Zwei Züge der ÖBB auf dem Wiener Westbahnhof
ORF.at/Christian Öser
Bahn-KV

Verhandlungen gescheitert – morgen Streik

Die fünfte Verhandlungsrunde zu einem neuen Bahn-KV ist gescheitert. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter gaben sich gegenseitig die Schuld am ganztägigen, österreichweiten Warnstreik der Eisenbahner am morgigen Montag. Nur Busse und kommunale Verkehrsbetriebe sind unterwegs, aber keine Regional-, Fern- und Nachtzüge oder S-Bahnen. ÖBB-Chef Andreas Matthä kritisierte die Gewerkschaft vida sehr scharf für ihren „mutwilligen Streik“.

Die Verhandlungen für die rund 50.000 Eisenbahner und Eisenbahnerinnen waren zuvor unterbrochen worden. Geplant war ursprünglich eine Fortsetzung der Verhandlungen am Sonntagvormittag, doch das Vorhaben zerschlug sich – die Fronten waren zu stark verhärtet. Die Vorstellungen für einen Abschluss der KV-Verhandlungen für rund 65 Firmen, darunter ÖBB und Westbahn, lagen weit auseinander.

Die Arbeitnehmervertreter der Gewerkschaft vida forderten zuletzt 400 Euro mehr auf alle KV- und Ist-Löhne für Eisenbahnerinnen und Eisenbahner. Das war den Arbeitgebervertretern der Wirtschaftskammer (WKO) aber viel zu viel. Die Gewerkschaft vida kritisierte nach den gescheiterten Verhandlungen, dass die Arbeitgeberseite der WKO ihr ursprüngliches Angebot von plus 200 Euro (und Einmalzahlung von 1.000 Euro) zuletzt nur um acht Euro erhöht hätte.

Vida: „Acht Euro wenden keinen Warnstreik ab“

„Acht Euro wenden keinen Warnstreik ab“, wurde vida-Chefverhandler Gerhard Tauchner in einer Aussendung zitiert. Die Arbeitgeber teilten hingegen mit, dass sie ihr Angebot von einem Plus von acht Prozent auf plus 8,44 Prozent erhöht hätten. Sie gaben der Gewerkschaft die Schuld, einen Streik vom Zaun zu brechen und dabei einem Drehbuch zu folgen.

„Die Verantwortung für diesen Warnstreik, für die Auswirkungen auf die Pendlerinnen und Pendler sowie für den wirtschaftlichen Schaden liegt damit ausschließlich bei der Wirtschaftskammer. Hätte sie sich in den letzten zwei Monaten bewegt und ernsthaft verhandelt, hätten wir schon lange einen Abschluss“, so Tauchner.

Arbeitgeber: „Vorgehensweise verantwortungslos“

Die Arbeitgeber warfen den Arbeitnehmern vor, ihre Forderung weiter erhöht zu haben: „Waren die Forderungen bisher schon maßlos, dann ist diese Vorgehensweise unmittelbar vor einem Streik verantwortungslos“, so Arbeitgeberchefverhandler Thomas Scheiber. Er fragte, warum niedrigere Gehaltsabschlüsse von der vida in anderen Branchen „abgefeiert“ werden, aber bei der Bahn gestreikt werde. „Die Gewerkschaft nimmt mit ihren unrealistischen Forderungen die gesamte Branche und ihre Kunden in Geiselhaft.“

Teilnehmer an der Fortsetzung der Bahn-KV-Verhandlungen
APA/Bubu Dujmic
Bei den Bahn-KV-Verhandlungen ist keine Einigung gelungen – nun läuft die Suche nach neuen Anläufen

„Die Gewerkschaft vida war zu keinem Zeitpunkt der Gespräche zu einem Einlenken bereit“, hieß es in einer Aussendung der WKO. „Wir haben uns in jede Richtung bewegt und zuletzt ein Angebot auf den Tisch gelegt, das höher ist als sämtliche KV-Abschlüsse in diesem Jahr in allen anderen Branchen. Dass die Gewerkschaft für ein durchschnittliches Lohn-Plus von 8,44 Prozent auf Kosten von Millionen Fahrgästen einen Streik vom Zaun bricht, ist verantwortungslos“, wurde Scheiber zitiert.

Tauchner weist Vorwurf zurück

Den Vorwurf der Arbeitgeber stellte Arbeitnehmerverhandler Tauchner in Abrede: Man habe auch keine Forderung erhöht, wie das die Arbeitgeber nun darstellten, so Tauchner. Es sei nur darum gegangen, wie die 400-Euro-Forderung genau ausgestaltet werden könne. Hierbei spielt die angebotene Einmalzahlung der Arbeitgeber eine Rolle.

Solange es bei der Eisenbahn noch 40-Stunden-Jobs gebe, wie im Nachtzug, wo Kolleginnen und Kollegen lediglich 1.356 Euro netto im Monat als Einstiegsgehalt bekämen, gebe es im Kollektivvertrag noch massiven Aufholbedarf, so Tauchner. „Wir fordern weiterhin einen monatlichen Fixbetrag in Höhe von 400 Euro auf KV- und Ist-Löhne, weil dieser insbesondere die niedrigen und mittleren Einkommen in Zeiten der anhaltenden Rekordinflation von inzwischen elf Prozent (Oktober, Anm.) stützt“, bekräftigte Tauchner.

Versuche zur Gesprächsterminfindung ab Dienstag möglich

Der Gewerkschafter sagte auf APA-Nachfrage, wie und wann es jetzt mit Gesprächen weitergehen werde, und wo die Situation besonders verfahren erscheint: „Wir haben angeboten, dass sich die Experten am Dienstag wieder zusammensetzen und schauen, was wir machen können. Danach haben wir rasch neue Termine als Ziel.“ Ein möglicher Dienstag-Termin sei aber noch nicht fixiert, so Tauchner.

Der zuständige WKO-Fachverband teilte auf Nachfrage mit, dass man am Dienstagnachmittag zu einer „Vollversammlung/Erweiterten Ausschusssitzung“ lade, um die Mitglieder zu unterrichten und die weitere Vorgehensweise zu beraten. Vor der Sitzung werde es keine neuen Terminvorschläge an die Gewerkschaft geben.

ÖBB-Chef Matthä: „Mir fehlt jedes Verständnis für Streik“

Die ÖBB bedauerten zuletzt die Nicht-Einigung der Sozialpartner. Daher komme der gesamte Zugsverkehr in Österreich am Montag, 00:00 bis 24:00 Uhr, zum Erliegen. „Mir fehlt jedes Verständnis für diesen Streik“, kritisierte ÖBB-Chef Matthä die Gewerkschaft vida in einer Stellungnahme ganz offen. „Die Arbeitgeberseite hat mit 8,44 Prozent das höchste Angebot aller Branchen gestellt“, bekräftigte er.

„Es ist ganz klar ein mutwilliger Streik der Gewerkschaft. Es schmerzt mich, dass unsere Fahrgäste dermaßen in Mitleidenschaft gezogen werden.“ Matthä entschuldigte sich wie die Verhandler beider Seiten bei den betroffenen Fahrgästen. „Die ÖBB werden alles daran setzen, den Betrieb so rasch wie möglich wieder hochzufahren.“

ÖBB: Nicht notwendige Fahrten verschieben

Die ÖBB ersuchten die Fahrgäste, nicht notwendige Fahrten zu verschieben bzw. alternative Reisemöglichkeiten zu wählen. Es kann bereits ab Sonntagabend bzw. bis Dienstagfrüh zu Ausfällen bei den Nightjet- und EuroNight-Verbindungen kommen. Die Bahn werde im Streikfall Details zu Einschränkungen, Verzögerungen oder Ausfällen auf oebb.at/streik, den ÖBB-Social-Media-Kanälen sowie in der Fahrplanauskunft Scotty bekanntgeben. Alle Bahnunternehmen versuchen laut Scheiber, die Fahrgäste so gut es geht zu informieren und die Tickets zu ersetzen oder weiter gelten zu lassen.

Westbahn „erschüttert“

Die mehrheitlich private Westbahn – deren Eigentümerin gehört zu 49,9 Prozent der Haselsteiner Familien-Privatstiftung, zu 32,7 Prozent der schweizerischen August Holding AG und zu 17,40 Prozent den französischen Staatsbahnen SNCF – zeigte sich „erschüttert, dass der Streik nicht vermieden wurde“. Sie nutzte die Vorgänge, um eine Forderung zu stellen: „Eine grundlegende Voraussetzung, um solche untragbaren Situationen für die Zukunft bestmöglich zu vermeiden, ist die Entflechtung von Infrastruktur und Personenverkehr.“

Die Infrastruktur – sie gehört in Österreich den staatlichen ÖBB und wird von der Westbahn genützt – müsse zwar in staatlicher Hand bleiben. Es müsse aber möglich sein, den Betrieb für die Reisenden aufrechtzuerhalten, selbst wenn die Sozialpartner hart verhandelten: „Mittels Infrastrukturbereitstellung durch eine staatliche Behörde, unabhängig von den ÖBB, können Situationen wie die, auf die sich Bahnreisende morgen einstellen müssen, künftig vermieden werden“, teilten Westbahn-Geschäftsführer Thomas Posch und Westbahn-Manager Florian Kazalek per Aussendung mit. Schweden hat vorgezeigt, wie es gehe, in Deutschland gebe es dahingehend eine Diskussion.

Aus der Gewerkschaft hatte es geheißen, dass die Streikbereitschaft in allen Betrieben, also auch bei Westbahn-Mitarbeitenden groß ist. Die Westbahn stellt die Situation in ihrem Betrieb so dar, als würde sie fahren, wenn sie denn die Infrastruktur nutzen könnte.

Auch Salzburger O-Bus- und Lokalbahnverkehr fällt aus

Unterdessen rechnet die Salzburg AG mit starken Einschränkungen auch im Regionalverkehr. Bei der Salzburger Lokalbahn, Pinzgauer Lokalbahn und dem gesamten städtischen O-Bus-Verkehr ist mit Komplettausfällen für 24 Stunden zu rechnen, berichtete die Salzburg AG in einer Aussendung. Einzig der Albus und die Regionalbusse des Salzburger Verkehrsverbundes sind vom Streik nicht betroffen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lokalbahn und der O-Busse in der Stadt Salzburg haben bereits in den vergangenen Tagen angekündigt, sich dem Streik anzuschließen.

Die Salzburg AG bittet daher alle Fahrgäste, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Die Salzburger Bildungslandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) bedauert, dass „wieder einmal die Schülerinnen und Schüler maßgeblich betroffen sind“. Gerade in der Schularbeitszeit sei das nach den letzten beiden Jahren doppelt bitter. „Diejenigen, die morgen aufgrund des Streiks nicht zur Schule kommen können, gelten automatisch als entschuldigt“, betont Gutschi nach einer Abstimmung mit Bildungsdirektor Rudolf Mair.

Auch im Handel drohen Streiks

Nicht nur bei den Eisenbahnern, sondern auch im Handel spitzen sich die Verhandlungen um den neuen Kollektivvertrag zu. So erteilte der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) seiner Teilgewerkschaft GPA eine Streikfreigabe für den Handel. Dort drohen Ausstände am nächsten vorweihnachtlichen Einkaufswochenende, hieß es aus der GPA – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.