„Es hat keinen Sinn, mit diesem Galopp weiterzumachen“, sagte Ausschussvorsitzender Norbert Hofer (FPÖ) zwischendurch gar. Im Fokus der Kanzlerbefragung standen Studien, Umfragen und Postenbesetzungen. Das entsprechende Bild des schwierigen Frage-Antwort-Flusses zeigte bereits die erste Fragerunde der SPÖ an – sie allein dauerte fast zwei Stunden, einen Erkenntnisgewinn lieferten Nehammers Antworten nicht.
Insbesondere in dieser Zeit wurde die Sitzung regelmäßig unterbrochen bzw. die Fragen inhaltlich erörtert. In vielen Fällen wurden die Fragen vom Vorsitz als zu unkonkret formuliert befunden. Allen voran zog die ÖVP vielfach aber die Zulässigkeit von Fragen der Opposition in Zweifel – kein neuer Vorgang im laufenden U-Ausschuss. In der Befragung Nehammers durch die ÖVP erkannte die SPÖ gar eine „Farce“.
„Wir werten das einmal als Ja“
Doch bevor es dazu kam, fokussierte SPÖ-Mandatar Christoph Matznetter eingangs auf Umfragen um das Beinschab-Österreich-Tool. So wollte er etwa wissen, ob der unlängst von der ÖVP reaktivierte Kommunikationschef Gerald Fleischmann als Beschuldigter wegen des Verdachts der Untreue und Bestechlichkeit geführt werde. Der letztlichen Zulassung der Frage war freilich eine Geschäftsordnungsdebatte vorausgegangen.

Nehammer bejahte die Frage, er habe zu Studien und Inseraten aber keine Wahrnehmung – auch wisse er nicht, was Fleischmann genau vorgeworfen werde. Er könne weder bestätigen noch ausschließen, dass er mit Fleischmann in der Vergangenheit auch über Umfragen gesprochen habe, so Nehammer. „Wir werten das einmal als Ja“, so Matznetter.
Mögliche Gegenleistungen an die ÖVP im Fokus
Zudem rückte Matznetter die Modalitäten rund um Umfragen und Inserate, die von ÖVP-geführten Ressorts in Auftrag gegeben wurden, in den Fokus. Insbesondere ging es um die Rolle der Agentur Media Contacta. Hier steht der Vorwurf im Raum, die Agentur habe in Wahljahren Aufträge von ÖVP-geführten Ministerien abgewickelt, um die ÖVP zu unterstützen. Hier kam es – wie freilich zu erwarten – zu reichlich Geschäftsordnungsdebatten.
Ob er Wahrnehmungen habe zu Gegenleistungen an die ÖVP durch private Unternehmen für öffentliche Aufträge („etwa durch Rabatte, Stundungen, Kredite“), wollte Matznetter von Nehammer wissen. „Ich war für die politische Vertretung verantwortlich und nicht für die kaufmännische“, so Nehammer – er habe „keine Wahrnehmung dazu“. Ob er Wahrnehmung habe zu konkret 500.000 Euro, die der ÖVP seitens der Media Contacta gestundet worden seien. Auch hier: „keine Wahrnehmung“.
„Keine Kickback-Zahlungen an ÖVP“
Auch der Geschäftsführer der Media Contacta habe hier im U-Ausschuss angegeben, dass es zu keinen „Kickback“-Zahlungen gekommen sei, sprang ÖVP-Ausschuss-Fraktionschef Andreas Hanger dem Kanzler bei. Der Geschäftsführer der Media Contacta sei ihm „sehr lange bekannt“, sagte Nehammer dann auf entsprechende Nachfrage der SPÖ. Ob der Wahrnehmungen habe, dass Ministerien an den Geschäftsführer der Media Contacta herangetreten seien.
„Ich habe viele persönliche Gespräche mit ihm geführt, ich könnte mich aber nicht erinnern, dass es um öffentliche Aufträge an Ministerien gegangen ist“, so Nehammer. Wiederum sprang die ÖVP dem Kanzler bei: Auch sei es „hier ausschließlich um Parteiangelegenheiten gegangen und nicht um Vollziehungshandlungen des Bundes“, wie der nunmehrige ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker argumentierte, der überraschenderweise im Ausschuss saß.

Verweis auf „klare Vorgaben“
Matznetter versuchte es weiter und fragte Nehammer zu Wahrnehmungen zu den seitens der „Bauernzeitung“ laut SPÖ-Angaben erlassenen 350.000 Euro gegenüber der Partei und folglich gestiegenen Inseratenaufträgen. Er habe keine Wahrnehmung dazu, so Nehammer – auch mit seinem damaligen Pressesprecher habe er nicht darüber gesprochen.
Auch abgefragt wurden eventuelle Wahrnehmungen aus dem Innenministerium zu einer Kooperation mit der Mediengruppe „Österreich“. Das Innenministerium habe diverse Inserate geschaltet in diversen Medien, damit beschäftige sich die zuständige Abteilung im Haus, es gebe klare Vorgaben für Inseratenschaltungen. Bei dem Vorgang sei er nicht Teil der Kommunikation gewesen, so Nehammer.

Ob generell Inseratenschaltungen über das Kabinett im Innenministerium gelaufen seien. Matznetter legte dazu eine Unterlage vor: Darin geht es um ein Angebot von „Österreich“ zur „Rekrutierungs-Sommerpromotion“ in der Höhe von 220.000 Euro. So habe ein Kabinettsmitarbeiter darauf mit der Formel „Danke – bitte einhängen“ geantwortet. Wiederum verwies Nehammer auf Prüfungen in der Fachabteilung sowie auf Richtlinien des Kabinetts zu einem klaren Umgang.
Direktvergaben bei Inseraten?
NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper setzte dort an, wo die SPÖ aufgehört hatte. Bezüglich Inserate wollte sie wissen, ob es dazu Ausschreibungen gab. Sie legte eine E-Mail vor und fragte den Ex-Innenminister zu einer Kampagne um 200.000 Euro in der Zeitung „Österreich“.

Für die Schaltung gab es „klare Richtlinien“, wiederholte Nehammer und verwies auf den Umstand, dass dies der zuständigen Fachabteilung oblag. Doch, so Krisper, sei in diesen Abteilungen laut Aktenbestand über Direktvergaben diskutiert worden, auch der damalige Pressesprecher des Kabinetts sei maßgeblich involviert gewesen.
Auch fragte Krisper, ob Ressourcen des Innenministeriums für den EU-Wahlkampf von der damaligen Kanzleramtsstaatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) herangezogen worden seien – die NEOS-Mandatarin merkte an, dass Nehammer ja damals Wahlkampfleiter gewesen sei. Der Kanzler hatte dazu keine Wahrnehmung, wie er angab.
FPÖ-Fragen zur Leitung der Flugpolizei
FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker fragte Nehammer zu Personalbestellungen zu seiner Zeit als Innenminister – konkret ging es um die Leitung der Flugpolizei. Im Fokus steht ein hoher Posten: Eine nach Ansicht der Gleichstellungskommission gleich qualifizierte Frau, die sich um den Posten beworben hatte, sei nicht zum Zug gekommen. Er habe den betreffenden Mann ernannt, das sei ja seine Aufgabe als Innenminister gewesen. Nehammer verweist auf das „klare Reglement, wie Postenbesetzungen vorzunehmen sind“. Entsprechend würden sie auch besetzt, zum konkreten Fall habe er keine Wahrnehmungen.

„Ungeheuerliche Anschuldigung“
Auch habe er keine Wahrnehmung dazu, dass bei einer Teamklausur der ÖVP womöglich Ergebnisse von Umfragen präsentiert wurden, die ein ÖVP-Ministerium in Auftrag gegeben hatte, meinte Nehammer auf eine entsprechende Frage. Der Kanzler hielt das für eine „ungeheuerliche Anschuldigung“. Angesprochen auf diverse Postenbesetzungen durch sein einstiges Ressort, das Innenministerium, beteuerte Nehammer, keine „Interventionslisten“ – wie es laut Opposition unter Wolfgang Sobotka der Fall gewesen sein soll – geführt zu haben.
„Es ist nichts mehr da“
Die grüne Fraktionschefin Nina Tomaselli fragte zu jener Pressekonferenz, in der die damals stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gabriela Schwarz angesichts erwarteter Hausdurchsuchungen bei der ÖVP meinte, es sei „nichts mehr da“. Nehammer dazu: „Ich kenne die Geschichte aus den Medien, darüber hinaus habe ich keine Wahrnehmung dazu.“ Was Veraktungen angehe, sei Angelegenheit von Generalsekretären, er als Minister habe keine Wahrnehmung dazu.

Nehammer: Von Hausdurchsuchungen vorab nichts gewusst
Bemerkenswert sei, dass die Meinungsforscherin Sabine Beinschab und die Medienmanager Wolfgang und Helmuth Fellner damals versucht hätten, Daten zu löschen, so Tomaselli. Er selbst habe im Vorfeld nicht von der Hausdurchsuchung bei Beinschab erfahren, sagte Nehammer auf eine entsprechende Frage. Deswegen gehe er auch davon aus, dass auch sonst niemand im Kabinett davon gewusst habe. Ob er eine Untersuchung der Löschungen in Auftrag gegeben habe? Nehammer verwies auf seine Kanzlerwerdung kurze Zeit danach.
Tomaselli wollte zudem wissen, ob er von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aufgefordert worden sei, Daten zu übermitteln. Das verneinte Nehammer – auch habe er nicht mit ihm über das Beinschab-Tool oder die Daten auf dem Handy des damaligen Finanzgeneralsekretärs Thomas Schmid gesprochen. „Soweit ich mich erinnern kann, war es kein Thema zwischen uns.“
„Drohnen-Rennen“ bei Führungskräfteklausur
Unmut in der ÖVP-Fraktion lösten Fragen der Grünen nach einer Führungskräfteklausur des Innenministeriums aus, bei der auch ein „Drohnen-Rennen“ stattfand. Ausgerechnet an diesem Tag war wegen eines Anti-Terror-Gipfels in Wien eine Flugverbotszone eingerichtet worden. Man habe den Führungskräften die Möglichkeiten eines Drohneneinsatzes demonstrieren wollen, begründete Nehammer die Aktion.
„Zwickmühle“ bei Kanzleramts-E-Mails
Bei seiner Erstbefragung sprach Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl Nehammer auf die Weigerung des Bundeskanzleramts an, der WKStA Daten aus E-Mail-Postfächern zu liefern. Wie mehrfach berichtet, will die Korruptionsstaatsanwaltschaft E-Mail-Postfächer zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kanzleramts auswerten, um Kommunikation mit Beschuldigten in der Causa prima, nämlich der Inseraten- und Umfragenaffäre, wiederherzustellen.
Das Bundeskanzleramt habe „stets mit der WKStA kooperiert und Kommunikation gehalten“, sagte Nehammer. Doch sprach er von einer „Zwickmühle“ – die Sicherstellungsanordnung sei nicht präzise gewesen, darum hätten die Sicherheitsinteressen der Mitarbeiter im Vordergrund zu stehen. Dennoch sei es seine „Aufgabe, der Sicherstellungsanordnung nachzukommen“, so Nehammer.

Derzeit arbeiteten nach Auskunft Nehammers gerade die beiden Seiten zusammen, wie man die Sache lösen könne. Er verwies auf die Fürsorgepflichten des Dienstgebers (also des Kanzleramts). Seitens des Kanzleramts seien über 100 Personen mit der Sache betraut, so Nehammer. Auch der Präsident der Finanzprokuratur sei hinzugezogen worden.
Nehammer: „Korruption Gift für Vertrauen in Demokratie“
NEOS-Mandatarin Krisper fragte Nehammer auch, welche Antikorruptionsmaßnahmen die Regierung zeitnah setzen wolle. Die ÖVP bezweifelte den Zusammenhang der Frage mit dem Untersuchungsgegenstand und dem -zeitraum. „Damit führt man dieses Gremium ad absurdum“, so Hanger. Auch der Verfahrensrichter befand die Frage als nicht vom Untersuchungsgegenstand gedeckt – eine Antwort stehe dem Kanzler also frei. Er antwortete: Die Regierung habe sich dazu bekannt, den Kampf gegen Korruption weiterzuentwickeln – sie sei „Gift für das Vertrauen in die Demokratie“.