Gewessler will „Strukturen für Klimaschutz ändern“

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) will den motorisierten Individualverkehr bremsen und den öffentlichen Verkehr ausbauen – oder, wie es heute hieß, „die Strukturen für den Klimaschutz ändern“. Viele Menschen wollten klimafreundlich leben, stießen dabei allerdings auf Grenzen, so Gewessler heute unter Verweis auf den vom Austrian Panel on Climate Change (APCC) vorgestellten Bericht „Strukturen für ein klimafreundliches Leben“.

Zeigefinger reicht aus Expertensicht nicht

„Für Einzelne ist es schwer, klimafreundlich zu leben, und es macht keinen Sinn, die Aufmerksamkeit zu sehr auf ihr vermeintlich falsches oder richtiges Verhalten zu legen“, sagte Andreas Novy vom Institute for Multi-Level Governance and Development (MLGD) der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien.

Gesetze, Industriepolitik und Infrastruktur

In der Wissenschaft gebe es den Konsens, dass der Fokus vielmehr auf die Strukturen und Rahmenbedingungen gelegt werden müsse, die den Handlungsspielraum des Einzelnen bestimmen. „Dabei geht es um Gesetze, um Industriepolitik und Infrastrukturen.“ Als Beispiel nannte der Experte etwa Siedlungsstrukturen und eine durch diese „erzwungene Mobilität“, die ein „Haupttreiber für steigende Emissionen und klimaschädlichen Flächenverbrauch“ seien.

„In der Mobilität müssen wir den Individualverkehr ein bisschen einbremsen“, so Gewessler. Im Gegenzug brauche es mehr öffentlichen Verkehr. Beim Thema Energie gelte es wiederum, die strukturelle Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Erdgas zu beenden, die auf jahrzehntelang errichteten Strukturen wie Leitungen und Heizungssystemen basiere.

Dafür unterstütze man zum Beispiel mit einer „Transformationsoffensive“ die Industrie mit rund fünf Mrd. Euro bis 2030, Öl, Kohle und Gas als Energieträger durch Ökostrom und Wasserstoff zu ersetzen. Auch der Austausch von klimaschädlichen zu klimafreundlichen Heizungssystemen für Privathaushalte werde gefördert.

Werben für „Klimatransformation“

Für diese „Klimatransformation“ brauche es freilich Fachkräfte, die all die Strukturen umgestalten, so ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher. Beim Arbeitsmarktservice (AMS) seien etwa elf Prozent der gemeldeten offenen Stellen in klimarelevanten Berufen. „Heute gibt es etwa zu wenige Dachdecker, die Photovoltaikanlagen auf das Dach montieren können“, so Karl Steininger vom Wegener Center für Klima und globalen Wandel der Universität Graz. Während bei manchen Sparten der Bedarf steigt, sinkt er wohl für einige Berufe.

Der APCC-Bericht „Strukturen für ein klimafreundliches Leben“ wurde von mehr als 80 österreichischen Experten und Expertinnen verfasst und ist öffentlich einsehbar. Er soll laut Autoren zum Beispiel klären, wie Rahmenbedingungen gestaltet werden können, sodass ein klimafreundliches Leben für jeden selbstverständlich oder zumindest erleichtert wird, welchen Beitrag die verschiedenen gesellschaftlichen Akteure leisten können und welche Infrastrukturen notwendig sind.