Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer und der kroatische Premierminister Andrej Plenkovic
APA/AFP/Denis Lovrovic
Nehammer

Bulgarien, Rumänien nicht reif für Schengen

Österreich unterstützt die Erweiterung des Schengen-Raums um Kroatien, lehnt aber die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens ab. Das sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch nach einem Treffen mit dem kroatischen Regierungschef Andrej Plenkovic in Zagreb. Rumäniens Präsident Klaus Johannis sieht „keinen unkontrollierten Migrantenzustrom“.

Nur wenige irreguläre Migrantinnen und Migranten würden über Kroatien kommen, aber 40 Prozent über die Route Türkei, Bulgarien, Rumänien und dann Ungarn, sagte Nehammer in einer Pressekonferenz.„Wir haben einen enormen Druck an irregulärer Migration, und das, obwohl wir ein EU-Binnenland sind und kein Außengrenzland“, sagte der Bundeskanzler in einer Pressekonferenz.

Schon seit 2015 habe Österreich viele Menschen aufgenommen und ihnen Schutz gewährt. Aktuell biete man Zehntausenden Menschen aus der Ukraine Sicherheit und Schutz, was „eine Selbstverständlichkeit“ sei.

Nehammer für „Zurückweisungsrichtlinie“

Zusätzlich zu den Menschen aus der Ukraine habe man mittlerweile bereits 95.000 Asylanträge, und viele von diesen Menschen hätten keine Asylberechtigung, sagte Nehammer. Kritiker und Kritikerinnen monieren allerdings, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Denn von den 95.000 Personen, die um Asyl angesucht haben, seien viele bereits weitergezogen. In der Grundversorgung befinden sich großteils bereits schutzberechtigte Personen, etwa Ukrainerinnen und Ukrainer. Sie machen laut Statistik des Innenministeriums 62 Prozent aller Personen in der Grundversorgung aus.

Laut Bundeskanzler Nehammer ist das größte Problem aber ohnehin, dass der Großteil der Ankommenden nicht registriert sei. Insgesamt habe es bisher mehr als 100.000 Aufgriffe in Österreich gegeben, 75.000 davon seien nicht registriert gewesen. Man müsse das bestehende System ändern, sagte Nehammer. „Das europäische Asylsystem ist gescheitert.“ Man brauche eine „Zurückweisungsrichtlinie“, um Asylwerbende aus sicheren Herkunftsstaaten schneller zurückweisen zu können.

Nehammer zur Schengen-Erweiterung

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bekundete bei seinem Besuch in Kroatien Unterstützung für die Aufnahme des Balkan-Landes in den Schengen-Raum. Einen Beitritt von Bulgarien und Rumänien lehnt der Kanzler ab.

„Wir diskutieren jetzt über die Schengen-Erweiterung, während wir gleichzeitig sehen, also Österreich besonders, dass die Außengrenzen mangelhaft oder nicht geschützt sind und auf der anderen Seite Grenzschutz nach innen weniger werden soll. Das geht sich aus unserer Sicht, aus österreichischer Sicht, so nicht aus“, so der Kanzler. „So wird die Schengen-Erweiterung nicht stattfinden können.“

Rumänien „nie zentraler Bestandteil der ‚Balkan-Route‘“

In Rumänien „gibt es keinen unkontrollierten Zustrom an Migranten und hat es auch nie gegeben“, sagte Rumäniens Staatspräsident Johannis am Rande eines Staatsbesuchs in Lettland. Johannis hob hervor, dass Bukarest bestens im Bilde sei, „woher die Migranten kommen und über welche Routen“ – man werde die eigenen Daten und Erkenntnisse den österreichischen Behörden gerne zur Verfügung stellen.

Grafik zum Schengenraum
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: EU-Kommission/schengenvisa.com

Rumänien sei nie ein zentraler Teil der „Balkan-Route“ gewesen, dafür verfüge sein Land jedoch „sowohl über das Potenzial als auch die Fähigkeit, Österreich unterstützend zur Seite stehen, um den Zustrom an Migranten einzudämmen“. Innenminister Lucian Bode werde umgehend nach Wien reisen, um den „österreichischen Freunden“ für zusätzliche Fragen zur Verfügung zu stehen und deren Bedenken auszuräumen – man sei bereit, Argumente zu liefern, dass das Schengen-Gebiet durch eine Aufnahme Rumäniens de facto „sicherer“ werde.

Johannis schloss allerdings auch einen abermaligen Aufschub des Schengen-Beitritts seines Landes nicht aus: Sollte es keine Gewissheit in puncto Abstimmungsergebnis geben, wäre es vorzuziehen, das Votum über Rumäniens Aufnahme in den grenzkontrollfreien Schengen-Raum lieber für „ein, zwei Monate“ zu vertagen.

Unterstützung für Kroatien

Kroatien erfülle im Gegensatz zu den beiden anderen Ländern seine Verpflichtungen, so Nehammer in Zagreb. „Wir werden den Weg Kroatiens in den Schengen-Raum unterstützen.“ Der Kanzler schien bereits im Vorfeld seiner Zagreb-Reise eine zuvor geäußerte Vetodrohung von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zurückzunehmen. „Da Kroatien den Grenzschutz vorbildlich erfüllt, sehe ich da kein Problem. Über die Länder wird ja einzeln abgestimmt“, sagte er am Dienstag. Karner selbst wollte sich am Mittwoch nicht entsprechend festlegen. „Wir verhandeln derzeit intensivst“, sagte er lediglich.

Schengen-Raum

1985 wurde im Luxemburger Ort Schengen das Abkommen für die Abschaffung der Grenzkontrollen in Europa unterzeichnet. Das Prinzip lautet: Kontrollen zwischen den Mitgliedsstaaten werden aufgehoben, dafür wird die Kontrolle der Außengrenzen verstärkt. Mittlerweile traten 26 Staaten Schengen bei.

Nehammers Aussagen waren nicht nur in Kroatien, sondern auch in Slowenien mit Genugtuung quittiert worden, wie die APA am Mittwoch aus informierten Kreisen in Ljubljana erfuhr. Das zwischen Kroatien und Österreich liegende Land kämpft nämlich genau mit dem Argument des geringen Migrationsdrucks seit Jahren für die Aufhebung der österreichischen Grenzkontrollen.

Plenkovic: Verstehen Österreich

Plenkovic sagte, man sei sich der Besorgnis und der Probleme Österreichs angesichts der großen Zahl Asylsuchender bewusst. Gemeinsam habe man auch festgestellt, dass diese Menschen nicht über Kroatien nach Österreich kommen. Und gemeinsam werde man sich auch dafür einsetzen, dass die Kontrollen an den EU-Außengrenzen verstärkt werden, so Plenkovic.

Nehammer traf in Zagreb auch zu Gesprächen mit Staatspräsident Zoran Milanovic und Parlamentspräsident Gordan Jandrokovic zusammen. Am Donnerstag wird er beim LNG-Terminal auf der Insel Krk mit Plenkovic und dem bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder über die Gasversorgung sprechen.

Unterstützung von Rendi-Wagner

Unterstützung für seinen Kurs in Sachen Schengen-Erweiterung erhielt Nehammer von Oppositionsführerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ). „Der Zeitpunkt (für die Schengen-Erweiterung) ist definitiv kein glücklicher und nicht der Richtige“, sagte die SPÖ-Chefin am Mittwochabend im Fernsehsender ATV. Sie verwies darauf, dass die irreguläre Migration nach Österreich in den vergangenen Monaten „extrem gestiegen“ sei, „der Außengrenzschutz nicht funktioniert und die Kontrollen nicht funktionieren“.

Rendi-Wagner stellte sich damit gegen die eigenen EU-Abgeordneten, die sich erst am Dienstag hinter die Schengen-Erweiterung gestellt und den Vorwurf des Populismus in Richtung der ÖVP-geführten Regierung erhoben hatten.