ÖBB-Züge auf einem Bahnhof
ORF.at/Christian Öser
Einigung oder Streik?

Bahn-KV-Verhandlungen gehen heute weiter

Die neuen Lohnverhandlungen für rund 50.000 Eisenbahner und Eisenbahnerinnen sind in der Nacht auf Sonntag vorerst unterbrochen worden. Weiterverhandelt werden soll am Vormittag, hieß es seitens der Gewerkschaft vida. Die Fronten waren vor Gesprächsstart verhärtet. Die Vorstellungen für einen Abschluss der KV-Verhandlungen für rund 65 Firmen, darunter ÖBB und Westbahn, lagen weit auseinander. Die Streikvorbereitungen liefen weiter.

Um großflächige Ausfälle zu vermeiden, müsste man sich bis Sonntag am frühen Nachmittag einigen. Im Vorfeld warfen sich beide Seiten gegenseitig ein unverantwortliches Handeln vor. Trotzdem versucht man es nochmals mit Gesprächen. Die Arbeitnehmervertreter der Gewerkschaft vida fordern 400 Euro mehr auf alle KV- und Ist-Löhne für die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner. Die geforderten 400 Euro sind den Arbeitgebervertretern der Wirtschaftskammer (WKO) aber viel zu viel.

„Das, was wir verlangt haben, ist notwendig“

Zu der Frage, was es braucht, damit der Warnstreik doch noch abgewendet werden kann, sagte Arbeitnehmer-Chefverhandler Gerhard Tauchner: „Es braucht die Einsicht der Wirtschaftskammer, dass das, was wir verlangt haben, notwendig ist, damit die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner ein ordentliches Leben weiterführen können.“

Zu etwaigen Spielräumen sagte Tauchner weiter: „Spielraum ist die Ausgestaltung des Ergebnisses, natürlich kann ein kleiner Teil über den angebotenen ‚Teuerungsbonus‘ gemacht werden“, spielte er auf eine von den Arbeitgebern angebotene Einmalzahlung von 1.000 Euro an. Hauptteil eines Abschlusses müsse aber die Anhebung der KV- und Ist-Gehälter sein, bekräftigte Tauchner.

Teilnehmer an der Fortsetzung der Bahn-KV-Verhandlungen
APA/Bubu Dujmic
Gelingt am Sonntag keine Einigung, wird am Montag gestreikt

Arbeitgeber „nicht sehr zuversichtlich“

„Wenn man sich die letzten Aussagen anschaut, dann bin ich nicht sehr zuversichtlich, dass es möglich sein wird, diesen Streik noch abzuwenden“, sagte Arbeitgeber-Chefverhandler Thomas Scheiber im Gespräch mit der APA kurz vor dem Verhandlungsstart. Selbst wolle man „lösungsorientiert“ in die Gespräche gehen. Der aufgebaute Druck sei aber nicht hilfreich, so Scheiber zum drohenden Warnstreik: „Zwang in Gesprächen hindert eher Lösungen.“

Die von den Arbeitnehmervertretern der Gewerkschaft vida geforderten 400 Euro mehr auf alle KV- und Ist-Löhne wären laut Gewerkschaft durchschnittlich etwa plus zwölf Prozent. Die aktuellen anderen Abschlüsse für Metaller oder Beamte würden damit klar überflügelt.

Die Arbeitgeber sprachen unterdessen gegenüber der APA gar von 13,3 Prozent, die die 400-Euro-Forderung bedeuten würden. Argumentiert wird mit verhältnismäßig geringen Einstiegsgehältern und Gehältern, die zum Teil unter der Armutsgefährdungsschwelle lägen. Man habe ursprünglich 500 Euro gefordert, man sei den Arbeitgebern also schon um 20 Prozent entgegengekommen, betonte Tauchner zuletzt.

Arbeitgeber: „Bieten im Durchschnitt acht Prozent“

Die Arbeitgebervertreter der Wirtschaftskammer (WKO) bieten laut eigenen Angaben das beste Angebot in der bisherigen Herbstlohnrunde. „Wir bieten im Durchschnitt acht Prozent“, erläuterte Scheiber. „Jeder soll plus 7,5 Prozent oder aber zumindest 200 Euro bekommen. Das passt zum Signal der Gewerkschaft, wonach untere Gehaltsstufen eine stärkere Steigerung brauchen.“

Dazu seien die Unternehmen auch bereit, im Dezember 1.000 Euro als Einmalzahlung an alle Mitarbeitenden als „Teuerungsbonus“ zu bezahlen. „Das würde im oberen Bereich keine volle Inflationsabgeltung ergeben, aber bei den unteren Gehaltsstufen ein Plus von bis zu 13 Prozent“, so Scheiber. „Keiner der bisher heuer abgeschlossenen Kollektivverträge kommt auch nur in die Nähe unseres Angebotes.“

Einmalzahlungen wurden von den einzelnen ÖGB-Teilgewerkschaften in der laufenden Herbstlohnrunde bisher abgelehnt. Solche seien „nicht nachhaltig“.

Bei Streik droht Reisechaos

Kommt es zum Streik, würde der ganze Zugsverkehr zum Erliegen kommen, warnten die ÖBB und ersuchten die Fahrgäste, nicht notwendige Fahrten zu verschieben bzw. alternative Reisemöglichkeiten zu wählen. „Es kann bereits ab Sonntagabend bzw. bis Dienstagfrüh zu Ausfällen bei den Nightjet- und EuroNight-Verbindungen kommen“, so die ÖBB. Die Bahn werde im Streikfall Details zu Einschränkungen, Verzögerungen und Ausfällen auf Oebb.at/streik, den ÖBB-Social-Media-Kanälen sowie in der Fahrplanauskunft Scotty bekanntgeben.

Im Streikfall blieben Standard- und Sparschiene-Tickets der ÖBB bis inklusive 5. Dezember 2022 gültig oder werden rückerstattet. Auch Besitzer von Zeitkarten würden – entsprechend den Fahrgastrechten – entschädigt, so die ÖBB.

Am Mittwoch hatte der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) der Gewerkschaft die Freigabe für einen österreichweiten Warnstreik erteilt. „Grund für den Streik der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sind ein unzureichendes Angebot der Arbeitgeberseite unter der durchschnittlichen rollierenden Inflation sowie der abrupte Abbruch der Verhandlungen durch die Arbeitgeber nach der fünften KV-Verhandlungsrunde am vergangenen Sonntag, obwohl bereits ein Verhandlungstag für den darauffolgenden Montag angesetzt war“, hieß es vonseiten der vida am Mittwoch.

Mehrere Branchen feilschen noch

Neben den Eisenbahnern ringen auch mehrere andere Branchen noch um eine Einigung bei den KV-Verhandlungen. So drohen auch bei den Brauereien Warnstreiks. Beschäftigte in Ordensspitälern legten bereits Mittwochvormittag ihre Arbeit nieder. Bisher ohne Ergebnis sind auch die Verhandlungen in der Reinigungsbranche, beim Sicherheitspersonal und bei der Telekom- und Postbus-Belegschaft verlaufen.