Der Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler (SPÖ)
ORF
Bürgermeister von Traiskirchen

Durchgriffsrecht in Asylfrage gefordert

Die Unterbringung von Asylwerbern beschäftigt weiterhin Österreichs Politik. Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in Niederösterreich sind derzeit etwa viermal so viele Menschen untergebracht wie vorgesehen. Die Situation dort droht laut Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) „trotz der monatelangen Verbesserungszusagen des Innenministeriums nunmehr völlig zu eskalieren“. Im ZIB2-Interview forderte er nun weitere Maßnahmen und übte scharfe Kritik am Innenministerium.

Die Situation sei nicht neu, sagte der Bürgermeister. Er könne sich nicht erklären, weshalb „wir nach wie vor darüber streiten“. Im ZIB2-Interview sprach er sich einerseits für bessere Qualität in den Bundeseinrichtungen und andererseits für bessere Ankunftskapazitäten in Österreich aus.

Babler sparte dabei nicht mit scharfer Kritik an der Vorgehensweise der Bundesregierung. „Wie man heute sieht, ist das ein gewünschtes Thema, um von anderen Sachen abzulenken, die der ÖVP nicht gut zu Gesicht stehen“, so Bablers „konkreter Vorwurf“.

Traiskirchen heillos überfüllt

Das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen ist heillos überfüllt, weil niemand die Migranten auf die anderen Bundesländer verteilt. Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) war Gast in der ZIB2 am Donnerstag.

15a-Vereinbarung „zahnlos“

Seit Jahren würde die 15a-Vereinbarung (Artikel 15a des Bundesverfassungsgesetzes, Anm.) zwischen dem Bund und den Ländern über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde nicht funktionieren, wenn mehr Flüchtlinge zu versorgen seien. Verantwortlich für die Flüchtlingspolitik und die Aufnahme sei „der Bund alleine, das heißt für das Versagen und die menschlichen Tragödien, die wir in Traiskirchen hautnah erleben, gibt es eine direkte Verantwortung im Innenministerium“.

Seit 2015 sei die Unterbringung von Flüchtenden „Wahlkampfthema“, die 15a-Vereinbarung sei nach wie vor „zahnlos“. Was es brauche, sei „ein ordentliches Aufnahme- und Betreuungsgesetz mit Rechten und Pflichten der Bundesländer und gleichzeitig eine gute und qualitätsvolle Betreuung“, so Babler weiter.

Es ginge um 4.000 Plätze in der Grundversorgung in sieben Bundesländern – das sei eine kleine Zahl. Eine europäische Lösung sei nicht möglich, wenn man nicht einmal in Österreich eine Verteilung schaffen würde, so Babler.

Das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen im Bezirk Baden
APA/Herbert P. Oczeret
In Traiskirchen ist eine von zwei Erstaufnahmestellen für Asylwerber in Österreich angesiedelt

Durchgriffsrecht vom Innenministerium gefordert

Tatsächlich ist es so, dass bei der letzten großen Flüchtlingskrise deutlich mehr Plätze zur Verfügung standen als jetzt. Laut Berechnung der Asylkoordination waren es rund 15.000 mehr. Das würde nahelegen, dass durchaus noch Kapazitäten zur Verfügung stünden, um die von der Bundesbetreuungsagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) befürchtete Obdachlosigkeit zu vermeiden.

Recht viel tun können BBU und Innenministerium aktiv nicht, denn das Durchgriffsrecht gegenüber den Ländern, das die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in der letzten Flüchtlingskrise hatte, ist längst ausgelaufen.

Auf die Frage, ob er ein erneutes Durchgriffsrecht vom Innenministerium für sinnvoll halte, gab Babler eine „klare Antwort: Ja.“ Er verwies jedoch auf den temporären Aspekt: Ein Durchgriffsrecht sei Verfassungssache, man müsse damit vorsichtig umgehen. „Es geht nur darum, die Situation jetzt zu verändern, weil es jetzt Leute gibt, die schlecht behandelt werden in Österreich.“

„Kein Richtungsstreit“ in SPÖ

Innerhalb der SPÖ ortete Babler trotz unterschiedlicher Aussagen der Bundesländer „überhaupt keinen“ Richtungsstreit. Was er „seiner“ SPÖ jedoch empfehle, sei, dass man das Thema „aus strategischen Gründen nicht durchtauchen“ sollte. „Und ich glaube, dass wir in der SPÖ auf Basis einer konsequenten Menschlichkeit und Haltung mit dieser geringen Zahl an Flüchtenden – wenn man es nüchtern sieht, auf sieben Bundesländer verteilt – schauen, dass die gut betreut sind, dann gibt es keine Sorge der Bürgermeister oder der Bevölkerung, im Gegenteil.“

Treffen als „Weckruf“ an EU-Kommission

Vor dem EU-Sondertreffen zur Migration am Freitagnachmittag stimmten unterdessen die Innenminister von Österreich, Tschechien, der Slowakei und Ungarn am Donnerstag bei einem Treffen in Prag ihre Positionen ab. Das Migrationsproblem gehe alle EU-Staaten an und müsse an der Außengrenze des Schengen-Raums gelöst werden, so die geeinte Botschaft nach dem Treffen von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) mit seinen Amtskollegen Vit Rakusan (Tschechien), Sandor Pinter (Ungarn) und Roman Mikulec (Slowakei).

Ziel des Treffens war es, vor dem Treffen der Innenminister in Brüssel, bei dem es unter anderem um den Streit zwischen Frankreich und Italien über die Aufnahme von im Mittelmeer geretteten Migranten gehen soll, auf die schwierige Situation in der Region wegen der steigenden Migrantenankünfte auf der Westbalkan-Route hinzuweisen.

Karner wollte das Treffen als „als Weckruf“ an die EU-Kommission sehen. „Gerade auf der Westbalkan-Route ist die Situation dramatisch, wie wir in Österreich jeden Tag sehen können. Ich erwarte, dass die Kommission hier konkrete Vorschläge macht, wie wir den Außengrenzschutz rechtlich und technisch robuster machen und die illegale Migration besser bekämpfen können. Wir werden unsere Ideen konstruktiv einbringen“, sagte Karner.

Die Innenminister von Österreich, Gerhard Karner, Tschechien, Vit Rakusan, der Slowakei, Roman Mikulec und von Ungarn, Sandor Pinter bei einem Treffen in Prag
IMAGO/CTK Photo/Katerina Sulova
Die Innenminister von Österreich, Tschechien, der Slowakei und Ungarn stimmten am Donnerstag ihre Positionen ab

„Juristische Instrumente zum Schutz der Grenzen“

Die vier Innenminister sprachen sich dafür aus, dass die EU-Kommission weitere Gelder für die Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration freigeben solle. Konkret will Österreich bei dem EU-Sondertreffen am Freitag laut Innenministerium unter anderem fordern, dass die Kommission für Polizeieinsätze im Ausland aufkommt, die dem Grenzschutz, der Bekämpfung organisierter Schlepperbanden und der Bekämpfung der illegalen Migration dienen.

„Wir brauchen juristische sowie technische Instrumente, um die Außengrenze zu schützen, damit wir die (inneren) Grenzen unter unseren Ländern nicht brauchen“, so Karner.

Gegenüber ukrainischen Migranten zeigte sich der tschechische Innenminister weiter aufnahmebereit. Tschechien könne sich vorstellen, weitere Zehntausende Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Allerdings sei es schon „am Limit der Kapazitäten“, was die Unterkünfte und das Sozial- und Gesundheitssystem angehe. Laut Rakusan hat Tschechien – umgerechnet auf die Einwohnerzahl – die meisten ukrainische Flüchtlinge in der EU aufgenommen.