Klimaaktivistin am Flugfeld des Flughafens Berlin
Reuters/Letzte Generation
Berliner Flughafen

Klimaaktion sorgt für geharnischte Kritik

Nachdem es Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ am Donnerstag gelungen ist, den Flughafen BER der deutschen Hauptstadt Berlin für einige Stunden lahmzulegen, wächst die Ablehnung dieser Form des Aktivismus und beschäftigt mehr denn je die Politik. Vor allem eine potenzielle Gefährdung von Menschen bei der Aktion erregt Unmut. Die Kritik in Deutschland kommt fast aus dem gesamten politischen Spektrum.

Den Hauptstadtflughafen zu blockieren sei „eine erneute Eskalation und absolut inakzeptabel“, schrieb etwa die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auf Twitter. „Diese Aktionen zerstören wichtige gesellschaftliche Akzeptanz für den Kampf gegen den Klimawandel“, so Faeser. Ihre Parteikollegin, Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, bezeichnete die Aktion als „vollkommen inakzeptabel“. „Ich habe keinerlei Verständnis und Toleranz für solche Aktionen“, sagte sie dem „Tagesspiegel“.

Auch der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich in einem Interview mit dem „Focus“. Er halte die Aktionen „für verfehlt“, sagte Scholz. Auf die Frage, ob er sich selbst als junger Mensch an solchen Aktionen beteiligt hätte, entgegnete der Kanzler, dass er diese Frage als 60-Jähriger nicht beantworten könne – „weil es unangemessen ist, aus meinem Blickwinkel über die Perspektive eines 17-Jährigen zu urteilen“.

Detuschlands Innenministerin Nancy Faeser
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Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte die Aktion am Flughafen

Grüne kritisieren Aktion und Flughafen

Der Koalitionspartner Grüne stieß in ein ähnliches Horn: Die Berliner Landesvorsitzende Susanne Mertens betonte auf dem Nachrichtenportal T-online, Protest müsse die Gefährdung anderer Menschen ausschließen. „Allerdings muss der BER offenbar seine Sicherheitskonzepte überarbeiten.“

Ihr Parteikollege Konstantin von Notz, Fraktionsvize im Bundestag, kritisierte die Aktion als „kontraproduktiv, anmaßend und potenziell gefährlich“. Zudem sah von Notz Nachholbedarf beim Sicherheitskonzept des BER. „Es wird genau zu prüfen sein“, sagte er t-online, „wie es den Aktivistinnen und Aktivisten so einfach gelingen konnte“, auf das Rollfeld zu gelangen.

Klimaaktivisten am Flugfeld des Flughafens Berlin
Reuters/Letzte Generation
Die Klimaaktivisten streamten ihre Aktion live

Die deutsche Klimabeauftragte und ehemalige deutsche Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, Klimaproteste dürften keine negativen Folgen für andere Menschen haben. „Jeder Einsatz für den Klimaschutz muss im Rahmen der Gesetze unserer Demokratie bleiben“, forderte sie.

FDP: „Klimakriminelle“

Die FDP, dritte Partei in der regierenden deutschen Koalition, konnte der Aktion ebenfalls nichts abgewinnen. „Protestaktionen dieser Art sind vollkommen illegitim und können nicht länger einfach so hingenommen werden“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zu t-online. Es müsse die „volle Härte des Rechtsstaates“ greifen.

Djir-Sarais Parteifreund, der Berliner FDP-Chef Sebastian Czaja, sprach von „Klimakriminellen“. Sein Bruder, CDU-Generalsekretär Mario Czaja, sagte t-online: „Der Rechtsstaat kennt die nötigen Instrumente, um sich gegen solche Straftaten zu wehren. Sie müssen jetzt auch konsequent angewendet werden: Vorbeugehaft, Aufenthaltsverbote, Bußgelder.“

Linke verteidigt Protest

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsparteien im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU), forderte „konsequente Strafen“ für die Störung des Flugbetriebs. Lindholz sah mit der Beeinträchtigung des Flugverkehrs im BER „eine weitere rote Linie“ überschritten. Flughäfen seien „keine Bühne für politische Aktionen“, so Lindholz, weil dort „sehr schnell Menschenleben in Gefahr kommen“ könnten.

Klimaaktivistin schneidet einen Zaun zum Flugfeld des Flughafens Berlin auf
Reuters/Letzte Generation
Die Schutzmaßnahmen des Flughafens BER stehen auf dem Prüfstand

AfD-Partei- und -Fraktionschef Tino Chrupalla forderte den Verfassungsschutz auf, im Fall der „Letzten Generation“ aktiv zu werden. Nicht Meinungen, sondern Handlungen müssten für dessen Bewertung maßgeblich sein. „Die Sicherung kritischer Infrastruktur muss dabei oberste Priorität haben“, sagte Chrupalla. Linke-Chef Martin Schirdewan verteidigte die „Letzte Generation“ hingegen, deren Protest lege „den Finger in die Wunde der politischen Untätigkeit angesichts der Klimakatastrophe“.

Wie die Aktion ablief

Nach Angaben der deutschen Polizei hatten sich zwei Gruppen am Donnerstagnachmittag Zugang zum Flughafengelände verschafft. Einige Menschen hätten sich auf dem Boden festgeklebt. Die „Letzte Generation“ teilte mit, dass einige Aktivisten mit Fahrrädern über das Gelände gefahren seien. Die Aktion wurde live auf Twitter gestreamt. Der Berliner Flughafen stoppte vorübergehend den Betrieb auf beiden Start- und Landebahnen. Fünf Starts mussten nach ersten Angaben wegen der Aktion gestrichen werden, davon waren dem Flughafen zufolge 750 Passagiere betroffen.

Klimaaktivisten legten Flugverkehr lahm

Der Berliner Flughafen musste den Flugbetrieb aufgrund einer Aktion von Klimaaktivisten für einige Stunden einstellen. Die Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ streamten die Aktion live auf Twitter. Dort war zu sehen, wie sie kurz nach 16.00 Uhr einen Zaun durchschnitten und auf das Flughafengelände gingen. Anschließend hielten sie Banner in die Kamera und erklärten ihre Motive. Es war auch zu sehen, wie sich Aktivisten mutmaßlich auf dem Boden festklebten.

Nach der Aktion nahm die Polizei mehrere Menschen in Gewahrsam. Gegen die Klimaaktivisten werde Anzeige wegen gefährlichen Eingriffs in den Flugverkehr, Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung erstattet, teilte das zuständige Polizeipräsidium Brandenburg am Abend mit. Ein Sprecher der deutschen Polizei sagte in den ARD-„Tagesthemen“, es handle sich „ganz klar“ um Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. Es bestehe auch die Möglichkeit, dass „ein gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr“ stattgefunden habe.

Umstrittene Aktionen in mehreren Ländern

Kurz vor dem Betreten des Flughafengeländes informierte die Gruppe nach eigenen Angaben die Polizei per Notruf über ihr Vorhaben. Die Aktivisten und Aktivistinnen wollen gegen die Klimaschädlichkeit von Flügen protestieren. Auf Twitter veröffentlichte die Gruppe ein Video, in dem drei Personen mit orange Schutzwesten durch ein Loch im Zaun das Flughafengelände betreten. Einer der drei jungen Menschen schob ein Fahrrad. Fotos zeigten Aktivisten mit einem Transparent auf dem Rollfeld.

Aktivisten und Aktivistinnen hatten in den vergangenen Wochen in Deutschland etwa immer wieder den Straßenverkehr blockiert und sich in dieser Woche in der Hamburger Elbphilharmonie an einem Dirigentenpult festgeklebt. In mehreren Ländern, darunter Österreich, klebten sie sich an Gemälden in Museen fest. Ihr Ziel ist es, öffentliche Aufmerksamkeit auf die Folgen des Klimawandels zu lenken und Politiker und Politikerinnen zum Handeln aufzufordern.