten getötet. Ziel der russischen Angriffe war erneut die kritische Infrastruktur des Landes, wie unter anderen der Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko, mitteilte.

Über Explosionen – teils auch durch die Flugabwehr – wurde auch aus den Gebieten Odessa, Mykolajiw, Poltawa und Dnipropetrowsk berichtet. Die westukrainische Stadt Lwiw war nach Angaben von Bürgermeister Andrij Sadowyj nach Angriffen zunächst komplett ohne Strom.

Handbetriebene Sirenen sollen vor Luftangriffen warnen

In den Stadtteilen von Kiew mit völligem Stromausfall sollen handbetriebene Sirenen und Lautsprecher vor möglichen neuen russischen Luftangriffen warnen. Das teilte die Verwaltung der ukrainischen Hauptstadt am Mittwochabend mit. Polizei und Katastrophenschutz setzten solche Geräte ein. „Bitte beachten Sie diese Warnungen und suchen Sie im Fall von Luftalarm einen Schutzraum auf“, hieß es.

Drei Atomkraftwerke vom Netz genommen

Nach erneuten russischen Angriffen auf die ukrainische Energieinfrastruktur der Ukraine sind drei ukrainische Atomkraftwerke vom Stromnetz getrennt worden. Aufgrund der Stromausfälle sei das Notfallsystem der AKWs Riwne, Piwdennoukrainsk und Chmelnyzka aktiviert worden, teilte der staatliche Betreiber Enerhoatom mit. Daraufhin seien alle Reaktoren automatisch vom Stromnetz abgetrennt worden.

Laut Enerhoatom blieben die Strahlungswerte in den Anlagen und ihrer Umgebung unverändert. Sobald sich das Stromnetz normalisiert habe, würden die drei Atomkraftwerke wieder ans Netz gehen.

Auch die Versorgung des von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerks Saporischschja im Süden der Ukraine aus dem ukrainischen Stromnetz sei gestoppt worden, teilte Enerhoatom weiter mit. Dort seien derzeit Dieselgeneratoren in Betrieb.

Ukrainische Luftwaffe zählte 71 feindliche Raketen

Die russische Armee setzte bei ihrem Luftangriff auf die Ukraine am Mittwoch nach Kiewer Zählung 71 Raketen sowie Kampfdrohnen ein. 51 russische Raketen sowie fünf Drohnen seien im Anflug abgeschossen worden, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Den Angaben zufolge setzte Russland Marschflugkörper der Typen Ch-101 und Ch555 ein, die von Flugzeugen aus gestartet wurden. Dazu kamen seegestützte Marschflugkörper des Typs Kalibr. Den bisher größten Angriff mit etwa 100 eingesetzten Raketen hatte es am 15. November gegeben.

Russland habe das Energiesystem und „gewöhnliche Leute“ mit einem tragischem Ergebnis beschossen, sagte Präsident Wolodymyr Selenskjy in einer kurzen Videobotschaft: Es gebe Tote und Verletzte. Fachleute bemühten sich, die Schäden am Energienetz zu beheben. „Wir werden alles erneuern, und wir werden alles überstehen, denn wir sind ein unbeugsames Volk.“

Moldawien meldet „massive Stromausfälle“

Nach den neuen russischen Raketenangriffen auf die Ukraine hat auch deren Nachbarland Moldawien von großflächigen Blackouts berichtet. „Nach Russlands Bombardierung des ukrainischen Energiesystems in der vergangenen Stunde haben wir landesweit massive Stromausfälle“, teilte der moldawische Vizepremier Andrei Spinu auf Telegram mit. Der Versorger Moldelectrica arbeite daran, das Problem zu lösen. Medienberichten zufolge ist noch offen, ob es einen Zusammenhang zwischen den AKW-Abschaltungen in der Ukraine und den Stromausfällen in Moldawien gibt.

„Energieterror“ gegen Ukraine

Russland hat die Ukraine vor knapp neun Monaten angegriffen. Nach zunehmenden militärischen Rückschlägen begann Moskau vor einigen Wochen mit gezielten Angriffen auf die Energieversorgung des Nachbarlandes und richtete dabei bereits schwere Schäden an. Die Ukraine, die ihren Bürgerinnen und Bürgern nun immer wieder stundenweise den Strom abschalten muss, um größere Engpässe zu vermeiden, spricht von „Energieterror“.

„Russland feiert seine Einstufung als Terrorstaat mit neuem Raketenterror gegen die ukrainische Hauptstadt und andere Städte“, teilte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba dazu auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit.

Selenskyj lobt Votum des Europaparlaments

Das EU-Parlament hatte Russland kurz zuvor als staatlichen Unterstützer von Terrorismus verurteilt. Die verabschiedete Resolution fordert eine noch drastischere Beschränkung der diplomatischen Kontakte zu Russland und weitere Strafmaßnahmen wie ein Embargo gegen russische Diamanten. Selenskyj begrüßte den Beschluss. Rechtlich bindend ist das aber nicht.

Die Website des EU-Parlaments ist am Mittwochnachmittag nach dem Votum zum Ziel eines Hackerangriffs geworden. Die Internetpräsenz des Parlaments sei derzeit von einem „hohen Maß an externem Netzwerkverkehr betroffen“, was in Zusammenhang mit „einem DDoS-Angriff“ stehe, schrieb der Parlamentssprecher Jaume Duch auf Twitter. Bei DDoS-Attacken werden Server gezielt mit so vielen Anfragen bombardiert, dass das System die Aufgaben nicht mehr bewältigen kann. Laut EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola habe sich eine als kremlnah bezeichnete Hackergruppe zu dem Cyberangriff bekannt.

Ukraine: Säugling bei Angriff getötet

Bereits in der Nacht wurde in der Region Saporischschja ein Krankenhaus getroffen. Ein Säugling soll dabei ums Leben gekommen sein. Raketeneinschläge gab es auch in den benachbarten Regionen Donezk und Dnipropetrowsk. In Donezk gab es einen Toten und acht Verletzte.

Ein Arbeiter zerschneidet Trümmer eines nach Raketenbeschuss zerstörten Krankenhauses in Wilnjansk (Ukraine)
APA/AFP/Katerina Klochko
Ein durch Beschuss zerstörtes Krankenhaus in Wilnjansk

„Schmerz überflutet unsere Herzen – ein Säugling, der gerade erst auf die Welt gekommen ist, wurde getötet“, schrieb der Militärgouverneur von Saporischschja, Olexandr Staruch, am Mittwoch auf Telegram. Rettungskräfte seien in der Kleinstadt Wilnjansk im Einsatz. In der Region Dnipropetrowsk habe es keine Opfer gegeben. Es seien aber mehr als 30 Geschoße in Ortschaften eingeschlagen, sagte Militärgouverneur Walentyn Resnitschenko.

London: Iranische Drohnen fast aufgebraucht

Unterdessen dürfte Russland bald Nachschub an iranischen Waffen brauchen. Das Kontingent sei nahezu aufgebraucht, teilte das britische Verteidigungsministerium in seinem täglichen Geheimdienstbericht auf Twitter mit. Russland setzt im Krieg gegen die Ukraine verstärkt auf iranische Drohnen. Damit wolle Russland seinen Mangel an Marschflugkörpern ausgleichen, teilte London am Mittwoch unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit.

Verschreckte Bewohner nach einem russischen Raketenangriff in Cherson (Ukraine)
AP/Bernat Armangue
Verschreckte Menschen nach einem russischen Luftangriff in Cherson

Seit September hätten russische Truppen Hunderte Flugkörper gegen die Ukraine eingesetzt, darunter auch Kamikazedrohnen. „Aber der Ansatz hatte nur begrenzten Erfolg“, hieß es. Die meisten Drohnen seien von der ukrainischen Flugabwehr ausgeschaltet worden.

Neben Stromnetz auch medizinische Einrichtungen als Ziel

Ziele der Drohnenangriffe seien vor allem taktische militärische Objekte sowie das ukrainische Stromnetz gewesen, teilte das britische Ministerium weiter mit. Zuletzt hätten die russischen Kommandeure aber verlangt, dass die iranischen Drohnen medizinische Einrichtungen ins Visier nehmen und mit Lenkmunition angreifen.

Seit einigen Tagen seien keine Angriffe von Kamikazedrohnen mehr berichtet worden, hieß es in London. „Russland hat wahrscheinlich seinen derzeitigen Bestand fast erschöpft, wird sich aber vermutlich um Nachschub bemühen.“ Für Russland sei es vermutlich einfacher, neue Drohnen aus dem Ausland zu beschaffen, als neue Marschflugkörper herzustellen, so das Ministerium.