Ein Traktor arbeitet auf einem Feld in den Niederlanden Gülle in den Boden ein
IMAGO/Countrypixel
Zu viel Gülle

Niederlande wollen Bauernhöfe aufkaufen

Im lang andauernden Konflikt mit Bäuerinnen und Bauern um schärfere Umweltauflagen hat die niederländische Regierung nun ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgelegt. Die Viehbetriebe, die mit ihrer Gülle die Böden am meisten mit Stickstoff belasten, sollen zum Umschwenken gedrängt werden, kündigte die Regierung am Freitag in Den Haag an. Diesen Höfen werde ein Kaufangebot gemacht.

Sollten sie dieses nicht akzeptieren, werde ein Zwangsverkauf nicht ausgeschlossen. Aufgrund der besonders intensiven Landwirtschaft haben die Niederlande ein auch im Vergleich mit anderen europäischen Ländern großes Nitratproblem.

Wird überschüssiger Stickstoff durch Regen aus dem Boden gewaschen, gelangt er als Nitrat ins Grundwasser. Die Folge: Um daraus Trinkwasser zu gewinnen, muss das Wasser teuer aufbereitet werden. Zudem gelangt der Stickstoff auch in Seen, Flüsse und Meere. In den Niederlanden sind Grundwasser und Böden stark belastet. Die größten Verursacher sind in den Niederlanden Viehbetriebe.

Nach Gerichtsurteil unter Zugzwang

Nach einem höchstrichterlichen Urteil hatte die Regierung entschieden, den Stickstoffeintrag bis 2030 um die Hälfte zu verringern. Das kann nach Berechnungen der Regierung das Aus von 30 Prozent der Viehbetriebe bedeuten. Die Niederlande sind weltweit einer der größten Exporteure landwirtschaftlicher Produkte.

Niederlande wollen Bauernhöfe aufkaufen

Im lang andauernden Konflikt mit Bäuerinnen und Bauern um schärfere Umweltauflagen hat die niederländische Regierung nun ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgelegt. Die Viehbetriebe, die mit ihrer Gülle die Böden am meisten mit Stickstoff belasten, sollen zum Umschwenken gedrängt werden, kündigte die Regierung in Den Haag an. Diesen Höfen werde ein Kaufangebot gemacht.

Aus Protest gegen die Pläne hatten Bauern wochenlang zum Teil gewalttätig protestiert. Sie hatten Autobahnen blockiert, Brände gelegt und Mist, Müll, aber auch Asbest auf Straßen gekippt. Die Lager von Supermärkten waren blockiert und Politiker bedroht worden.

Da der Stickstoffeintrag nun deutlich über den zugelassenen Grenzwerten liegt, sind andere Unternehmen und Großprojekte blockiert. So dürfen nach einem Gerichtsurteil vom November Bauprojekte nicht mehr genehmigt werden.

Niederlande als „Stickstoffhotspot“

Jan Willem Erisman, Umwelt- und Stickstoffexperte an der Universität Leiden, sieht die Niederlande in einer besonders schwierigen Situation. Das Land sei ein „Stickstoffhotspot“, durch das Zusammenspiel von „industrieller Landwirtschaft, Transport, Industrie und Energiegewinnung“, betonte er gegenüber ORF.at anlässlich einer Protestwelle im Juli. Der Fokus in den Niederlanden sei seit 1840 auf „immer mehr und mehr Produktion“ gelegen.

Dass die Emissionen reduziert werden müssen, sei dabei nichts Neues: „Wir wissen das seit 30 Jahren“, so Erisman. Die Regierung habe „keine Wahl, etwas zu tun, sondern muss Verpflichtungen einhalten“, man sei momentan weit von den erhofften Zielen entfernt. Dennoch sieht er die Regierung in der Pflicht: Man müsse an einem Tisch zusammenkommen, Pläne dürften zwar nicht von den Zielen abweichen, Spielraum sieht er aber etwa bei der Geschwindigkeit, mit der Maßnahmen umgesetzt werden.

Letztlich gehe es darum, den „Bauern eine Perspektive zu bieten“ – diese müssten wissen, ob sie in „20, 30 Jahren“ noch existieren – und ihnen damit die nötige Stabilität für Investitionen zu vermitteln, so der Experte. Das sei Aufgabe der Regierung.

Farmer blockieren eine Schnellstraße in der Nähe von Eindhoven.
APA/AFP/Rob Engelaar
Immer wieder führen Proteste zu Blockaden in den Niederlanden

Experte rät zu Qualität statt Quantität

Dennoch erachtet der Experte es als notwendig, die Mengen in der Produktion zu reduzieren – geringere Quantität wäre möglich, wenn man die Produktpalette breiter fächert. Die Niederlande würden viel Massenware produzieren, die oft unter dem Marktpreis international verkauft werde.

Doch die Konzentration auf höhere Qualität und nähere Märkte wäre nur ein Zugang: Erisman sieht auch technische Lösungen als Option. Diese könnten Ammoniakemissionen bei der Tierhaltung deutlich reduzieren, entsprechende Technologien existieren bereits.

Gleichzeitig verweist er aber auch darauf, dass Landwirtschaft „kein Stickstoffproblem“ allein sei. Hier würde „eine ganze Reihe“ an Problemen ineinandergreifen. Verursacht habe das die Intensivierung der Landwirtschaft, so der Experte.